Termin bei "Dr. Simpel" wegen barfuß in der Freizeit (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Wednesday, 05.03.2008, 05:54 (vor 6105 Tagen)

Das Ereignis geschah zwar schon in der 2. Januarhälfte, jedoch möchte ich es nicht vorenthalten. Ich hatte einen Termin bei "Dr. Simpel", unserem "Head Human Resources" (Doktor erfunden, Name geändert). Der Termin war sicher 3 Wochen angekündigt worden, nicht jedoch der genaue Grund. Also dachte ich mir auch nichts böses, sondern ging einfach dorthin, so wie ich normalerweise am Arbeitsplatz gekleidet bin, nämlich fett beschuht. Als ich ankam, kam er gleich mit einer Sache, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte: Wenn man die "ähs" und die "eigentlichs" nicht mitzählt, dürfte etwa das zehnte Wort "barfuß" gelautet haben.

Ihm paßt es gar nicht, daß er andauernd von Leuten aus der Stadt Zofingen und von der Polizei zu hören bekommt, daß ich draußen barfuß bin! Von einem Kadermitarbeiter könne man erwarten, daß er sich auch außerhalb der Arbeitszeit ordentlich benehme. Es würde ein schlechtes Licht auf die Firma werfen, wenn einer sich in der Freizeit daneben benimmt, auch dann, wenn man seine Arbeit ordentlich macht. Immerhin wäre Zofingen nur eine Kleinstadt und die Firma ein wichtiger Bestandteil dieser Stadt. Und er als Personalchef müsse die Firma gegen außen vertreten. Es wäre ihm unangenehm, wenn immer wieder gesagt wird, was das bloß für einer sei, der selbst im Winter barfuß und eher leicht bekleidet durch die Stadt gehe. So etwas wäre für die Firma untragbar.

Das zeigt, daß der 60-jährige "Dr. Simpel" überhaupt kein Rückgrad hat. Besonders gebildet ist er nicht. Er hat kein Abitur, keinen Doktortitel und manch einer hat sich schon gewundert, wieso so ein "Simpel" oder "Stehkragenproletarier" überhaupt in solch eine Position gesetzt wurde. Von den "richtigen" Direktoren wird er nicht ernst genommen, aber auch bei den "einfachen Arbeitern" ist er unbeliebt. Als ich ihm sagte, daß es für die Firma einzig und allein entscheidend sei, daß man mit meiner Arbeit zufrieden ist. Ich fragte direkt: "Haben sich denn Mitarbeiter über mich beschwert, die direkt mit mir zu tun haben?" Er verneinte. Ich sagte: "Dann sollte es doch Ihnen völlig egal sein, was die Spießer in der Stadt über mich sagen. Die geht es nämlich einen feuchten Kehricht an was ich mache, solange ich niemandem damit schade." Als ich den Ausdruck "Spießer" gebrauchte, errötete er. Als ob er sich selber betroffen fühlte! Das Wort "Spießer" war übrigens das einzige im Forum öfters gebrauche "Barfußwort", das ich im Gespräch verwendete. Ausdrücke wie "echte und unechte Barfüßer", "barfuß bis zum Hals", "authentisch barfuß", "fett beschuht", "weiße Sch." gebrauchte ich nicht. Hätte er sicher nicht begriffen.

Er brachte den Vergleich mit einem Mitarbeiter, der am Arbeitsplatz immer gewissenhaft und nüchtern seine Arbeit macht, am Wochenende aber besoffen durch die Stadt zieht. Ich meinte, daß man als Besoffener eine Gefahr im Straßenverkehr sei und außerdem seine Gesundheit ruiniere. Barfuß dagegen sei man keine Gefahr, und gesund wäre es obendrein. Ich erzählte ihm, wie ich durchs Barfußlaufen meine Knie und Rückenprobleme losgeworden bin. Er konnte oder wollte es nicht glauben, dieser Simpel. Lorenz würde sagen, daß dumme Leute es nicht wert sind, daß man sich mit ihnen beschäftigt, aber wenn ein dummer Mensch in so einer Position sitzt, redet man praktisch gegen Wände.

"Dr. Simpel" brachte auch das Beispiel von einer Frau im Bikini. Damit könne man in der Badeanstalt herumlaufen. Aber außerhalb der Badeanstalt dürfe man so etwas nicht. Auch da mußte ich widersprechen. Es gäbe kein Gesetz, das so etwas im öffentlichen Raum verbietet. Im öffentlichen Raum könne man nur mit einer Ordnungswidrigkeit belangt werden, wenn man völlig ohne Kleidung herumlaufe. Soweit aber die Geschlechtsteile bedeckt sind, könne keine Behörde einschreiten. Der Betreiber einer FKK-Anlage müsse das Gelände so absichern, daß es von außen nicht einsehbar ist, der Betreiber einer Textilbadeanstalt müsse das nicht. Ein Passant, der sich am Anblick von Menschen in Badekleidung stört, und den Betreiber der Badeanstalt deswegen verklagt, würde kein Recht bekommen. Und genauso könne man mir in der Freizeit nicht das Barfußlaufen auf öffentlichem Gelände verbieten. Von Gesetzes wegen sei das nicht verboten, und das Hausrecht der Firma greife nicht, wenn ich mich bei ausgeschalteter Stempeluhr außerhalb des Firmenareals aufhalte. Damit schade ich niemandem. "Sie kennen sich da aber sehr gut aus, trotzdem: Sie schaden dem Ruf der Firma. Irgendwann knallt es. Ich will Ihnen doch nur helfen!" sagte er.

Ob "Dr. Simpel" mich aus eigenem Antrieb wegen barfuß angesprochen hat? Oder ob er deswegen von "oben" Druck bekommen hat. Vielleicht hat er lediglich den unangenehmen Auftrag bekommen, mit einigen Mitarbeitern wegen einer "Off-topic-Angelegenheit" (diesmal nichts straßenbahnspezifisches) Kontakt aufzunehmen. Und das Barfußlaufen benutzte er möglicherweise nur als Aufhänger, um mich auch nur einschüchtern in der Hoffnung, ich würde ihm bei der "Off-topic-Angelegenheit" nicht widersprechen.

"Dr. Simpel" selbst wohnt ca. 50 km von der "Spießerstadt" Zofingen entfernt und er gibt zu, daß er froh ist, nicht in Zofingen zu wohnen. So könne er an seinem Wohnort er selber sein, ohne daß man ihn mit der Firma zusammenbringt, während er in Zofingen nur "der Personalchef" ist. Er fragte mich, ob ich nicht auch lieber woanders hinziehen wolle. Würde ich in Zürich, Solothurn oder Luzern barfuß laufen, wäre es ihm egal würde keiner mich mit der Firma zusammenbringen. Da mußte ich ihm widersprechen. Es wäre verlogen, nur um dem Hobby nachgehen zu können, an einen Wohnort zu ziehen, der weit vom Arbeitsort entfernt ist.

Meines Erachtens hat sich da der Personalchef in Dinge eingemischt, die ihn absolut nichts angehen. Ich schade doch nicht dem Ansehen einer Firma, wenn ich in der Freizeit barfuß laufe. Macht sie dadurch einen schlechteren Umsatz? Werden potentielle Kunden abgeschreckt, weil ich mich in der Freizeit "unanständig" verhalte? Die Kunden sind ja schließlich keine in Zofingen wohnhaften Spießer, sondern überwiegend amerikanische Unternehmen. Und es würde mich überhaupt nicht stören, wenn einer der Kunden mich barfuß in der "verbotenen Stadt" sehen würde, im Gegenteil. Manche Kunden wissen auch, daß ich etwa barfuß in den Ferien unterwegs war, und in keinem einzigen Fall wurde dadurch die Zusammenarbeit verschlechtert. Wobei ich sagen muß, daß ich nur mit Kunden zusammenkomme, die eine ähnliche Funktion wie ich haben. Mit Konzernchefs habe ich nichts zu tun. Und auch nicht mit dem "Dr.-Simpel-Analogon" des Kunden.

Vielleicht sähe die Situation etwas anders aus, wenn ich Kellner im besten piekfeinen Gasthof der Stadt wäre und in derselben Stadt in der Freizeit barfuß wäre. Da würde vielleicht man ein potentieller Gast in ein anderes Restaurant gehen, wo die Kellner auch in der Freizeit fett beschuht sind. Oder wenn ich Bankberater in einer Kleinstadtbank wäre, könnte sich auch man ein potentieller Kunde an meiner Freizeitbarfüßigkeit stören und zur Konkurrenzbank gehen. Oder wenn ich Verkaufsleiter in einem Schuhunternehmen wäre, könnte dann Barfußlaufen in der Freizeit geschäftsschädigend sein? Verständnis hätte ich nicht dafür. Genauso wenig wie ich dafür Verständnis hätte, wenn ein Polizist, Zöllner oder sonstiger Uniformträger Ärger mit der vorgesetzten Dienststelle bekommt, nur weil er in der Freizeit (und in Zivil) barfuß ist. Ich könnte es höchstens noch nachvollziehen, wenn die vorgesetzte Dienstelle sich daran stört, wenn ein Uniformträger in der Freizeit eine unvollständige Uniform trägt, etwa Uniformjacke, Uniformhose in Kombination mit barfuß und unbemützt. (Während meiner Bundeswehrzeit erhielt auch einmal ein Rekrut Strafdienst am Wochenende, nur weil er nach Feierabend sich die Füße gewaschen hatte und beim Gang zum Zigarettenautomaten vor dem Gebäude in Badeschlappen ohne Socken, ansonsten Uniform (sogar mit Mütze) erwischt wurde.)

Hat sich etwas an meinem Verhalten geändert seit diesem Zusammenschiß von Dr. Simpel? Trage ich nur auch in der Freizeit fette Schuhe und lange Hosen? Nein! Aber ich habe mein Verhalten etwas geändert. So fahre ich barfuß seltener am Firmenareal vorbei, sondern benutze andere, gar nicht mal weitere Wege. Und wenn ich in der Zofinger Altstadt nichts spezielles will, dann radle ich auch nicht da durch, sondern ich radle drumrum. So ist die Gefahr doch kleiner, daß mich irgendwelche Spießer anschwärzen. Aber zur Fasnacht war ich trotzdem barfuß in der "verbotenen Stadt".

Später habe ich erfahren, daß der feige "Dr. Simpel" versucht hat, meine Chefin dazu anzustacheln, mich wegen barfuß zusammenzustauchen, aber sie hat sich geweigert mit der Begründung, daß es sie nicht im geringsten interessiert, was ich in der Freizeit mache.

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

Dank an Euch Akademiker für bewusst vorgelebte Freizügigkeit!

AllgäuYeti (Karl Heinz) ⌂ @, Stammposter, Wednesday, 05.03.2008, 10:46 (vor 6105 Tagen) @ Michael aus Zofingen

>Hat sich etwas an meinem Verhalten geändert seit diesem Zusammenschiß von Dr. Simpel? Trage ich nur auch in der Freizeit fette Schuhe und lange Hosen? Nein! Aber ich habe mein Verhalten etwas geändert. So fahre ich barfuß seltener am Firmenareal vorbei, sondern benutze andere, gar nicht mal weitere Wege. Und wenn ich in der Zofinger Altstadt nichts spezielles will, dann radle ich auch nicht da durch, sondern ich radle drumrum. So ist die Gefahr doch kleiner, daß mich irgendwelche Spießer anschwärzen. Aber zur Fasnacht war ich trotzdem barfuß in der "verbotenen Stadt".
[quote]Später habe ich erfahren, daß der feige "Dr. Simpel" versucht hat, meine Chefin dazu anzustacheln, mich wegen barfuß zusammenzustauchen, aber sie hat sich geweigert mit der Begründung, daß es sie nicht im geringsten interessiert, was ich in der Freizeit mache.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen
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Hallo Michael (Zofingen), hallo Walter (CH), hallo Lorenz, hallo Leute,

ich selber bin kein Akademiker, sondern nur angelernter Industriearbeiter (erfreulich gut bezahlt in einem erfreulich gesunden Industriebetrieb). Ich machte 1983 zwar das allgemeine Abitur mit der mittelmässigen Note 2,7 hatte aber keine Nerven und keinen Ehrgeiz zu studieren (Angst vor Prüfungsstress, keine Lust zwecks Studium oder Beruf räumlich weit weg zu ziehen).

Jedenfalls wenn ich öffentlich barfuss und in kurzer Hose sogar im Winter manchmal rumjogge, ja sogar im Januar und Februar manchmal "oben ohne", dann ist das nicht unbedingt hilfreich für die gesellschaftliche Akzeptanz von so viel Freizügigkeit. Schliesslich arbeite ich auf gesellschaftlich niedrig angesehenem "Proletarier-Niveau" und so kann man mich leicht als geistig minderbemittelt oder eingeschränkt zurechnungsfähig einstufen.

Hier im Forum lese ich aber immer wieder von mindestens 3 hochgebildeten, studierten Akademikern, die ähnlich "halbnackt" durch den Winter laufen wie ich, nämlich Walter CH (Gymnasiallehrer), Michael Zofingen (Dr. rer. nat) und Lorenz (ebenfalls Dr. rer. nat.) - bei Euerem Auftreten kann da ja niemand mehr ernsthaft unterstellen, dass Euere Naturverbundenheit etwas mit "Geistesschwäche" oder Rückfall in die Neandertaler-Kultur zu tun hätte!

Kleiner Einschub: Ich will hier im Forum niemanden kleinreden, ich weiss schon dass da noch mehr Akademiker dabei sind, zum Beispiel Markus U (Jurist) oder Jay (Ingenieur). Doch Markus und Jay sind wenigstens nur "barfuss bis zum Knöchel" und nicht wie die oben genannten "barfuss bis zum Oberschenkel oder noch weiter hoch".

Jedenfalls möchte ich mich bei Euch, Michael Z, Walter CH un Lorenz echt bedanken, dass Ihr so freizügig seid und so viel Zivilcourage habt. Ihr habt echt Rückgrat, mein allergrösstes Lob an Euch. Konkret will ich Dir, Michael Z, zu Deiner Standhaftigkeit gegenüber "Dr. Simpel" gratulieren.

Auch in anderen Bereichen gesellschaftlicher Zwänge gibt es erfreulicher Weise immer wieder sehr positiv hochangesehene Persönlichkeiten, die ein gewisses Mass an Freiheit gegenüber solchen Zwängen und Dresscode-Zwängen vorgelebt haben.

Beispielsweise der erste Präsident des demokratischen Südafrika und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela ist nicht wie es einem Staatsoberhaupt geziemt mit grauem Anzug und weissem Hemd aufgetreten, sondern mit bunten Hosen und bunten Hemden.

Der erste politische Regierungschef des neuen Indien war zwar Nehru, der Vater von Indira Gandhi. Der geistige Gründer des modernen Indien war aber Mahatma Gandhi, und auch dieser war nicht in grauem Anzug, weissem Hemd und Kravatte unterwegs, sondern sah eher so ähnlich aus wie Walter CH auf seinen Berggipfeln.

Und der Entdecker der Relativitätstheorie und Physik-Nobelpreisträger Albert Einstein war auch dafür bekannt, eine ungepflegte Frisur und schlampige Anzüge zu tragen. (Nicht zu vergessen auch sein freches "Zunge-Herausstrecken".) Trotzdem wollte der 1948 gegründete Staat Israel diesen Albert Einstein gerne als ersten Staatspräsidenten gewinnen.

Da habe ich jetzt etwas off-topisch weit ausgeholt. Ich will damit sagen, wie wichtig es für unseren Planeten und für die Menschheit ist, wenn man individuell und authentisch ist und Zivilcouage hat.

Naturverbundene, freizügige und philosophische Grüsse,

Euer Karl Heinz.

[image] http://www.allgaeuyeti.de/

Termin bei "Dr. Simpel" wegen barfuß in der Freizeit

Walter (CH) @, Stammposter, Wednesday, 05.03.2008, 15:41 (vor 6105 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Da ich mich gelegentlich (verwandtschaftliche Beziehungen) in Michaels Jagdgründen aufhalte (meist barfuss, aber (im Winter) mit langen Hosen), höre ich via Buschtelefon auch von seinen barfüssigen Eskapaden. Ja, er sei schon ein komischer Typ, er habe am Rücken sogar ein Schild getragen mit dem Text: "Mir ist nicht kalt", aber im Beruf sei er saugut (was ein Ausdruck der Bewunderung ist). Im Interesse von Siegfried, Zofingen, hoffe ich, dass diese Firma lieber einen (in der Freizeit) barfüssigen, kurzbehosten, aber (im Beruf) sauguten Chemiker hat, als eine Niete im feinen Anzug! (was wiederum auch nicht bedeutet, dass Leute im feinen Anzug lauter Nieten sind!)

@ Walter: Habe unten auch Dich lobend erwähnt

AllgäuYeti (Karl Heinz) ⌂ @, Stammposter, Wednesday, 05.03.2008, 16:09 (vor 6105 Tagen) @ Walter (CH)

>Da ich mich gelegentlich (verwandtschaftliche Beziehungen) in Michaels Jagdgründen aufhalte (meist barfuss, aber (im Winter) mit langen Hosen), höre ich via Buschtelefon auch von seinen barfüssigen Eskapaden. Ja, er sei schon ein komischer Typ, er habe am Rücken sogar ein Schild getragen mit dem Text: "Mir ist nicht kalt", aber im Beruf sei er saugut (was ein Ausdruck der Bewunderung ist). Im Interesse von Siegfried, Zofingen, hoffe ich, dass diese Firma lieber einen (in der Freizeit) barfüssigen, kurzbehosten, aber (im Beruf) sauguten Chemiker hat, als eine Niete im feinen Anzug! (was wiederum auch nicht bedeutet, dass Leute im feinen Anzug lauter Nieten sind!)

Hallo Walter,

ich weiss nicht ob Du meine eigene Replik auf Michael unten gelesen hast (ist ja ein längerer Text). Falls nicht, kann ich Dir hier sagen, dass ich in 2 Textabschnitten auch Dich dort als lobenswertes Beispiel erwähnt habe.

Einmal hier: "Hier im Forum lese ich aber immer wieder von mindestens 3 hochgebildeten, studierten Akademikern, die ähnlich "halbnackt" durch den Winter laufen wie ich, nämlich Walter CH (Gymnasiallehrer), Michael Zofingen (Dr. rer. nat) und Lorenz (ebenfalls Dr. rer. nat.) - bei Euerem Auftreten kann da ja niemand mehr ernsthaft unterstellen, dass Euere Naturverbundenheit etwas mit "Geistesschwäche" oder Rückfall in die Neandertaler-Kultur zu tun hätte!"

Und dann noch weiter unten: "Der geistige Gründer des modernen Indien war aber Mahatma Gandhi, und auch dieser war nicht in grauem Anzug, weissem Hemd und Kravatte unterwegs, sondern sah eher so ähnlich aus wie Walter CH auf seinen Berggipfeln."

Naturverbundene Grüsse aus dem Allgäu,

Karl Heinz.

[image] http://www.allgaeuyeti.de/

Euer Personalchef

Bernd (Frankfurt), Stammposter, Wednesday, 05.03.2008, 16:32 (vor 6105 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael,

interessanter Beitrag, wirklich!
Ich denke, der eine oder andere Barfüßer musste ebenfalls ein vergleichbares Gespräch am Arbeitsplatz übers Barfußlaufen in der Freizeit über sich ergehen lassen. Ich gehöre zu dieser Gruppe Barfußbegeisterter, deren Arbeitgeber kein Verständnis für nackte Füße in der Stadt hat, Freizeit hin oder her.

Richtig ist, dass dein Chef - oder auch Personalchef - sich eigentlich einen Dreck drum scheren sollte, ob du in deiner wohlverdienten Freizeit Schuhe trägst oder barfuß oder mit grünen Strümpfen in der Stadt herumläufst.
Die Realität gestaltet sich allerdings geringfügig anders - leider!
Es spielt sehr wohl eine Rolle, was du in der Freizeit tust oder nicht tust, denn du als Person wirst mit deinem Betrieb in Verbindung gebracht. Viele Betriebe haben am liebsten angepasste Mitarbeiter, die sich nicht nur am Arbeitsplatz, sonderna auch in ihrer Freizeit möglichst konform verhalten. Der ungeschriebene Sozialkodex - so blöd er auch sein mag - ist hierbei Kriterium. Mit anderen Worten: verheiratete Männer dürfen sich auf dem Stadtfest hemmungslos besaufen und auf der Weihnachtsfeier im Klo die Sekretärin besteigen, jedoch nicht barfuß zur Postfiliale laufen.
Es ist deine Entscheidung, ob du bei diesem Spiel mitspielst. Aus deinen Zeilen geht hervor, dass du dich diesen fragwürdigen Regeln nicht anpasst.
Wenn diesen Simpel doch sowieso niemand ernst nimmt, denke ich, wird es bei diesem Gespräch bleiben.

Bezweifeln möchte ich allerdings, dass Dr. Simpels nicht vorhandene akademische Ausbildung ausschlaggebend für seine Haltung und sein Verhalten ist. Dazu umgeben mich viel zu viele andere Doktoren, deren Intellekt einfach nur peinlich ist.

Ciao
Bernd

Das Ereignis geschah zwar schon in der 2. Januarhälfte, jedoch möchte ich es nicht vorenthalten. Ich hatte einen Termin bei "Dr. Simpel", unserem "Head Human Resources" (Doktor erfunden, Name geändert). Der Termin war sicher 3 Wochen angekündigt worden, nicht jedoch der genaue Grund. Also dachte ich mir auch nichts böses, sondern ging einfach dorthin, so wie ich normalerweise am Arbeitsplatz gekleidet bin, nämlich fett beschuht. Als ich ankam, kam er gleich mit einer Sache, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte: Wenn man die "ähs" und die "eigentlichs" nicht mitzählt, dürfte etwa das zehnte Wort "barfuß" gelautet haben.
Ihm paßt es gar nicht, daß er andauernd von Leuten aus der Stadt Zofingen und von der Polizei zu hören bekommt, daß ich draußen barfuß bin! Von einem Kadermitarbeiter könne man erwarten, daß er sich auch außerhalb der Arbeitszeit ordentlich benehme. Es würde ein schlechtes Licht auf die Firma werfen, wenn einer sich in der Freizeit daneben benimmt, auch dann, wenn man seine Arbeit ordentlich macht. Immerhin wäre Zofingen nur eine Kleinstadt und die Firma ein wichtiger Bestandteil dieser Stadt. Und er als Personalchef müsse die Firma gegen außen vertreten. Es wäre ihm unangenehm, wenn immer wieder gesagt wird, was das bloß für einer sei, der selbst im Winter barfuß und eher leicht bekleidet durch die Stadt gehe. So etwas wäre für die Firma untragbar.
Das zeigt, daß der 60-jährige "Dr. Simpel" überhaupt kein Rückgrad hat. Besonders gebildet ist er nicht. Er hat kein Abitur, keinen Doktortitel und manch einer hat sich schon gewundert, wieso so ein "Simpel" oder "Stehkragenproletarier" überhaupt in solch eine Position gesetzt wurde. Von den "richtigen" Direktoren wird er nicht ernst genommen, aber auch bei den "einfachen Arbeitern" ist er unbeliebt. Als ich ihm sagte, daß es für die Firma einzig und allein entscheidend sei, daß man mit meiner Arbeit zufrieden ist. Ich fragte direkt: "Haben sich denn Mitarbeiter über mich beschwert, die direkt mit mir zu tun haben?" Er verneinte. Ich sagte: "Dann sollte es doch Ihnen völlig egal sein, was die Spießer in der Stadt über mich sagen. Die geht es nämlich einen feuchten Kehricht an was ich mache, solange ich niemandem damit schade." Als ich den Ausdruck "Spießer" gebrauchte, errötete er. Als ob er sich selber betroffen fühlte! Das Wort "Spießer" war übrigens das einzige im Forum öfters gebrauche "Barfußwort", das ich im Gespräch verwendete. Ausdrücke wie "echte und unechte Barfüßer", "barfuß bis zum Hals", "authentisch barfuß", "fett beschuht", "weiße Sch." gebrauchte ich nicht. Hätte er sicher nicht begriffen.
Er brachte den Vergleich mit einem Mitarbeiter, der am Arbeitsplatz immer gewissenhaft und nüchtern seine Arbeit macht, am Wochenende aber besoffen durch die Stadt zieht. Ich meinte, daß man als Besoffener eine Gefahr im Straßenverkehr sei und außerdem seine Gesundheit ruiniere. Barfuß dagegen sei man keine Gefahr, und gesund wäre es obendrein. Ich erzählte ihm, wie ich durchs Barfußlaufen meine Knie und Rückenprobleme losgeworden bin. Er konnte oder wollte es nicht glauben, dieser Simpel. Lorenz würde sagen, daß dumme Leute es nicht wert sind, daß man sich mit ihnen beschäftigt, aber wenn ein dummer Mensch in so einer Position sitzt, redet man praktisch gegen Wände.
"Dr. Simpel" brachte auch das Beispiel von einer Frau im Bikini. Damit könne man in der Badeanstalt herumlaufen. Aber außerhalb der Badeanstalt dürfe man so etwas nicht. Auch da mußte ich widersprechen. Es gäbe kein Gesetz, das so etwas im öffentlichen Raum verbietet. Im öffentlichen Raum könne man nur mit einer Ordnungswidrigkeit belangt werden, wenn man völlig ohne Kleidung herumlaufe. Soweit aber die Geschlechtsteile bedeckt sind, könne keine Behörde einschreiten. Der Betreiber einer FKK-Anlage müsse das Gelände so absichern, daß es von außen nicht einsehbar ist, der Betreiber einer Textilbadeanstalt müsse das nicht. Ein Passant, der sich am Anblick von Menschen in Badekleidung stört, und den Betreiber der Badeanstalt deswegen verklagt, würde kein Recht bekommen. Und genauso könne man mir in der Freizeit nicht das Barfußlaufen auf öffentlichem Gelände verbieten. Von Gesetzes wegen sei das nicht verboten, und das Hausrecht der Firma greife nicht, wenn ich mich bei ausgeschalteter Stempeluhr außerhalb des Firmenareals aufhalte. Damit schade ich niemandem. "Sie kennen sich da aber sehr gut aus, trotzdem: Sie schaden dem Ruf der Firma. Irgendwann knallt es. Ich will Ihnen doch nur helfen!" sagte er.
Ob "Dr. Simpel" mich aus eigenem Antrieb wegen barfuß angesprochen hat? Oder ob er deswegen von "oben" Druck bekommen hat. Vielleicht hat er lediglich den unangenehmen Auftrag bekommen, mit einigen Mitarbeitern wegen einer "Off-topic-Angelegenheit" (diesmal nichts straßenbahnspezifisches) Kontakt aufzunehmen. Und das Barfußlaufen benutzte er möglicherweise nur als Aufhänger, um mich auch nur einschüchtern in der Hoffnung, ich würde ihm bei der "Off-topic-Angelegenheit" nicht widersprechen.
"Dr. Simpel" selbst wohnt ca. 50 km von der "Spießerstadt" Zofingen entfernt und er gibt zu, daß er froh ist, nicht in Zofingen zu wohnen. So könne er an seinem Wohnort er selber sein, ohne daß man ihn mit der Firma zusammenbringt, während er in Zofingen nur "der Personalchef" ist. Er fragte mich, ob ich nicht auch lieber woanders hinziehen wolle. Würde ich in Zürich, Solothurn oder Luzern barfuß laufen, wäre es ihm egal würde keiner mich mit der Firma zusammenbringen. Da mußte ich ihm widersprechen. Es wäre verlogen, nur um dem Hobby nachgehen zu können, an einen Wohnort zu ziehen, der weit vom Arbeitsort entfernt ist.
Meines Erachtens hat sich da der Personalchef in Dinge eingemischt, die ihn absolut nichts angehen. Ich schade doch nicht dem Ansehen einer Firma, wenn ich in der Freizeit barfuß laufe. Macht sie dadurch einen schlechteren Umsatz? Werden potentielle Kunden abgeschreckt, weil ich mich in der Freizeit "unanständig" verhalte? Die Kunden sind ja schließlich keine in Zofingen wohnhaften Spießer, sondern überwiegend amerikanische Unternehmen. Und es würde mich überhaupt nicht stören, wenn einer der Kunden mich barfuß in der "verbotenen Stadt" sehen würde, im Gegenteil. Manche Kunden wissen auch, daß ich etwa barfuß in den Ferien unterwegs war, und in keinem einzigen Fall wurde dadurch die Zusammenarbeit verschlechtert. Wobei ich sagen muß, daß ich nur mit Kunden zusammenkomme, die eine ähnliche Funktion wie ich haben. Mit Konzernchefs habe ich nichts zu tun. Und auch nicht mit dem "Dr.-Simpel-Analogon" des Kunden.
Vielleicht sähe die Situation etwas anders aus, wenn ich Kellner im besten piekfeinen Gasthof der Stadt wäre und in derselben Stadt in der Freizeit barfuß wäre. Da würde vielleicht man ein potentieller Gast in ein anderes Restaurant gehen, wo die Kellner auch in der Freizeit fett beschuht sind. Oder wenn ich Bankberater in einer Kleinstadtbank wäre, könnte sich auch man ein potentieller Kunde an meiner Freizeitbarfüßigkeit stören und zur Konkurrenzbank gehen. Oder wenn ich Verkaufsleiter in einem Schuhunternehmen wäre, könnte dann Barfußlaufen in der Freizeit geschäftsschädigend sein? Verständnis hätte ich nicht dafür. Genauso wenig wie ich dafür Verständnis hätte, wenn ein Polizist, Zöllner oder sonstiger Uniformträger Ärger mit der vorgesetzten Dienststelle bekommt, nur weil er in der Freizeit (und in Zivil) barfuß ist. Ich könnte es höchstens noch nachvollziehen, wenn die vorgesetzte Dienstelle sich daran stört, wenn ein Uniformträger in der Freizeit eine unvollständige Uniform trägt, etwa Uniformjacke, Uniformhose in Kombination mit barfuß und unbemützt. (Während meiner Bundeswehrzeit erhielt auch einmal ein Rekrut Strafdienst am Wochenende, nur weil er nach Feierabend sich die Füße gewaschen hatte und beim Gang zum Zigarettenautomaten vor dem Gebäude in Badeschlappen ohne Socken, ansonsten Uniform (sogar mit Mütze) erwischt wurde.)
Hat sich etwas an meinem Verhalten geändert seit diesem Zusammenschiß von Dr. Simpel? Trage ich nur auch in der Freizeit fette Schuhe und lange Hosen? Nein! Aber ich habe mein Verhalten etwas geändert. So fahre ich barfuß seltener am Firmenareal vorbei, sondern benutze andere, gar nicht mal weitere Wege. Und wenn ich in der Zofinger Altstadt nichts spezielles will, dann radle ich auch nicht da durch, sondern ich radle drumrum. So ist die Gefahr doch kleiner, daß mich irgendwelche Spießer anschwärzen. Aber zur Fasnacht war ich trotzdem barfuß in der "verbotenen Stadt".
Später habe ich erfahren, daß der feige "Dr. Simpel" versucht hat, meine Chefin dazu anzustacheln, mich wegen barfuß zusammenzustauchen, aber sie hat sich geweigert mit der Begründung, daß es sie nicht im geringsten interessiert, was ich in der Freizeit mache.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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