Meine Gedanken zu "psychosozialen Schranken" (Hobby? Barfuß! 2)

AllgäuYeti (Karl Heinz) ⌂ @, Stammposter, (vor 6125 Tagen)

Hallo Leute,

wenn Ihr mal auf meiner eigenen unten verlinkten Homepage in mein Gästebuch schaut dann denke ich passt der Eintrag vom 19.04.2008 mit der Überschrift "hoola :-)" in dieses Forum. Vor allem weil ich dazu einen Kommentar mit meiner Meinung zu diesen Fragen geschrieben habe.

Es wäre unhöflich und respektlos von mir, den freundlichen Eintrager in mein Gästebuch hier zu veröffentlichen, deshalb schreibe ich hier keinen Namen und keine Mailadresse von ihm und kopiere auch nicht wörtlich seinen Eintrag, sondern erwähne nur kurz einen Teil seiner Aussage und kopiere Euch hier meinen Kommentar dazu.

Er lobte meine Homepage-Gestaltung und meine Outdoor-Barfuss-Aktionen und gestand, dass er nicht den Willen hat, diese "psychosoziale Schranke" zu überschreiten, selber in der Öffentlichkeit barfuss zu laufen.

Darauf schrieb ich folgenden Kommentar:

Hallo [ohne Namen],

es ist sehr freundlich von Dir, dass Du meine Homepage und auch meine etwas "verrückten" Outdoor-Aktionen in Deinem Gästebuch-Eintrag lobst.

Du hast kein Verlangen, die "psychosoziale Schranke" zu überschreiten, draussen barfuss zu laufen? Das musst Du ja auch nicht, es ist jedem/jeder nach seiner/ihrer Lust und Laune selber überlassen, wie verpackt oder entpackt er/sie draussen rumläuft.

"Psychosoziale Schranken" können natürlich sehr lästige juristische Formen annehmen. Beispielsweise wird meines Wissens in Virginia (USA) eine Frau bestraft, wenn ihr Schlüpfer frech oben aus der Oberhose rausschaut. Viel drastischer würde in Saudi Arabien eine Frau bestraft werden, wenn ihr Kopft nicht verschleiert wäre. Das sind für mich eine absolut inakzeptable Einschränkungen der angeborenen natürlichen Freiheit des Menschen.

Und sogar das bei uns in Mitteleuropa übliche Bussgeld oder Strafverfahren für völliges Hüllenlos-Herumlaufen in der Öffentlichkeit würde ich als eine in Gestzes-Form gegossene "psychosoziale Schranke" ansehen.

In diesem Sinne sportliche, nachdenkliche und philosophische Grüsse,

Karl Heinz Haidlas.

[image] http://www.allgaeuyeti.de/

Schranken im eigenen Hirn

Lorenz ⌂, Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ AllgäuYeti (Karl Heinz)

Hallo Karl Heinz,

Er lobte meine Homepage-Gestaltung und meine Outdoor-Barfuss-Aktionen und gestand, dass er nicht den Willen hat, diese "psychosoziale Schranke" zu überschreiten, selber in der Öffentlichkeit barfuss zu laufen.

Diese Schranken sind selbstgemacht. Viele Menschen unterwerfen sie sich unüberlegt den Gesetzen, die ihre Phantasie völlig unnötigerweise erfindet. Diese Schranke wird im eigenen Hirn aufgebaut. Und die Menschen blockieren sich und ihre Lebensfreude mit der eigenen Engstirnigkeit....

Tolerante Menschen haben mehr Spaß am Leben, weil sie sich selbst keine psychsozialen Zwänge antun. Ich habe bei der Realisierung des Penzberger Barfußpfads hervorragend mit einem Herrn der Stadtverwaltung zusammengearbeitet, der nach eigenem Bekunden niemals barfuß laufen würde, aber verstanden hat, dass ein Barfußpfad ein tolles Angebot für Kinder und Leute wäre. Dieses Projekt war eine echte Symbiose zwischen barfuß- und Schuhläufer. Mit Respekt vor der unterschiedlichen Einstellung haben wir bestens zusammengearbeitet -- ohne Schranken im eigenen Hirn!!!

Barfüßige Grüße von Lorenz

[image] www.barfusspark.info

Schranken im eigenen Hirn

Andreas G. @, Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ Lorenz

Hallo Lorenz,

genau das Verständnis von Kunden schätze ich immer:

"Wir/ich kann zwar mit Ihnen so rein outfitmässig nicht viel anfangen (war zwar im Anzug aber eben barfüssig!) - aber Ihre Argumente, Lösungsvorschlag und persönlicher Umgang mit unseren Mitarbeitern haben mich überzeugt - SIE erhalten den Auftrag und wir kommen wieder ins Geschäft!"

O-Ton letzter Woche von einem zufriedenen Kunden der bereits zum vierten mal einen Auftrag an mich gegeben hat! Freu mich ganz arg und bin weiterhin überwiegend barfuss unterwegs!
(und schreib weiterhin ohne scharfes "S" weil meine Tastatur sowas nicht hat!)
Trotz nicht üblichem Outfit können behördliche, unternehmerische und andere "Bedenkenträger" mit guten Arbeiten etc. sehr oft überzeugt werden auch und gerade mit "barfussfreundlichen" Anliegen. Geht doch alles, oder nicht?

Freundliche Grüsse

Andreas

"Psychosoziale Schranken" sind gerade keine juristischen

Oliver S., Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ AllgäuYeti (Karl Heinz)

Hallo miteinander,

bin seit gestern aus dem Urlaub zurück und hatte noch keine Zeit, alle Beiträge der letzten Woche zu lesen. Aber was ich bis jetzt gesehen habe, gefällt mir :-)

Karl-Heinz' Post trifft ja nun genau mein Thema, deswegen antworte ich erstmal darauf, bevor ich von Barfuss (bzw. selten barfuss und warum) im Urlaub berichte.

Auch ich empfinde psychosoziale Schranken, die mich daran hindern, so konsequent barfuss zu gehen, wie ich eigentlich gerne wollte. Es geht dabei nicht um irgendwelche gesetzlichen Verbote, sondern schlicht um die - möglicherweise nur zu Unrecht befürchtete - Reaktion der Gesellschaft. Es ist zwar nicht verboten, aber was sollen die Leute denken? Etliche sind in der glücklichen Situation, das ihnen das egal sein kann. Vielen aber ist es nicht egal, obwohl es ihnen vielleicht egal sein könnte. Mir kann es nicht egal sein - warum habe ich bereits in diesem Post beschrieben:

index.php?id=994275229

Deutlicher wird es vielleicht tatsächlich am FKK-Beispiel. Selbst wenn öffentliche Nacktheit nicht verboten wäre (wenn wir mal hier juristisch vereinfachend, um nicht allzu off-topic zu werden, aber für doch über 90% der Situationen noch zutreffend, unterstellen, dass es ein solches Verbot gibt), würden doch kaum Leute tatsächlich nackt durch die Innenstadt laufen. Soziale Normen wirken halt zumindest in manchen Bereichen schärfer als juristische, und die befürchtete Ächtung der Gesellschaft ist eine stärkere Abschreckung als ein Bussgeld (um mehr geht es meines Wissens nach bei öffentlicher Nacktheit selten, solange nichts anderes dazukommt).

Und für viele liegt diese Schwelle eben schon beim Barfusslaufen. Ich denke, das hat Karl-Heinz' freundlicher Homepage-Besucher gemeint. Wir würden gerne etwas tun und trauen uns nicht - nicht weil es verboten wäre, sondern weil wir die Reaktion unseres gesellschaftlichen Umfeldes fürchten. Oft sicher zu Unrecht, aber um das herauszufinden muss man ein Risiko eingehen und ggf. die Konsequenzen tragen - und dazu muss man erstmal bereit sein bzw. es sich leisten können.

Liebe Grüße
Oliver S.

"Psychosoziale Schranken" sind gerade keine juristischen

Lorenz ⌂, Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ Oliver S.

Hallo Oliver,

....Soziale Normen wirken halt zumindest in manchen Bereichen schärfer als juristische, und die befürchtete Ächtung der Gesellschaft ist eine stärkere Abschreckung als ein Bussgeld .....

In Deutschland sind die Gesetze sehr liberal, mit Stringtanga düfte man überall herumlaufen. Und auch vieles andere darf man selbst entscheiden. Doch dauernd sein Handeln selbst bestimmen zu müssen, ist wahnsinnig anstrengend für die armen kleinen grauen Zellen! Deshalb sind wir den Medien auch sehr dankbar, wenn sie uns sagen, was man bei welchem Anlass anziehen soll, welches Auto man fährt, was man beim Vorstellungsgespräch sagen soll, welche Opfer man für die Karriere bringen muss -- und natürlich auch, wen wir wählen sollen....

Freiheit ist anstrengend -- und ihre Einschränkung ist den meisten Menschen eine willkommene Erleichterung ihres Daseins. Und wenn uns die öffentliche Meinung vorgibt, wo wir auf kleinen Fall barfuß sein dürfen -- dann kommt echt Ordnung in unser Leben ;-)))

Ich bin nur leider so asozial veranlagt, dass das bei mir nicht klappt. Da rettet mich nur die "Liberalitas Bavariae" in meiner Umgebung, die ein ideales Biotop für Querköpfe meines Zuschnitts darstellt :-))

Anderswo in Deutschland wäre ich wohl schon verreckt....

Mach's gut und unbeschuht. Lorenz

[image] www.barfusspark.info

"Psychosoziale Schranken" sind gerade keine juristischen

Manfred (Ten), Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ Lorenz

Anderswo in Deutschland wäre ich wohl schon verreckt....
Mach's gut und unbeschuht. Lorenz

Hallo Lorenz,

wir haben hier zwar wirklich eine ganz besondere Spezies von Behörden
(muss irgendwie noch mit der Badischen Revolution zusammenhängen), die u. A. sogar trotz eindeutigen Verbots des Bundesverwaltungsgerichts mit juristischen Winkelzügen doch noch ein Fahrradparkverbot in der Innenstadt kreiert haben,
aber als BARFÜSSER würdest Du Dich in Freiburg und Umgebung wohlfühlen - garantiert !

Grüssle aus dem Dauerregen
Manfred, dem inzwischen Schwimmhäute zwischen und Moos auf den Zehen wachsen :-(

"Psychosoziale Schranken" sind gerade keine juristischen

Manfred (Ten), Stammposter, (vor 6125 Tagen) @ Oliver S.

...und trauen uns nicht ... weil wir die Reaktion unseres >gesellschaftlichen Umfeldes fürchten...

...die dann in den allermeisten Fällen gar nicht erfolgt oder durchaus positiv ist und/oder sehr oft zu netten Gesprächen führt.

Hallo Oliver,

ich hoffe, dass Du einen schönen Urlaub hattest !

Meine Frau ist - wie viele hier wissen - Ärztin, und sie wird immer wieder mal auf ihren "Barfüsser" (der ja durch etliche Medien ging) angesprochen. Aber noch nie kam eine negative Reaktion.

Na ja, mit Deinem Beruf ist das vielleicht nicht vergleichbar, zumal sie ja zusätzlich zur Allgemeinmedizin die Fachrichtung Homöopathie führt. Ihre Patienten sind sicher offener für BF als Deine Klienten...

Liebe Grüsse
Manfred

Meine Gedanken zu "psychosozialen Schranken"

Descalzar, Stammposter, (vor 6124 Tagen) @ AllgäuYeti (Karl Heinz)

Hallo,
das letzte Erlebnis im Hinblick auf psychosoziale Schranken hatte ich, als ich den Meditationskurs unserer örtliche VHS besuchte.
Da alle Teilnehmer ihre Schuhe vor der Tür auszogen, fiel es zuerst nicht weiter auf, daß ich barfuß war.
Erst als der Kurs beendet war und alle ihre Schuhe anzogen und sich zum gehen aufmachte, fragte mich eine ältere Frau, ob ich keine Schuhe dabei habe. Ich verneinte dies und erklärte ihr meinen Standpunkt. Ich erntete von allen Seiten Bewunderung dafür, daß ich mitte Februar konsequent barfuß lief. Ein flüchtig Bekannter fügte noch hinzu: "Er läuft auch barfuß durch die Fußgängerzone", was die Leute in noch mehr erstaunen versetzte. Wahrscheinlich ist die Fußgängerzone so etwas wie die Krönung des Barfußlaufens im Hinblick auf psychosoziale Schranken. Jeder kennt jeden und die "Gefahr" Bekannte zu treffen lauert überall.

Am zweiten Übungstag, fragte mich dann die Lehrerein, ob ich keine Schuhe dabei habe, als ich ihr half, ihr Auto zu beladen. Sie fand es wörtlich "cool", daß ich überall barfuß sei.

In der dritten Wopche fragte dann ein anderer nach Ende des Kurses, ob ich barfuß gekommen sei (er hatte den ersten termin nicht wahrgenommen und war ahnungslos).
Ich brauchte nichts mehr zu sagen. Alle anderen Meditationsschüler erklärten ihm lang und breit meine Barfüßigkeit.
Eine ältere Frau schob dann noch nach:"und wenn er sich wohlfühlt sollte man es respektieren. Jeder soll so leben, wie er mag"
Das fand ich schon wieder süß....

Wie man sieht, dreht es sich meistens beim Barfußlaufen um das Überwinden psychosozialer Schranken.

Gruß und Fuß,

Descalzar

Meine Gedanken zu

Michael aus Zofingen, Stammposter, (vor 6123 Tagen) @ AllgäuYeti (Karl Heinz)

Hallo Karl Heinz,

wie schon andere Teilnehmer beschrieben haben, sind "psychosoziale Schranken" nicht identisch mit juristischen Schranken. Manch einer traut sich nicht barfuß (oder in kurzen Hosen, unrasiert, ungekämmt usw. in die Öffentlichkeit, weil er glaubt, er KÖNNTE dadurch Nachteile erleiden. Etwa aus dem gleichen Grund, wie es einem peinlich sein kann, wenn die Nachbarn mitbekommen, daß man mehr Unkraut im Garten hat, die Gardinen lange nicht mehr gewaschen, den Hof nicht mehr gefegt hat usw. In vielen Fällen dürfte die Angst unbegründet sein, aber nicht in allen.

Sicher ist aber, daß man nie genau eruieren kann, ob erlittene Nachteile auch wirklich auf barfuß zurückzuführen sind oder ob man sich das auch nur einbildet. Kein Mensch kann sich in zwei Teile teilen und die gleichen Tätigkeiten einmal barfuß, ein anderes Mal fett beschuht ausführen und dann die Unterschiede überprüfen. Keine Situation wird es zweimal geben.

Ein selbstständiger Anwalt, dessen Spezialgebiet es ist, gut gekleidete Wirtschaftsbonzen zu verteidigen, könnte sicher Umsatzeinbußen erleiden, auch dann, wenn er zwar in der Kanzlei usw. immer "ordentlich" gekleidet ist, jedoch ansonsten nicht nur im Freibad oder auf dem Barfußpfad barfuß ist, sondern auch im Möbelgeschäft, beim Friseur, auf dem Weihnachtsmarkt usw. barfuß und in sehr legerer Kleidung ist. Bei einem selbständigen Künstler oder einem Judotrainer ist die Gefahr der Umsatzeinbuße durch barfuß in der Öffentlichkeit weniger groß.

Wenn man nur Angestellter ist, dann ist barfuß in der Öffentlichkeit während der Freizeit kaum ein Grund, einen gleich rauszuschmeißen, solange man seine Arbeit macht. Aber Ärger kann es trotzdem geben, wie ich etwa mit "Dr. Simpel". Wenn man sich intern um einen höheren Posten bewirbt, könnte barfuß in der Freizeit dagegen ein Nachteil sein. Wenn es um einen Posten im oberen Management geht, werden die Kandidaten besonders gut durchleuchtet. Das betrifft nicht nur das fachliche Wissen, sondern auch das Verhalten in der Öffentlichkeit. Man muß sich halt so verhalten, wie die es von einem erwarten. "Unpassende" Kleidung kann ein Hinderungsgrund sein, aber auch die "falsche" Freizeitbeschäftigung (Theaterbesuche sind positiv, mit öffentlichen Verkehrsmitteln stundenlang durch die Stadt fahren negativ), der "falsche" (oder überhaupt kein) Ehepartner (intelligent oder sehr schön ist positiv, wenig qualifizierter Beruf, "graue Maus" oder gar gleichgeschlechtlicher Lebenspartner sind negativ) die "falsche" 4radmarke (nicht zu klein, aber auch nicht teurer als der des Herrn Direktors) können sich negativ auswirken.

Grundsätzlich gilt: Wer sich beruflich bewährt hat, der wird nicht schlechter eingestuft, wenn sein Freizeitverhalten mit der Zeit immer barfüßiger wird. Wer aber bereits als Freizeitbarfüßer bekannt ist, bevor er eine Arbeitsstelle hat, dann wird einem die Chance, sich zu bewähren, gar nicht erst gegeben. Wenn etwa ein Arbeitgeber bei der Polizei Informationen über Stellenbewerber einholt, etwa über Vorstrafen, laufende Verfahren, Teilnahme an früheren Demonstrationen usw. (so etwas ist nicht unüblich, speziell wenn der Arbeitgeber irgendwas mit Rüstung, Kernkraft usw. zu tun hat), und so ganz "nebenbei" sagt ein Polizist: "Nein, er ist weder wegen Straftaten, noch wegen Ordnungswidrigkeiten aufgefallen. Aber schön öfters gingen Meldungen ein, daß er barfuß und in kurzen Hosen gesehen wurde, sogar im Winter!", dann wird manch ein Arbeitgeber das Bewerbungsschreiben zu seiner Entlastung dem Bewerber zurückschicken und ihm "für die Zukunft alles Gute wünschen" (oder dieses zumindest so schreiben).

Wie aber sieht es mit "juristischen" Schranken aus? Gesetze sind meistens sehr schwammig verfaßt. In keinem Gesetz steht explizit, daß barfuß erlaubt oder verboten ist. Auch über das Tragen von kurzen Hosen steht da nichts. Wer barfuß und nur in einer kurzen Hose bekleidet durch die Fußgängerzone geht, begeht keine Ordnungswidrigkeit. Wirklich? Es sollte erwähnt werden, daß man die kurze Hose so tragen soll, daß sie die Geschlechtsteile bedeckt. Wer also das einzige Kleidungsstück in der Hand, als Mütze, Knieschoner oder sonst wie "zweckentfremdet" in der Fußgängerzone benutzt, dem kann die Polizei eine Geldbuße aufbrummen.

"Barfuß bis zum Hals" in der Fußgängerzone wäre "nur" eine Ordnungswidrigkeit, der Straftatbestand "Erregung öffentlichen Ärgernisses" wäre nicht erfüllt. Dieser liegt erst vor, wenn eine sexuelle Handlung vorliegt. Nur ist die Definition einer sexuellen Handlung in den Gesetzbüchern ebenfalls sehr schwammig. Und die kann durchaus auch vorliegen, wenn man anständig gekleidet ist. Manch eine hysterische Frau empfindet es bereits als "sexuelle Belästigung", wenn sich ein Mann im Zug ausgerechnet ihr gegenüber setzt, obwohl es noch andere freie Plätze im Zug hat. Und wenn dieser Mann dann auch noch barfuß läuft und/oder einfache Kleidung trägt, dann wird das als "verstärkend" empfunden. Wenn diese Spießerin dann auch noch Geld für den teuersten Anwalt hat (und der Barfüßer vom Büezerlohn oder Bafög leben muß und nicht im Rechtschutz ist), dann sind schnell irgendwelche "falschen Zeugen" gefunden, die die "sexuelle Belästigung" bestätigen. Wenn dann der Richter zufällig auch noch ein militanter Barfußfeind sein sollte (was längst nicht alle Richter sind, vermutlich höchstens 5 %), dann gute Nacht, Marie!

Auch wenn barfuß nirgendwo im öffentlichen Raum explizit verboten ist, kann man indirekt dafür belangt werden. Selbst in anderen Bereichen, in denen klare Limiten festgelegt sind, kann man belangt werden, wenn man diese Limiten nicht überschreitet. Normalerweise darf man innerorts maximal 50 km/h fahren, solange keine anderes Verkehrsschild eine andere Höchstgeschwindigkeit vorschreibt. Wer aber im dichten Nebel und bei Glatteis voll seine 50 km/h fährt, kann dafür belangt werden, auch wenn kein Schaden entsteht. Auch existiert die Sache mit den 0,5 Promille Blutalkohol. Aber auch wer nur 0,4 Promille Alkohol hat und durch übervorsichtiges Fahren auffällt, kann belangt werden. Wenn man also schon belangt werden kann, wenn man juristisch genau definierte Schranken nicht überschreitet, dann überrascht es nicht, wenn man belangt wird in Bereichen, in denen es keine genau definierten juristischen Schranken gibt.

Wegen barfuß bzw. kurzen Hosen bekam ich bisher nur Ärger mit der Exekutive, nämlich der Polizei. Fast alle Polizisten wußten, das ich nichts verbotenes tat. Aber manch einer suchte daraufhin gezielt nach Dingen, die verboten sein könnten (z.B. Drogen, Alkohol, angeblich geklaute Dinge). Diese Beamten ließen sich in ihrem Handeln von eigenen psychosozialen Schranken beeinflussen, nach dem Motto "Barfuß, so was TUT MAN NICHT. Also wird das Barfußlaufen eine symbolische Handlung für etwas verbotenes sein." Das schlimme ist: Als einfacher Bürger ist man gegen derart üble Machenschaften völlig machtlos. Die Polizisten sind (zumindest in der Schweiz) eine "verdächtige" Person zwecks Personenkontrolle anzuhalten und, "soweit nötig" sogar auf die Wache mitzunehmen. Nur ist nirgendwo definiert, was "verdächtig" ist. Wenn ich etwa 3 Stunden von der Polizei aufgehalten wurde, nur weil ich im Winter barfuß und in kurzen Hosen unterwegs war, dann kann ich von der Polizei nicht einmal Schadenersatz verlangen, wenn mir dadurch Unkosten entstehen (z.B. Übernachtungskosten, weil man nicht mehr mit dem Zug nach Hause kommt). Aber das kann ein gut gekleideter Mann auch nicht, der von der Polizei aufgehalten wurde, weil er eine gewisse Ähnlichkeit mit einer gesuchten Person hat). Erst wenn man BEWEISEN kann, daß die Polizisten einzig und allein einen kontrolliert haben, weil sie einen unsympathisch fanden, hat man eine Chance. Aber wer kann das schon.

Mit der "Diktatur der schwarzen Roben" kam ich zum Glück noch nicht in Konflikt, und ich lege eigentlich auch gar keinen Wert darauf. Und wenn auch die Richter machtlos sind, eine "unerwünschte Person" aus dem Verkehr zu ziehen, dann holt man sich "Gutachten" von einem Psychiater. Selbst in einem demokratischen Rechtstaat ist es möglich, daß aufgrund der Expertise eines Psychiaters ein Mensch, der gegen keinerlei Gesetze verstoßen hat, keine Ordnungswidrigkeit begangen hat und wirklich niemandem einen Schaden zugefügt hat, sondern lediglich im Verhalten von der anonymen Masse abweicht, ein für alle Mal hinter dicke Mauern gesperrt werden. Mir ist allerdings kein Fall bekannt, daß Leute, die einer geregelten Arbeit nachgehen, wegen Barfußlaufen oder Tragen von "nicht allzu winterlicher Kleidung" in der Freizeit für "unzurechnungsfähig" erklärt wurden und dann in lebenslange Verwahrung genommen wurden. Ich glaube auch, daß es nicht einmal in der Schweiz passiert, so daß ich in Sachen barfuß in der Freizeit mich nicht von der Meinung der Spießer beeinflussen lasse.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Danke, Michael, für Deine sehr ausführliche Replik

AllgäuYeti (Karl Heinz) ⌂ @, Stammposter, (vor 6123 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

ich will mich jetzt erst einmal ganz herzlich bei Dir für Deine sehr ausführliche Replik auf meinen kurzen Beitrag bedanken. Ich weiss nicht, ob ich in diesen Tagen noch die Musse finde, auf einige Deiner Punkte genauer ein zu gehen. Im Grossen und Ganzen Teile ich Deine Auffassungen.

Du gehörst hier zu den ganz besonders aussergewöhnlichen und interessanten Leuten in diesem Forum. Und Du hast manche Ähnlichkeit mit mir (abgesehen von meiner fehlenden akademischen Ausbildung und abgesehen davon, dass ich kein hochqualifizierter Leitender Angestellter bin). Auch was Deine sportliche Kondition angeht, so glaube ich, dass sie auf dem Velo/Fahrrad sehr wahrscheinlich der meinen deutlich überlegen ist - auch wenn Du (im Gegensatz zu mir?) Dich nicht ständig mit Deinen sportlichen Leistungen brüstest. Soweit her ist es da ja mit meinen "Leistungen" wirklich nicht.

Wie oben schom angedeutet, habe ich jetzt leider nicht so viel Zeit, konkret auf einige Deiner erwähnten Punkte ein zu gehen - schauen wir mal ob ich noch dazu kommen werden.

Sportliche und herzliche Grüsse vom Oberallgäuer Alpenrand ins Nord-West-Schweizer Mittelland,

Karl Heinz Haidlas, Immenstadt.

[image] http://www.allgaeuyeti.de/

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