Die lieben Verwandten (Hobby? Barfuß! 2)

Lorenz, Wednesday, 25.10.2000, 07:33 (vor 8798 Tagen) @ julia fiona

Liebe Julia,

ich habe keine Probleme mit Schuhträgern an sich, einige Schuhträger sind sogar meine besten Freunde :-)

Genau das trifft auch auf mich zu, denn ohne Internet habe ich so gut wie nie Barfußläufer kennengelernt -- aber ich kam deshalb nie auf den Gedanken, auf gute Freunde zu verzichten. In meiner Altergruppe können nur noch sehr wenige barfuß laufen, weil sich im Laufe eines beschuhten Lebens das Bindegewebspolster der Fußschwarte sowie die Beweglichkeit und Muskelkraft viel zu weit zurückentwicklelt haben. Oftmals höre ich den Kommentar: "Ich würde auch gerne barfuß laufen, aber ich kann es nicht mehr." Ich kann doch die Leute deshalb nicht mit Verachtung strafen!

Ich denke, dass die Deutschen besonders darauf fixiert sind, nicht aufzufallen und zugleich (und auch dafür!) von ihrem Nächsten anerkannt zu werden. Sie schließen auch leichter Menschen aus, die anders sind (Daran appelliert wohl auch die derzeitige "deutsche Leitkultur"-Debatte des CDU-Merzen: Passt Euch an, Fremde, oder bleibt uns fern - brrrrr!).

Ich kratze mit besonderem Vergnügen an dieser Anpassungsideologie; und deshalb plädiere ich auch mit einigem Eifer dafür, wenigstens in der harmlosen Angelegenheit des Barfußgehens die Anpassung zu verweigern.

.... Ich versuche (und auch das gehört zur Barfuß-Mode, so wie es sowieso zur Mode gehört), stets dem Umfeld angemessen aufzutreten. So habe ich natürlich, als ich in Tweed durch Irland oder US-Farmland stapfte, auf Nagellack an Fingern und Füßen verzichtet. Derlei Signale, die (unfreiwillig) erotisch oder frivol wirken könnten, vermeide ich auch bei Kirchenbesichtigungen. Es ist ja nirgendwo verboten, barfuß zu sein (in Moscheen sogar erwünscht), man soll sich nur der Würde des Ortes anpassen und nicht zuviel nackte Haut zeigen oder zu "wild" herumlaufen. Für den Besuch von Gotteshäusern, also meist als Touristin, habe ich ein knöchellanges, dunkelgraues Kleid, sehr schlicht, das für den Sommer leicht genug ist. Da es schulterfrei ist und ich mein Haar gern offen trage, bedecke ich mich drin zusätzlich mit einem Tuch, das ich draußen wie einen Gürtel umbinde.

Ich finde es wichtig, daß Barfußlaufen nicht die Domäne von Verfechtern des "Schlampi-Looks" bleibt! Eine Frau hat da allerdings viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um für alle Situationen einen passenden Stil zu finden. Als Mann kann man eigentlich fast nur Freizeitmode zu barfuß tragen. Erziehungsbedingt habe ich leider ein unterentwickeltes Modebewußtsein, aber gerade wegen des Barfußgehens wächst mein Interesse, gut angezogen durch die Weltgeschichte zu laufen. Ich will weder wie ein Penner noch geistig verwirrt wirken und keineswegs schlechter gekleidet sein, als die Schuhträger.

Liebe Grüße, Lorenz


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