Nachholen, was wir in der Kindheit versäumt haben (Hobby? Barfuß! 2)
Ich bin als Kind wenig barfuß gelaufen, höchstens bei uns im Garten oder am Strand. Auch wenn ich mich mit den Nachbarskindern traf, von denen einige barfuß liefen, behielt ich meist die Schuhe an. Meine Eltern hatte eben eine negative Einstellung zum Barfußlaufen. Höchstens wenn ich ein paar Tage bei meiner Oma zu Besuch war, ging ich auch schon mal etwas länger barfuß, z. B. zum Supermarkt. Ab dem 10. Lebensjahr war es für mich mit dem Barfußlaufen praktisch vorbei, denn meine Oma lebte nicht mehr.
Doch immer wenn ich Barfüßer sah, was ja in 95 % aller Fälle Frauen und Mädchen waren, fühlte ich mich davon angezogen. (...)>Seit einiger Zeit bin ich in Psychotherapie. Wir haben viel über dieses Thema gesprochen und endlich weiß ich, was mich so faszinierte. Es ging nicht um die Füße an sich, sie waren nur ein Bild. Ich hatte große Kontaktschwierigkeiten. Mit nackten Füßen hat man Kontakt zum Boden. Sie drückten eine Sehnsucht aus, nach Kontakt und nach Gefühl. Alles erleben, nicht mehr dieses Gefühl der Wand zwischen mir und den Mitmenschen, symbolisiert durch die Schuhsohle. (...)
Nackte Füße waren ein Bild der Befreiung von inneren Zwängen, aus denen ich nicht rauskonnte. Für diese Zwänge standen die Schuhe Symbol.
Ingo
Lieber Ingo!
Vielen Dank für Deinen ehrlichen Bericht! Nach so manchen Dingen, die ich eher mit Verwunderung gelesen habe, hat mir Dein Text dieses Forum wieder so richtig sympathisch gemacht.
Ich möcte versuchen, auf einen Aspekt noch ein bisschen näher einzugehen, der mir von mir irgendwie bekannt vorkommt:
Ich denke, meine Begeisterung für's Barfußgehen ist auch irgendwie ein Versuch, etwas nachzuholen, das ich als Kind versäumt habe. Ich war wohl ein wenig überbehütet und hab einfach zu wenig Platz gehabt für spontanes Handeln und Erleben. Aber heute bin ich glücklich darüber, dass ich nicht nur etwas nachtrauere, sondern es gelernt habe, mir eben meine Freiheiten zu nehmen. Mit meiner Leidenschaft für Wanderungen und Reisen, beides immer wieder auch allein und ziemlich oft barfuß, schaffe ich es, die Sehnsüchte meiner Kindheit eben heute zu leben. Ich glaube schon, daß ich es dennoch geschafft habe, erwachsen zu werden. Diese Sehnsüchte sind eben Teil meiner Persönlichkeit, sie sind da, ich habe ein Recht, über mich zu bestimmen, und deshalb lebe ich sie.
Deshalb wünsche ich auch Dir, lieber Ingo, noch ganz viel Spaß im barfüssigen Teil Deines Lebens!
Harald