Erlebnisse in Görlitz und Luban (Polen) (Hobby? Barfuß! 2)
Gestern Mittag war es in Görlitz noch recht kühl, aber wenigstens kein Wind und kein Regen. So ging ich in meiner Mittagspause mit Jacke, aber barfuß zu den Marktständen auf der Elisabethstraße. Dort steht ein Vietnamesen-Imbiss, der auch Döner anbietet. Bei diesem Imbiss esse ich gern, weil sein Döner nicht so schwer im Magen liegt. Ich vermute, es liegt daran, dass kein Gammelfleisch drin ist.
Wie üblich störte es niemanden, dass ich barfuß war, und kaum jemand schien es zu bemerken. Erst als ich meinen Lieblings-Vietnamesen-Döner-Imbiss fast erreicht hatte, hörte ich ein Mädchen laut "barfuß!" sagen. Ich war an ihr schon vorbeigelaufen, da hörte ich sie noch zu ihrer Freundin sagen: "Soll ich ihn mal fragen, warum er barfuß ist?" Sie lief dann tatsächlich zu mir und fragte mich. "Ock so", sagte ich. Mit dieser inhaltsleeren Antwort gab sie sich zufrieden, lief zu ihrer Freundin und berichtete ihr, dass ich eben einfach nur so barfuß bin.
Manche Plätze und Wege sind in Görlitz mit Kies und Feinsplitt bedeckt; das ist normalerweise barfuß kein Vergnügen. Aber der Regen vom Vormittag hatte diese Stellen schön aufgeweicht und ein bisschen matschig gemacht, darum war es an diesem Tag sehr angenehm, darüber zu gehen, und es war auch wirklich gar nicht zu kalt.
Als ich am Nachmittag mit der Arbeit fertig war, fand ich es noch zu früh, um gleich nach Hause zu fahren, darum machte ich spontan einen Ausflug nach Polen. Ich fuhr in Richtung Jelenia Góra (Hirschberg), weil ich erfahren hatte, dass es dort hübsch ist, aber als ich die Türme von Luban sah, beschloss ich, nicht weiterzufahren, sondern mir diese Stadt einmal anzusehen.
Ehemals war Lauban (heute Luban) eine reiche, deutsche, Oberlausitzer Handelsstadt, und ich wollte mal sehen, was in der Zwischenzeit daraus geworden war. Ich fand ich die Stadt größer als erwartet; rings ums Zentrum viele moderne Supermärkte, die Straßenschilder alle zweifarbig in den Farben des Stadtwappens - rot und schwarz. Wie viele polnische Städte fand ich Luban hässlich, aber sehr lebendig. Im Zentrum herrschte geschäftiges Treiben; viele Leute waren eilig unterwegs, so dass ich mich genötigt fühlte, auch meinen Schritt zu beschleunigen.
Reich scheint die Stadt nicht mehr zu sein - die meisten Altbauten sehen heruntergekommen aus, und die meisten Neubauten auch. Nur wenige Gebäude sind saniert. Dennoch, eine Handelsstadt ist es noch immer: Lauter kleine Geschäfte überall, nicht nur im Zentrum, sondern auch in etwas abgelegenen Seitenstraßen. Mir fiel besonders eine Devotionalienhandlung auf. Dort gibt es Heiligenfiguren, Kerzen, Kärtchen mit Gebeten - alles was ein Katholik zum fromm sein gebrauchen kann.
Rund ums Stadtzentrum ist eine Besichtigungsroute markiert. Sie ist sehr kurz, denn die wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt stehen eng beieinander. Große Blechtafeln geben in Polnisch, Englisch und Deutsch Auskunft über die Gebäude und sind nicht zu verfehlen. Nun ja, Luban ist kein bedeutender Touristenmagnet; seine Sehenswürdigkeiten sind nicht sonderlich spektakulär. Da gibt es ein paar alte Türme, eine Kirche, ein Stück Stadtmauer, einige bemerkenswerte Häuser und ein paar kleine, schmucklose Parks.
Das Besondere, was mich an dieser Stadt reizt, sind nicht ihre Sehenswürdigkeiten, sondern ihre fremdartige Atmosphäre. Wann immer ich in Polen bin, fühle ich mich wirklich wie in einem fremden Land. Und das finde ich gar nicht schlimm, sondern aufregend. Es ist so vieles anders hier: Ich sehe mehr Geschäftstüchtigkeit und mehr Servicekultur. In einem deutschen Städtchen ähnlicher Größe gäbe es zwar schickere, aber weniger zahlreiche Geschäfte, und auch die vielen selbst gepinselten Werbetafeln für alle möglichen Dienstleistungen sähe man bei uns nicht.
Sogar auf dem Land, in winzig kleinen Dörfern gibt es in Polen in aller Regel mindestens einen Lebensmittelladen und etliche Handwerksbetriebe. Oft sind auch Bäcker, Kneipen und Geldinstitute vor Ort. Naja, klar, die vielen Polen müssen ja alle irgendwas arbeiten, wollen alle von irgendwas leben. So gesehen ist es eigentlich komisch, dass es derlei Geschäftstätigkeiten in deutschen Dörfern kaum gibt. Wovon leben unsere Dorfbewohner eigentlich?
Ganz zum Schluss meines Besichtigungsspaziergangs hörte ich einen Jungen zu seiner Mutter sagen: "Bez bóte!" (oder so ähnlich), d.h. "ohne Schuhe!" In einem fremden Land barfuß zu gehen ist ein bisschen heikler als daheim, weil man nicht genau weiß, wie die Einheimischen das auffassen, und weil man in der fremden Sprache nicht gut antworten kann, falls man gefragt wird. Vorsorglich hatte ich mir zwei beinahe polnische Sätze zurechtgelegt für den Fall, dass mich jemand fragt, warum ich barfuß gehe, aber mich hat niemand gefragt, und außer dem einen Jungen schien es auch kaum jemand zu bemerken. Also, zumindest in dieser Hinsicht ist es in Polen doch fast wie daheim und gar nicht so fremd.
Auf dem Heimweg fiel mir noch die Ortschaft Sulików auf, weil sie - nach bescheidenen polnischen Maßstäben - recht hübsch aussieht: Da ist ein viereckiger Marktplatz mit gut erhaltenen Umgebindehäusern, eine Kirche und eine hübsche, rote Kapelle.