Samstag, 5.4.2008: Ich befand mich mit dem Velo auf der Fahrt von Solothurn in Richtung Heimat, selbstverständlich barfuß. Ich war auf der Flucht vor dem Regen, der mich einzuholen drohte (es aber nicht schaffte). Es gab auf dem Weg von Solothurn über Wangen nach Walliswil nur relativ wenig erstaunte Blicke, obwohl ich weit und breit der einzige Barfüßer oder auch nur sockenlose war, soweit ich es erkennen konnte. Wie es bei den Autofahren war, konnte ich natürlich nicht erkennen.

So durchquerte ich auch den Ort Bannwil und erreichte die Stelle, wo sich die meterspurige Bahnlinie Solothurn-Niederbipp-Langenthal näherte. Eigentlich nichts außergewöhnliches, auch nicht, daß mir dort mal ein Regelzug entgegen kommt. Erst jetzt bemerkte ich, daß am Bahnhof Bannwil ein anderer Zug den mir entgegenkommenden Regelzug abwartete. Aber was für einer wartete am Bahnhof! Ein historischer blauer Salonzug, der sicher im Innern einen besonders barfußfreundlich Boden hat! Es war genau dieser Triebwagen (leider ohne Beiwagen) auf Bild 14/15 in diesem Link
http://209.85.135.104/search?q=cache:hNntQKVmd4oJ:www.railevent.ch/en/4.1.asp+salonwagen+langentha/15l&hl=de&ct=clnk&cd=2&gl=ch,
mit dem ich die "lieben" Abmahnanwälte auf die Palme bringe, weil sie mich nun nicht wegen "Bilderdiebstahl" hinter Gitter bringen können. Hä, hä, hä ,hä, hä!

Also hielt ich dann an, um mit dem max. 30 km schnellen Salontriebwagen ein Wettrennen zu veranstalten, quasi ein Rennen zwischen barfuß und off-topic.

Ein nicht vorhandener Pfiff des nicht vorhandenen, aber im Gedanken doch wohl fett beschuhten und bemützten Stationsvorstehers von Bannwil, und los geht’s. Gleichzeitiger Start von barfuß und off-topic. Die Elektromotoren heulten auf, und die nicht-barfußfreundlichen Pedalen meines Velos bissen sich fest in meine nackten Fußsohlen. Barfuß und off-topic fuhren nebeneinander her. Die Leute im Triebwagen, überwiegend ältere Männer, hatten mich mittlerweile mitbekommen, ob wegen barfuß oder meiner auch sonst nicht allzu winterlichen Aufmachung oder einfach wegen meines Verhaltens, sei mal dahingestellt. Ob sie das "Nein, es ist nicht zu kalt"-Schild auf meinem Gepäckträger lesen konnten? Jedenfalls gab es einige Passagier, die ihre Fotoapparate zückten und auch einige, die sich verhielten, wie wenn sie einen Läufer, Radfahrer oder sonst was an einer Sportveranstaltung anfeuern (hören konnte ich ja nichts). Was für eine Gesellschaft mochte das wohl sein? Wie Wanderer sahen sie nicht aus, aber auch nicht wie die Vorstandsvorsitzenden einer Großbank zu auf einem Ausflug. Letzteres würden wohl kaum einem barfüßigen Radfahrer neben dem Sonderzug zuschauen, zumindest nicht, wenn sie in der Gruppe sind. Weiterhin war die Kleidung der Leute im Triebwagen zwar weder ärmlich, noch bedeckungsarm (über das Vorhandensein von Schuhen kann ich keine Aussage machen aber ich gehe davon aus, daß deren Füße ohne Ausnahme dicker verpackt waren als die meinigen) , jedoch fiel mir keiner mit Krawatte auf, machen das Bankmanager? Und vor allem: Unsere obersten Bankfritzen halten sich für derart unterbezahlt, daß sie nicht auch noch das Wochenende für Dinge opfern wollen, die auch nur ein klein wenig mit Geschäft zu tun haben.

Im wirklichen Leben kann es ja vorkommen, daß man als Barfüßer benachteiligt ist, so auch jetzt: Off-topic hat Vorfahrt, barfuß mußte an der Schranke warten! Dann aber war barfuß im Vorteil: Nach dem Bahnübergang ging es bergab in Richtung Aarebrücke in Aarwangen, den Zeitverlust an der Schranke konnte ich spielend aufholen, barfuß überholt off-topic! Hinter der Brücke ging es wieder auf in Richtung Ortskern von Aarwangen. Off-topic holt auf. Es hätte auch nichts genützt, denn wieder einmal gab ein Bahnübergang off-topic den Vorrang.

Nun waren Straße und Bahn getrennt bis zum Bahnhof Aarwangen. Gleichzeitig kamen barfuß und off-topic dort an, und weiter ging es. Das nächste Stück war besonders interessant, denn hier war das Gleis in die Mitte der Straße verlegt wie bei einer Straßenbahn. Der Platz zwischen Fahrbahnrand und Gleis war so, daß Autos vorbei kommen, aber für Autos und Fahrräder war gleichzeitig kein Platz. Mit anderen Worten: Wenn barfuß und off-topic nebeneinander fahren, muß sich der 4rad-Verkehr in der Geschwindigkeit anpassen. Ob ich bahn- und barfußfeindliche 4radahrer hinter mir hatte, für die das Durchfahren einer Ortschaft mit 100 km/h ein Kavaliersdelikt ist? Ich glaube nicht, denn niemand hupte hinter mir. Die "Knorrlis" im Zug schienen sich auch köstlich zu amüsieren. Und ein Auto vor mir hinderte mischt sogar daran, den Zug langsam zu überholen. Dann verlief das Gleis links neben der Straße, aber auch hier überholte mich wirklich niemand!

Es als zwischen Straße und Bahn ein Waldstück lag, überholte mich ein Auto nach dem anderen. Und fast jeder Beifahrer starrte auf meine Füße beim Überholen. Während barfuß einen Verkehrskreisel vor Langenthal durchfuhr, überquerte off-topic einen Bahnübergang ca. 200 Meter weiter links. Noch einmal kreuzten sich unsere Wege, diesmal auf verschiedenen Ebenen. Während barfuß die Bahnlinie unterquerte, war off-topic noch ca. 200 Meter vor der Brücke. Barfuß hat gesiegt gegenüber off-topic!

Mich interessierte, ob die Fahrgäste des Sonderzuges in Langenthal verließen, also radelte ich zum Bahnhof. Aber das war nicht der Fall. Also wollte sie wohl weiter, Richtung St. Urban (Ziegelei), wo der reguläre Zugbetrieb endet, oder gar nach Melchnau, wohin nur Güterzüge und gelegentliche Sonderzüge verkehrten. Da aber diese Bahnlinie nur über kurze Strecken neben Wegen längsführt, fuhr ich weiter, in Richtung Zofingen. Erst jetzt wurde mir bewußt, daß ich wegen des Triebwagens von meinem ursprünglichen Weg abgekommen war. Barfuß ließ sich quasi von off-topic beeinflussen. Schlimm? Nein! Es gibt ja auch interessante Off-topic-Dinge, auch wenn sie in diesem Forum nicht sonderlich erwünscht sind.

Die Fahrgäste waren offensichtlich Teilnehmer der Generalversammlung der Laufsportvereinigung auf dem Weg von Niederbipp nach Melchnau, wie ich später ergoogelte:

http://www.laufsportvereinigung.ch/events/events_assets/gv2008.pdf

Ob einer von denen mal barfuß an einer Laufveranstaltung teilgenommen hat, so wie Karl Heinz, Johannes oder Aquajeans, um nur einige aus diesem Forum zu nennen? Oder wie Franz Studhalter aus Oberwil/Baselland oder die "barfüßigen Zwillinge" aus Uffikon? Wer weiß! Und wenn man weiß, daß die Fahrgäste aktive oder ehemalige Laufsportler waren, dann überrascht mich ihr Verhalten im Zug, das ich als positiv (gegenüber barfuß?) empfand, überhaupt nicht. Vielleicht war einer der Fahrgäste auch so alt, daß er noch zu einer Zeit schulpflichtig war, als es nichts außergewöhnliches war, im Sommer barfuß zur Schule zu kommen, und beim Sportunterricht nur Weicheier Turnschuhe trugen.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen