Die lieben Verwandten (-- hallo Julia Fiona! --) (Hobby? Barfuß! 2)

Lorenz, Tuesday, 24.10.2000, 05:37 (vor 8734 Tagen)

Hallo Julia,

Dein interessanter Beitrag steht leider schon so weit unten, deshalb hole ich ihn mit diesem Link hierher, damit er möglichst viele Leser findet.

In der Tat sind es vor allem die Verwandten, die sich berufen fühlen, einem in die Gestaltung des Lebens hereinzureden. Deine Erfahrungen im Vergleich der verschiedenen Nationalitäten weisen allerdings darauf hin, daß dieses Übel wohl an die deutsche Nationalität gekoppelt ist. Was Du von den Franzosen, Iren und Amerikanern schreibst, ist eher ein Zeugnis liebenswürdiger Toleranz.

Ich frage mich, warum gerade wir Deutschen uns so sehr in die Frage hineinsteigern: "was sollen denn die Leute denken!" Da scheint mit oft eine Unsicherheit zu bestehen, die so weit führt, daß auf alle selbstbestimmten Entscheidungen verzichtet wird. Ich meine aber, was für Sekunden durch völlig fremde Gehirne zuckt und dann wieder verschwindet, ist doch völlig ohne Belang! Ich bin mir inzwischen ganz sicher, daß die Hälfte der Deutschen Barfußgehen prinzipiell für gut hält -- nur in Großstadtschmutz oder auf Bergtour können es die meisten nicht nachvollziehen. Und deshalb meint Dein Onkel wohl, er müsse sich genieren, wenn er mit Dir irgendwo gesehen wird.....

Frage ihn doch einmal, warum er Fußfesseln trägt -- ob das der offene Justizvollzug ist, von dem man neuerdings so viel in der Zeitung liest?

Viele Grüße, Lorenz

Die lieben Verwandten

julia fiona, Tuesday, 24.10.2000, 21:25 (vor 8734 Tagen) @ Lorenz

Lieber Lorenz,
ich habe keine Probleme mit Schuhträgern an sich, einige Schuhträger sind sogar meine besten Freunde :-)
Ich denke, dass die Deutschen besonders darauf fixiert sind, nicht aufzufallen und zugleich (und auch dafür!) von ihrem Nächsten anerkannt zu werden. Sie schließen auch leichter Menschen aus, die anders sind (Daran appelliert wohl auch die derzeitige "deutsche Leitkultur"-Debatte des CDU-Merzen: Passt Euch an, Fremde, oder bleibt uns fern - brrrrr!). Boshaft getratscht wird überall, wo ich mich auskenne, aber überall mit mehr Selbstironie und Bereitschaft, das Anderssein anderer anzuerkennen, als in Deutschland.
Aber, selbst in schwierigen Fällen: Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Ich habe schon oft von einem angemessenen Auftritt gesprochen, der es leichter macht, (nicht nur als Barfüßer) unter Fremden gut anzukommen. Ich versuche (und auch das gehört zur Barfuß-Mode, so wie es sowieso zur Mode gehört), stets dem Umfeld angemessen aufzutreten. So habe ich natürlich, als ich in Tweed durch Irland oder US-Farmland stapfte, auf Nagellack an Fingern und Füßen verzichtet. Derlei Signale, die (unfreiwillig) erotisch oder frivol wirken könnten, vermeide ich auch bei Kirchenbesichtigungen. Es ist ja nirgendwo verboten, barfuß zu sein (in Moscheen sogar erwünscht), man soll sich nur der Würde des Ortes anpassen und nicht zuviel nackte Haut zeigen oder zu "wild" herumlaufen. Für den Besuch von Gotteshäusern, also meist als Touristin, habe ich ein knöchellanges, dunkelgraues Kleid, sehr schlicht, das für den Sommer leicht genug ist. Da es schulterfrei ist und ich mein Haar gern offen trage, bedecke ich mich drin zusätzlich mit einem Tuch, das ich draußen wie einen Gürtel umbinde.
Was nun den Onkel und seine Bagage betrifft, von denen ich sprach: Da ist Hopfen und Malz verloren, die sind so fixiert auf das Nichtauffallen und Alleswiedieandernmachen, dass mein Auftritt in ihrem Kaff ihnen körperliche Pein bereitet. Deshalb bin ich auch nur noch da, wenn es gar nicht anders geht, also zu hohen Familienfesten. Man muss Intoleranz ja nicht auch noch suchen, wenn sie schon unvermeidlich ist.
Gruß Julia

Die lieben Verwandten

Lorenz, Wednesday, 25.10.2000, 07:33 (vor 8733 Tagen) @ julia fiona

Liebe Julia,

ich habe keine Probleme mit Schuhträgern an sich, einige Schuhträger sind sogar meine besten Freunde :-)

Genau das trifft auch auf mich zu, denn ohne Internet habe ich so gut wie nie Barfußläufer kennengelernt -- aber ich kam deshalb nie auf den Gedanken, auf gute Freunde zu verzichten. In meiner Altergruppe können nur noch sehr wenige barfuß laufen, weil sich im Laufe eines beschuhten Lebens das Bindegewebspolster der Fußschwarte sowie die Beweglichkeit und Muskelkraft viel zu weit zurückentwicklelt haben. Oftmals höre ich den Kommentar: "Ich würde auch gerne barfuß laufen, aber ich kann es nicht mehr." Ich kann doch die Leute deshalb nicht mit Verachtung strafen!

Ich denke, dass die Deutschen besonders darauf fixiert sind, nicht aufzufallen und zugleich (und auch dafür!) von ihrem Nächsten anerkannt zu werden. Sie schließen auch leichter Menschen aus, die anders sind (Daran appelliert wohl auch die derzeitige "deutsche Leitkultur"-Debatte des CDU-Merzen: Passt Euch an, Fremde, oder bleibt uns fern - brrrrr!).

Ich kratze mit besonderem Vergnügen an dieser Anpassungsideologie; und deshalb plädiere ich auch mit einigem Eifer dafür, wenigstens in der harmlosen Angelegenheit des Barfußgehens die Anpassung zu verweigern.

.... Ich versuche (und auch das gehört zur Barfuß-Mode, so wie es sowieso zur Mode gehört), stets dem Umfeld angemessen aufzutreten. So habe ich natürlich, als ich in Tweed durch Irland oder US-Farmland stapfte, auf Nagellack an Fingern und Füßen verzichtet. Derlei Signale, die (unfreiwillig) erotisch oder frivol wirken könnten, vermeide ich auch bei Kirchenbesichtigungen. Es ist ja nirgendwo verboten, barfuß zu sein (in Moscheen sogar erwünscht), man soll sich nur der Würde des Ortes anpassen und nicht zuviel nackte Haut zeigen oder zu "wild" herumlaufen. Für den Besuch von Gotteshäusern, also meist als Touristin, habe ich ein knöchellanges, dunkelgraues Kleid, sehr schlicht, das für den Sommer leicht genug ist. Da es schulterfrei ist und ich mein Haar gern offen trage, bedecke ich mich drin zusätzlich mit einem Tuch, das ich draußen wie einen Gürtel umbinde.

Ich finde es wichtig, daß Barfußlaufen nicht die Domäne von Verfechtern des "Schlampi-Looks" bleibt! Eine Frau hat da allerdings viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um für alle Situationen einen passenden Stil zu finden. Als Mann kann man eigentlich fast nur Freizeitmode zu barfuß tragen. Erziehungsbedingt habe ich leider ein unterentwickeltes Modebewußtsein, aber gerade wegen des Barfußgehens wächst mein Interesse, gut angezogen durch die Weltgeschichte zu laufen. Ich will weder wie ein Penner noch geistig verwirrt wirken und keineswegs schlechter gekleidet sein, als die Schuhträger.

Liebe Grüße, Lorenz

Moscheen

XL ⌂ @, Wednesday, 25.10.2000, 11:06 (vor 8733 Tagen) @ julia fiona

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Hi Julia!

Bei den Moscheen ist Barfüßigkeit zwar erwünscht, allerdings nicht etwa als Zeichen von Demut oder oder so, sondern schlcihtweg um den Dreck der Straße nicht mit reinzubringen. In Islamischen Ländern ist es ja auch üblich, beim Betreten einer Wohnung, die Schuhe abzulegen.

Wenn Du mit -infolge deiner Barfüßigkeit- beschmutzten Füßen eine Moschee betrittst, machst Du Dich mit Sicherheit unbeliebt, auch wenn Du Deine Kleidung ansonsten angepasst hast. Genauso wird man Dir in diesem Kulturkreis vorm Betreten einer Wohnung eine Waschschüssel in die Hand drücken...

Aber was soll's, hierzulande wäschst Du Dir mit Sicherheit auch die Füße, wenn Du nach Hasue kommst...

Fuß zum Gruß,

XL

[image] Schnaxel-Online

Moscheen

Manuel, Wednesday, 25.10.2000, 20:42 (vor 8733 Tagen) @ XL

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Wenn Du mit -infolge deiner Barfüßigkeit- beschmutzten Füßen eine Moschee betrittst, machst Du Dich mit Sicherheit unbeliebt, auch wenn Du Deine Kleidung ansonsten angepasst hast. Genauso wird man Dir in diesem Kulturkreis vorm Betreten einer Wohnung eine Waschschüssel in die Hand drücken...

Die groesseren Moscheen im Orient haben einen Waschbrunnen. Das ist auch hygienischer als eine gemeinsam benutzte kleine Waschschuessel.

Moscheen

Einer, dessen Besuch im Felsendom keine Nahostkrise auslöste, Wednesday, 25.10.2000, 21:40 (vor 8733 Tagen) @ Manuel

Die groesseren Moscheen im Orient haben einen Waschbrunnen. Das ist auch hygienischer als eine gemeinsam benutzte kleine Waschschuessel.

Und dieser sollte auch von denen benutzt werden, welche vorher Schuhe trugen - sonst stinkt die Moschee hinterher vom Fußschweiß tausender achtloser Touristen ...

Moscheen

XL, Thursday, 26.10.2000, 03:48 (vor 8732 Tagen) @ Manuel

Die groesseren Moscheen im Orient haben einen Waschbrunnen. Das ist auch hygienischer als eine gemeinsam benutzte kleine Waschschuessel.

Daß Moscheen -soagr die allerwinzigsten- über Waschbrunnen verfügen, ist auch mir bekannt...

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