Termin bei "Dr. Simpel" wegen barfuß in der Freizeit (Hobby? Barfuß! 2)
Das Ereignis geschah zwar schon in der 2. Januarhälfte, jedoch möchte ich es nicht vorenthalten. Ich hatte einen Termin bei "Dr. Simpel", unserem "Head Human Resources" (Doktor erfunden, Name geändert). Der Termin war sicher 3 Wochen angekündigt worden, nicht jedoch der genaue Grund. Also dachte ich mir auch nichts böses, sondern ging einfach dorthin, so wie ich normalerweise am Arbeitsplatz gekleidet bin, nämlich fett beschuht. Als ich ankam, kam er gleich mit einer Sache, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte: Wenn man die "ähs" und die "eigentlichs" nicht mitzählt, dürfte etwa das zehnte Wort "barfuß" gelautet haben.
Ihm paßt es gar nicht, daß er andauernd von Leuten aus der Stadt Zofingen und von der Polizei zu hören bekommt, daß ich draußen barfuß bin! Von einem Kadermitarbeiter könne man erwarten, daß er sich auch außerhalb der Arbeitszeit ordentlich benehme. Es würde ein schlechtes Licht auf die Firma werfen, wenn einer sich in der Freizeit daneben benimmt, auch dann, wenn man seine Arbeit ordentlich macht. Immerhin wäre Zofingen nur eine Kleinstadt und die Firma ein wichtiger Bestandteil dieser Stadt. Und er als Personalchef müsse die Firma gegen außen vertreten. Es wäre ihm unangenehm, wenn immer wieder gesagt wird, was das bloß für einer sei, der selbst im Winter barfuß und eher leicht bekleidet durch die Stadt gehe. So etwas wäre für die Firma untragbar.
Das zeigt, daß der 60-jährige "Dr. Simpel" überhaupt kein Rückgrad hat. Besonders gebildet ist er nicht. Er hat kein Abitur, keinen Doktortitel und manch einer hat sich schon gewundert, wieso so ein "Simpel" oder "Stehkragenproletarier" überhaupt in solch eine Position gesetzt wurde. Von den "richtigen" Direktoren wird er nicht ernst genommen, aber auch bei den "einfachen Arbeitern" ist er unbeliebt. Als ich ihm sagte, daß es für die Firma einzig und allein entscheidend sei, daß man mit meiner Arbeit zufrieden ist. Ich fragte direkt: "Haben sich denn Mitarbeiter über mich beschwert, die direkt mit mir zu tun haben?" Er verneinte. Ich sagte: "Dann sollte es doch Ihnen völlig egal sein, was die Spießer in der Stadt über mich sagen. Die geht es nämlich einen feuchten Kehricht an was ich mache, solange ich niemandem damit schade." Als ich den Ausdruck "Spießer" gebrauchte, errötete er. Als ob er sich selber betroffen fühlte! Das Wort "Spießer" war übrigens das einzige im Forum öfters gebrauche "Barfußwort", das ich im Gespräch verwendete. Ausdrücke wie "echte und unechte Barfüßer", "barfuß bis zum Hals", "authentisch barfuß", "fett beschuht", "weiße Sch." gebrauchte ich nicht. Hätte er sicher nicht begriffen.
Er brachte den Vergleich mit einem Mitarbeiter, der am Arbeitsplatz immer gewissenhaft und nüchtern seine Arbeit macht, am Wochenende aber besoffen durch die Stadt zieht. Ich meinte, daß man als Besoffener eine Gefahr im Straßenverkehr sei und außerdem seine Gesundheit ruiniere. Barfuß dagegen sei man keine Gefahr, und gesund wäre es obendrein. Ich erzählte ihm, wie ich durchs Barfußlaufen meine Knie und Rückenprobleme losgeworden bin. Er konnte oder wollte es nicht glauben, dieser Simpel. Lorenz würde sagen, daß dumme Leute es nicht wert sind, daß man sich mit ihnen beschäftigt, aber wenn ein dummer Mensch in so einer Position sitzt, redet man praktisch gegen Wände.
"Dr. Simpel" brachte auch das Beispiel von einer Frau im Bikini. Damit könne man in der Badeanstalt herumlaufen. Aber außerhalb der Badeanstalt dürfe man so etwas nicht. Auch da mußte ich widersprechen. Es gäbe kein Gesetz, das so etwas im öffentlichen Raum verbietet. Im öffentlichen Raum könne man nur mit einer Ordnungswidrigkeit belangt werden, wenn man völlig ohne Kleidung herumlaufe. Soweit aber die Geschlechtsteile bedeckt sind, könne keine Behörde einschreiten. Der Betreiber einer FKK-Anlage müsse das Gelände so absichern, daß es von außen nicht einsehbar ist, der Betreiber einer Textilbadeanstalt müsse das nicht. Ein Passant, der sich am Anblick von Menschen in Badekleidung stört, und den Betreiber der Badeanstalt deswegen verklagt, würde kein Recht bekommen. Und genauso könne man mir in der Freizeit nicht das Barfußlaufen auf öffentlichem Gelände verbieten. Von Gesetzes wegen sei das nicht verboten, und das Hausrecht der Firma greife nicht, wenn ich mich bei ausgeschalteter Stempeluhr außerhalb des Firmenareals aufhalte. Damit schade ich niemandem. "Sie kennen sich da aber sehr gut aus, trotzdem: Sie schaden dem Ruf der Firma. Irgendwann knallt es. Ich will Ihnen doch nur helfen!" sagte er.
Ob "Dr. Simpel" mich aus eigenem Antrieb wegen barfuß angesprochen hat? Oder ob er deswegen von "oben" Druck bekommen hat. Vielleicht hat er lediglich den unangenehmen Auftrag bekommen, mit einigen Mitarbeitern wegen einer "Off-topic-Angelegenheit" (diesmal nichts straßenbahnspezifisches) Kontakt aufzunehmen. Und das Barfußlaufen benutzte er möglicherweise nur als Aufhänger, um mich auch nur einschüchtern in der Hoffnung, ich würde ihm bei der "Off-topic-Angelegenheit" nicht widersprechen.
"Dr. Simpel" selbst wohnt ca. 50 km von der "Spießerstadt" Zofingen entfernt und er gibt zu, daß er froh ist, nicht in Zofingen zu wohnen. So könne er an seinem Wohnort er selber sein, ohne daß man ihn mit der Firma zusammenbringt, während er in Zofingen nur "der Personalchef" ist. Er fragte mich, ob ich nicht auch lieber woanders hinziehen wolle. Würde ich in Zürich, Solothurn oder Luzern barfuß laufen, wäre es ihm egal würde keiner mich mit der Firma zusammenbringen. Da mußte ich ihm widersprechen. Es wäre verlogen, nur um dem Hobby nachgehen zu können, an einen Wohnort zu ziehen, der weit vom Arbeitsort entfernt ist.
Meines Erachtens hat sich da der Personalchef in Dinge eingemischt, die ihn absolut nichts angehen. Ich schade doch nicht dem Ansehen einer Firma, wenn ich in der Freizeit barfuß laufe. Macht sie dadurch einen schlechteren Umsatz? Werden potentielle Kunden abgeschreckt, weil ich mich in der Freizeit "unanständig" verhalte? Die Kunden sind ja schließlich keine in Zofingen wohnhaften Spießer, sondern überwiegend amerikanische Unternehmen. Und es würde mich überhaupt nicht stören, wenn einer der Kunden mich barfuß in der "verbotenen Stadt" sehen würde, im Gegenteil. Manche Kunden wissen auch, daß ich etwa barfuß in den Ferien unterwegs war, und in keinem einzigen Fall wurde dadurch die Zusammenarbeit verschlechtert. Wobei ich sagen muß, daß ich nur mit Kunden zusammenkomme, die eine ähnliche Funktion wie ich haben. Mit Konzernchefs habe ich nichts zu tun. Und auch nicht mit dem "Dr.-Simpel-Analogon" des Kunden.
Vielleicht sähe die Situation etwas anders aus, wenn ich Kellner im besten piekfeinen Gasthof der Stadt wäre und in derselben Stadt in der Freizeit barfuß wäre. Da würde vielleicht man ein potentieller Gast in ein anderes Restaurant gehen, wo die Kellner auch in der Freizeit fett beschuht sind. Oder wenn ich Bankberater in einer Kleinstadtbank wäre, könnte sich auch man ein potentieller Kunde an meiner Freizeitbarfüßigkeit stören und zur Konkurrenzbank gehen. Oder wenn ich Verkaufsleiter in einem Schuhunternehmen wäre, könnte dann Barfußlaufen in der Freizeit geschäftsschädigend sein? Verständnis hätte ich nicht dafür. Genauso wenig wie ich dafür Verständnis hätte, wenn ein Polizist, Zöllner oder sonstiger Uniformträger Ärger mit der vorgesetzten Dienststelle bekommt, nur weil er in der Freizeit (und in Zivil) barfuß ist. Ich könnte es höchstens noch nachvollziehen, wenn die vorgesetzte Dienstelle sich daran stört, wenn ein Uniformträger in der Freizeit eine unvollständige Uniform trägt, etwa Uniformjacke, Uniformhose in Kombination mit barfuß und unbemützt. (Während meiner Bundeswehrzeit erhielt auch einmal ein Rekrut Strafdienst am Wochenende, nur weil er nach Feierabend sich die Füße gewaschen hatte und beim Gang zum Zigarettenautomaten vor dem Gebäude in Badeschlappen ohne Socken, ansonsten Uniform (sogar mit Mütze) erwischt wurde.)
Hat sich etwas an meinem Verhalten geändert seit diesem Zusammenschiß von Dr. Simpel? Trage ich nur auch in der Freizeit fette Schuhe und lange Hosen? Nein! Aber ich habe mein Verhalten etwas geändert. So fahre ich barfuß seltener am Firmenareal vorbei, sondern benutze andere, gar nicht mal weitere Wege. Und wenn ich in der Zofinger Altstadt nichts spezielles will, dann radle ich auch nicht da durch, sondern ich radle drumrum. So ist die Gefahr doch kleiner, daß mich irgendwelche Spießer anschwärzen. Aber zur Fasnacht war ich trotzdem barfuß in der "verbotenen Stadt".
Später habe ich erfahren, daß der feige "Dr. Simpel" versucht hat, meine Chefin dazu anzustacheln, mich wegen barfuß zusammenzustauchen, aber sie hat sich geweigert mit der Begründung, daß es sie nicht im geringsten interessiert, was ich in der Freizeit mache.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen