Sensationlust / Empathie (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd (Frankfurt), Stammposter, Tuesday, 08.04.2008, 17:46 (vor 6037 Tagen)

Hallo allerseits,

ich hatte mich ja schon gestern kurz zum Thema "Schadenfreude der Nicht-Barfüßer" und zu "Scherben" geäußert und dargestellt, dass aus meiner Sicht schadenfrohe, beschuhte, sensationsgeile Gaffer-Typen nahezu darauf warten, dass ein barfuß laufender Mensch sich weh tut, in eine Scherbe tritt, vom wilden Affen in den kleinen Zeh gebissen wird oder was weiß ich.
Gestern und heute kreisten meine Gedanken des öfteren immer wieder um besagte Schadenfreude und obwohl mich die Meinung oder Geisteshaltung anderer überwiegend nicht tangiert, bin ich - rückblickend - reichlich entsetzt über die Haltung meiner Mitmenschen und deren Empathie-Potential.
Wenn einige Situationen, die ich im Folgenden schildere, barfußferne Themen sein mögen... man möge mir verzeihen. Hier einige meiner Erlebnisse, aus der Rückschau berichtet, kurz und bündig:

- In Frankfurt wurde letzten Sommer eine mit Einkaufstaschen beladene ältere Frau bei grüner Ampel von einem Mopedfahrer angefahren. Sie fiel hin. Eine Frau rief mit ihrem Handy den Krankenwagen, eine andere Frau zückte ihr Handy, um grinsend Bilder der verletzten zu schießen.

- Vor der Douglas-Filiale in Frankfurt saß ein Mann mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck auf den Stufen, mit nacktem rechtem Fuß. Er war umgeknickt und konnte nicht weiter, der Fuß war rot und dick. Er sagte, er hätte minutenlang auf (meine) Hilfe gewartet. Warten müssen. Und das in der Frankfurter Innenstadt, in der Fußgängerzone.

- 2005: Im Sommer fuhren 4, 5 rotzfreche Teens vor mir auf ihren Motorrollern her. Ich barfuß, sie in fetten Sneaks. Alter: Zwischen 15 und 18, vermutlich. Sie warfen Flaschen vor meine nackten Füße, die Flaschen zersprangen in tausend Scherben. Die Flaschen, vier an der Zahl, zerplatzten mit einem lauten Knall, keine fünf Zentimeter VOR meinen baren Füßen.
Mir ist nichts passiert, auch die Scherben waren sehr klein und harmlos, gottlob.
Um mich herum: Zahlreiche Rentner, die ihre Hunde Gassi führten. Hätte wohl mal einer die Polizei informiert? Fehlanzeige. Getuschel und Kopfschütteln.

- Stadtfest in Marburg, 2002, ein verregneter Sommer. Ich in Sandalen und Socken. Sorry. War eben so.
An einer kaputten Bierflasche, in die ich reinlaufe, schneide ich mir den großen Zeh auf, eine Schnittwunde vom Nagel bis zum Fuß hin. Ich blute wie Harry. Nicht zu übersehen, da ich weiße Strümpfe trage.
Die anderen Leute? Glotzen blöd, schauen angewidert auf meinen kaputten Fuß.

So, dies waren ein paar Rückblicke.
Die will ich jetzt mal so stehen lassen. Über euer Feedback würde ich mich freuen.

Dennoch unverzagte Grüße
Bernd

Sensationlust / Empathie

Booker ⌂, Stammposter, Wednesday, 09.04.2008, 19:00 (vor 6035 Tagen) @ Bernd (Frankfurt)

Hallo Bernd,

man kann das, was Du erfahren hast sicherlich nicht verallgemeinern.

Die angeborene Neugier von Menschen ist sicherlich wichtig und nötig. Nur wenn aus "Neu"gier "Sensations"gier wird, muß man erkennen, dass etwas falsch läuft. Leider ist es aber all zu oft die Realität... Beispiel AUTOBAHN. Wie oft schon sind bei schweren Unfällen auf der Gegenfahrbahn weitere Unfälle passiert, nur weil irgendwelche Spinner auf der linken Spur, direkt an der Mittelleitplanke anhalten müssen, um Fotos von dem Unfall auf der anderenn Seite zu machen.

Es liegt m. E. nach nicht nur am "Barfußlaufen" und den damit verbundenen Risiken sich zu verletzen, dass Menschen so extrem, fast gehäßig reagieren. Es ist vielmehr ein grundsätzliches Problem mit der Sensationsgier...die durch Medien ständig angeheizt wird.

Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht wie Du. Wenn man barfuß unterwegs ist und sich wirklich verletzen sollte, kann man davon ausgehen, das irgendwann von irgendwem der Spruch kommt "Selbst schuld, warum latscht Du draußen auch barfuß rum" ..... Hab ich selbst schon gehört.

Georg kann sicherlich auch bestätigen, als wir mit einigen anderen Barfußläufern gemeinsam am 03.10.06 in Burscheid unterwegs waren, das der Kameramann des uns begleitenden WDR- Teams fast drauf wartete, dass sich jemand an seinen Füßen verletzt, um die Kamera drauf zu halten.

Wie schon erwähnt...man kann diese Feststellungen sicher nicht verallgemeinern, aber man kann sagen, dass die Gesellschaft auf der schwischenmenschlichen Ebene kühler, ja ich möchte sagen auch gleichgültiger geworden ist. Dazu kommt die Sensationsberichterstattung der Medien und und und.....

Nicht schön, aber kaum zu ändern. Man kann nur versuchen in solchen Situationen den Mitmenschen zu erklären, dass das was sie da tun, mehr als unfair ist. Alles andere macht wenig Sinn.

Gruß

Booker

[image] Barfuß....den Luxus gönn ich mir!

Barfußtraining für die Empathie

Lorenz ⌂, Stammposter, Wednesday, 09.04.2008, 21:43 (vor 6035 Tagen) @ Bernd (Frankfurt)

Hallo Bernd,

was du schreibst, ist traurig aber wahr. Aber immer wieder habe ich erlebt, dass Menschen beim gemeinsamen Barfußgehen Empathie entwickeln. Man achtet aufeinander, macht sich auf Gefahren aufmerksam, erlebt gemeinsam kleine Abenteuer, etwas beim Durchqueren eines Bachs.

Ich habe das z.B. auf den Barfußpfad Bad Orb erlebt, als ein Ehepaar mit seinen Töchtern und eine Oma mit den Enkelinnen aufeinandertrafen. Das Grüppchen ging dann den Weg gemeinsam.

Duch den Bach,

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Bilder von meiner Seite www.barfusspark.info

durch den Schlamm,

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über die Wiesen.

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Und am Schluss legten sich die Kinder als eine lebendige Einheit auf den Weg. Sie taten das ganz spontan, keiner hat sie dazu aufgefordert.

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Wenn da keine Empathie entstanden ist!!!

Barfüßige Grüße von Lorenz

[image] www.barfusspark.info

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