Barfuß um die Welt 8. Ein Leben lang barfuß! Menschen in Afrika (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd A, Saturday, 28.10.2000, 21:52 (vor 8730 Tagen)

Hallo,
für alle, die Interesse an meinen Beiträgen rund um die Welt haben, möchte ich heute mal wieder was schreiben. Auf meinen letzten Beitrag von den Seychellen kam ja keine Antwort, hat's jemand gelesen?
In meinem heutigen Beitrag bleibe ich mal auf dem gleichen Breitengrad wie die Seychellen, nur etwa 1000 km weiter westlich, in Afrika. Ich hatte ja vor einiger Zeit schon mal über eine Reise in Afrika und einer Wanderung zu den Berggorillas geschrieben. Heute möchte ich mal mehr über die Menschen, die einem auf solch einer Reise begegnen, schreiben.
Wenn man als ganz normaler Pauschaltourist nach Kenya fliegt, um dort ein paar Wochen unter Palmen und tropischer Sonne am Indischen Ozean zu relaxen, wird man normalerweise am frühen Morgen in der quirligen Hafenstadt Mombasa ankommen. Nach dem langwierigen Ceck-in (wer schon mal dort war kennt die Bedeutung von "Pole-Pole"!)geht es mit dem Bus durch die Stadt zu den Hotels an den Stränden nördlich und südlich davon.
Wenn man früh morgens durch eine Großstadt fährt, erwartet man Verkehrs-Chaos. Das gibt es natürlich auch in Mombasa, nur findet es dort nicht auf der Autostraße, sondern mehr auf dem Gehweg statt. Die (natürlich schwarzen) Menschen eilen zu ihrer Arbeit, zu Fuß. Und die allermeisten sind barfuß. Es ist schon eine eigenartige Stimmung, so ganz anders als bei uns. Da wuselt es auf den Vorstadtstraßen von barfüßigen Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit.
Dann hat man die Stadt verlassen, doch die Küste ist dicht besiedelt.
Hütte reiht sich an Hütte, rechts und links der Straße. Schulkinder stehen am Straßenrand und warten auf den Schulbus. Sie tragen alle ordentliche grüne Schuluniformen, Schuhe besitzen die meisten aber nicht.
Ein Brieffreund von mir, der heute in den USA lebt, berichtete mir einmal von seiner Schulzeit in Tanzania folgendes: "Ich hasse Frost. Das ist deshalb, weil ich mich dabei immer an meine Vergangenheit erinnere. Ich bin in Njombe im Süden Tanzanias geboren. Das ist ein Gebiet, in dem es Frost gibt. Das Gebiet liegt sehr hoch. Während Frostperioden ist das Leben mieserabel. Die Häuser sind aus Holz oder Lehm, die Dächer aus Gras. Keine Heizung. Es wird wirklich kalt. Morgens musste ich 10 Kilometer zur Schule laufen, zu Fuß. Der Frost ist sehr streng. Meine Füße haben Risse, aus denen Blut läuft. Wenn ich zu spät kam, schlug mich der Lehrer mit dem Stock auf die Finger. Weil ich keine Handschuhe besaß, tat das sehr weh, denn der Frost steckte im ganzen Körper. Ich erinnere mich, ich bekam meine ersten Schuhe, als ich 11 Jahre alt war. Aber was heißt schon Schuhe, es waren keine Schuhe, wie sich das anhört. Du kennst diese Sandalen, die aus alten Autoreifen gemacht sind....!"
Barfuß laufen als Hobby? Nein Danke!
Afrikaner laufen nicht aus Hobby barfuß, ganz bestimmt nicht.
Zurück nach Mombasa. Frost ist hier kein Thema. Das Wasser des Meeres ist immer um die 25-28 Grad warm, so wird die Luft auch nachts nie unter 20 Grad "kalt". Vor den Hütten an der Straße brennen Feuerstellen, an denen die Leute ihr Frühstück kochen. Die Luft riecht nach Rauch.
In der Nacht sind alle Katzen grau, oder alle Neger schwarz. Und an einem tropischen Strand sind alle Menschen barfuß, klar keine Frage.
Für mich ist ein reiner Strandurlaub zu langweilig, ich möchte was von Land und Leuten kennenlernen.
Diese üblichen Touristensafaris besichtigen ja in erster Linie die Tiere, manchmal gibt's noch einige landschaftliche Highlights, aber von den Menschen bekommt man nichts mit. Doch man sieht sie, wenn sie auf der Straße laufen, mit ihren nackten Füßen. Kinder tragen unvorstellbare Lasten auf dem Kopf. Wenn wir bei unserer Arbeit solche Lasten schleppen müssten, würden die Berufsgenossenschaften Alarm schlagen!
Doch am meisten beeindrucken in Ostafrika die Masai. Sie schleppen keine Lasten. Ihr Speer ist das einzige, was sie tragen. Um den Körper haben sie nur ihr meist rotes oder braunes Tuch gewickelt. Schuhe haben die meisten nicht. Sie laufen barfuß durch die Savanne, mit ihren vielen dornigen Büschen. Man hat den Eindruck, der dicken Hornhaut an den Füßen dieser Menschen könne kein Dorn etwas anhaben. Doch auch die Masai sind vor den Akaziendornen, die manchmal mehr als 10 Zentimeter (!!!)lang sein können, nicht sicher. Das Entfernen von Dornen aus den Fußsohlen bei sich selbst oder auch bei anderen gehört zum normalen Alltag. Masai sind keine Jäger, sie bestellen auch keine Felder, sie leben fast ausschließlich von ihren Rindern und Ziegen.
Das traditionelle Kriegertum mit Mutproben wie Überfälle oder das Erlegen von gefährlihen Tieren haben sie inzwischen fast gänzlich aufgegeben.
In ihren Dörfern gibt es einen dicken "Teppich" aus Rinderdung. Und da laufen sie natürlich auch barfuß.
-Dirty soles auf afrikanisch.-
Doch auch Masai sind oft nicht ganz barfuß, sondern tragen die angesprochenen Sandalen aus Autoreifen.
Barfüßige Menschen gibt es in Afrika überall zu sehen.
Es gibt Überlieferungen, wonach Afrikaner barfuß bis in die höchste Regionen des Mount Kenya oder des Kilimanjaro gewandert sind, lange bevor die ersten Weißen dort oben ihre Fahnen aufstellten.
Ein anderer beeindruckender Stamm sind die Pygmäen. Sie leben nicht in der Savanne, sondern im Regenwald und sie sind nicht nur barfuß, sondern fast ganz nackt. Pygmäen züchten keine Tiere und betreiben auch keinen Ackerbau. Sie streifen barfuß durch den Wald, auf der Suche nach jagbarem Wild.
Die meisten Pygmäen werden ihr Leben lang keine Schuhe besitzen. Und wenn, dann ist das etwas ganz Besonderes. Sie werden mit Stolz getragen. Wenn man einen Pygmäen oder einen anderen Afrikaner fragen würde, ob er als Hobby barfuß läuft, wird er nur mit den Achseln zucken. Hobby Barfuß, das ist ihm völlig fremd.
Ich sah aber auch schon Afrikaner, denen es offensichtlich Spaß machte, barfuß zu laufen, wenn es auch nicht gerade ihr Hobby ist. Ich denke zum Beispiel an die Frauen, die zum Wasserholen an einen Fluss in Zaire kamen. Ich saß dort an einem tosenden Wasserfall mitten in einem Urwaldgebiet. Ein schmaler Trampelpfad führte am Fluss entlang. Während ich das so saß, natürlich selbst auch barfuß, und tagträumend ins Wasser blickte und die angenehmen warmen Temperaturen genoss, hörte ich am Weg plötzlich Frauenstimmen. Sie kamen näher. Kichernd kamen zwei fast erwachsene afrikanische Mädchen auf dem Pfad vom Berg herunter. Sie gingen direkt hinter mir vorbei, winkten mir zu. Keiner verstand natürlich die Sprache des anderen. So blieb es beim gegenseitigen Zuwinken. Sie waren natürlich barfuß. Ihre kräftigen, aber trotzdem anmutigen Füße tasteten sich geschmeidig und sicher über die Wurzeln und Steine auf dem Weg. Sie stiegen an den steilen Ufern hinunter zum Wasser, um ihre Gefäße in den Fluten zu füllen. Dann gingen sie wieder. Es schien nicht so, als ob es für sie unangenehm war, barfuß zu laufen, aber sie taten es bestimmt auch nicht bewusst, oder gar als Hobby. Überhaupt, Hobby! Die meisten Menschen in Afrika haben keine Hobbys. Ein Hobby ist was für gelangweilte, satte Menschen in reichen Ländern. In Afrika macht man nichts zum Spass, außer Spielen und Tanzen. Alles andere erfüllt einen Sinn im täglichen Überlebenskampf. Man tut es, um etwas zu Essen zu bekommen oder Geld zu verdienen.
Und barfuß laufen als Spiel, das kommt wahrscheinlich keinem Afrikaner in den Sinn.
Wie gesagt, den beiden Mädchen schien es nicht unangenehm zu sein, ohne Schuhe zu laufen. Ich habe aber auch in Afrika schon Kinder gesehen, die mit schmerzverzerrtem Gesicht über geschotterte Wege wankten, mit den nackten Füßen nach halbwegs ebenen Flächen ohne Steine suchend. Barfuß laufen ist für sie nicht schön.
Aber so ist das. Die Menschen, die ihr Leben lang barfuß sein müssen, weil sie keine Schuhe kaufen können, wünschen sich nichts mehr als Schuhe, die sie vor Frost, Hitze, Dornen, spitzen Steinen und natürlich auch vor stechenden Tieren schützen. Und Leute wie wir, denen die Gesellschaft das tragen von, möglichst geschlossenen (zumindest bei Männern) Schuhen auferlegt, finden nichts schöner, als nach der Arbeit die beengenden, viel zu warmen Schuhe endlich abzustreifen und barfuß zu gegen. Vielleicht sollten wir mal ein Jahr lang barfuß gehen MÜSSEN, immer und überall, jeden Tag, bei Hitze und Kälte und keine Chance haben, Schuhe zu bekommen. Vielleicht würden wir es dann nicht mehr als Hobby bezeichnen.
Vielleicht sollte man einen Afrikaner mal dazu verdammen, den ganzen Tag geschlossene Schuhe mit dunklen Socken zu tragen, bei der größten Hitze, bei der Arbeit, in der Schule, beim Tanzen, beim Spiel, immer. Erst wenn er ins Bett geht, darf er sie ausziehen - er würde es wohl als Folter empfinden!
So, genug philosophiert, ich genieße jedenfals die frische Luft an meinen Füßen, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre und abends die 12 km wieder zurück. Wenn ich irgendwo auf der Welt wandern gehe, dann ist es ein Genuss, die Natur unter den Fußsohlen zu spüren.
Ich freue mich über jeden Tag, der in diesem Herbst noch so mild ist wie heute, wo ich barfuß radfahren kann, barfuß rudern kann oder spatzieren gehen kann. Und ich wünsche mir, dass die kalten Tage noch eine Weile auf sich warten lassen und die Winterschuhe im Schrank bleiben können.
Bis zum nächsten Mal

Gruß, Bernd


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