Die Konfettispur eines Barfüßers (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Wednesday, 20.02.2008, 19:02 (vor 6119 Tagen)

Von meinem barfüßigen Besuch im Technorama und dem anschließenden Aufenthalt beim Fasnachtsumzug in Winterthur am 9.2.2008 habe ich ja berichtet. Da ich es eilig hatte, um noch meinen Zug um 20.45 Uhr zu bekommen, hatte ich keine Zeit, vor Ort mich des Konfettis zu entledigen. So konnte man anhand einer Konfettispur erkennen, wo ich gewesen bin.

Als ich im oberen Stock des überheizten Doppelstockzuges nach Zürich als erstes nicht besseres zu tun hatte als den Rucksack schwungvoll ins Gepäcknetz zu befördern und die Jacke an den haken zu hängen, ergoß sich eine Ladung Konfetti auf die Sitzbank und den Fußboden. Es war mir unangenehm, denn eigentlich stört mich es maßlos, wenn andere Leute Bierdosen, Flaschen Kaugummis, Pappteller mit Senfresten oder gar Erbrochenes in öffentlichen Verkehrsmitteln (und nicht nur dort) liegen lassen, und nun war ich selber nicht besser! Da der Fußboden des Zuges an sich schon barfußfreundlich ist, benötigt er auch kein zusätzliches Konfetti. (Auf dem weichen Teppich in meiner Wohnung schreien meine Füße ja auch nicht nach Konfetti!) So fegte ich mit den Händen, so gut es ging, den "Mohr" zusammen und rührte ihn in den Aschenbecher. Und während der Fahrt von mir herabfallende Konfettiteilchen schob ich mit den nackten Füßen unter die Sitzbank. Hätte ich Schuhe angehabt, hätte es Gummistriemen vom Schuhsohlenabrieb gegeben, und die wären biologisch nicht abbaubar (im Gegensatz zu Konfetti oder allfälligem Horn- bzw. Lederhautabrieb).

Da meine Fahrkarte nicht zur längeren Fahrt über Olten berechtigte, andererseits dieser Zug nicht in Lenzburg hielt, mußte ich in Zürich in die S-Bahn überwechseln. Wegen des längeren Weges vom Bahnsteig in der Bahnhofshalle zum unterirdischen Bahnsteig mußte ich mich beeilen. Einige Leute, an denen ich vorbeilief, schienen etwas verstört zu blicken. Lag es daran, man mich wegen meiner "leisen Sohlen" nicht gehört hatte, als ich mich näherte. Oder war es die Tatsache, daß ich als kurz behoster Barfüßer geringfügig weniger winterlich gekleidet war als die fett beschuhte und teilweise sehr hochwinterlich vermummte Mehrheit war? Oder war es der Konfettiregen, mit dem ich dem Bahnhof "Segen" brachte? Egal!

Ich erreichte die S-Bahn, die mich nach Lenzburg bringen sollte. Und wieder eine Ladung Konfetti in meinem Sitzbereich, jedoch diesmal erheblich weniger. Also kein Hand- und Fußlungsbedarf meinerseits. Kaum rollte der Zug an, da kam ein Mann durch den Wagen und rief, während er ans andere Wagenende ging: "Billetkontrolle, alle Billette bitte. Anders als in Fernzügen werden in "Eulenzügen" wie der S-Bahn nur stichprobenartig die Fahrkarten kontrolliert. Und im Vergleich zu den "normalen" Schaffnern in den Fernzügen sind die Kontrolleure in den "Eulenzügen" nicht selten weniger höflich, nicht nur gegenüber Schwarzfahrern, sondern auch gegenüber Leuten, die zwar eine Fahrkarte haben, jedoch aufgrund ihrer Erscheinung verdächtigt werden, die Fahrkarte (speziell eine nicht übertragbare Tageskarte) auf unehrliche Art erworben zu haben (z.B. aus dem Papierkorb gefischt, nachdem der "Vorbesitzer" sie nicht mehr benötigt hat).

Der Mann fing vorne im Wagen an zu kontrollieren, seine Kollegin hinten. Wir waren gefangen im Zug, genauso wie die Füße FAST aller Zuginsassen in den Schuhen. Der Mann kam nicht weit, gleich zu Anfang erwischte er eine junge Frau (fast noch ein Kind) mit schwarzer Hautfarbe ohne Fahrkarte. Auch schien sie weder Geld, noch sonstige Papiere dabei zu haben. Die Kontrolleurin (sie sprach hochdeutsch, kein Schweizerdeutsch) kam mit dem Kontrollieren schneller voran als ihr männlicher Kollege, da ihre Opfer "leider" im Besitz einer gültigen Fahrkarte waren. Bei jedem Fahrgast sagte sie "Guten Abend" und nach der Kontrolle "Danke, gute Fahrt!" So kam sie auch zu mir. Diesmal sagte sie nur: "Gu...." und starrte auf meine Füße. Sie betrachtete meine Fahrkarte deutlich länger als die anderer Fahrgäste. Lag es daran, daß ich eine Spezialfahrkarte (Zofingen-Winterthur incl. Bustransfer Technorama) besaß, die sie nicht jeden Tag zu Gesicht bekommt? Oder hing es mit meiner Barfüßigkeit oder sonstigen Aufmachung zusammen? Wortlos gab sie mir die Karte zurück. Bei den nachfolgenden Fahrgästen war sie wieder höflich.

Schließlich erreichte sie ihren Kollegen. Sie telefonierte. Es kamen zwei weitere Kontrolleurinnen, sie gingen rasch auf die beiden zu. Eine der Frauen drehte sich um, sah meine Füße, zog ihrer deutlich älteren Kollegin (der Chefin der Kontroll-Crew?) am Ärmel. Die drehte sich auch um, ihr Blick erstarrte. Dann unterhielt sich das Kontrollpersonal. Ich glaubte mitzubekommen, daß man die schwarze Schwarzfahrerin in Lenzburg der Bahnpolizei übergeben wollte, ausgerechnet dort, wo ich umsteigen wollte (und mußte, um nicht selber zum Schwarzfahrer zu werden). Nach einer Weile blieben 3 Kontrolleure bei der "Mohrin" als Bewachung, während sich die deutsche Kontrolleurin wieder auf mich zubewegte (für andere Fahrgäste interessierte sie nicht). Sie fragte: "Darf ich noch mal ihre Fahrkarte sehen?" Ich gab sie ihr, sie begann auf einem Block alles mögliche zu notieren, während ich mein Halbpreisabonnement in der Hand hielt. Nach ca. 5 Minuten sagte sie: "Ach so, Sie haben ein Halbpreisabonnement!" Mit finsterer Miene gab sie mir die Fahrkarte zurück und ging auf ihre Kollegin zu. Ob sie von ihrer Chefin dazu angestachelt wurde, mir, dem "barfüßigen Dissidenten" irgendwas anzulasten, damit man mir Geld abknöpfen kann, quasi als "Alibistrafe" fürs barfüßige/kurz behoste Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel?

Ich hatte den Eindruck, als ob der Zug leichte Verspätung hatte, war darum daran interessiert, den Anschlußzug von Lenzburg nach Zofingen zu bekommen und nicht nur die Schlußlichter zu sehen und eine Stunde zu warten. Daher wurde ich schon unruhig, als der Zug sich Lenzburg näherte. Als ich sah, daß sich die 4 Kontrolleure zusammen mit der Schwarzfahrerin zum Aussteigen vorbereiteten, ging ich zu einer anderen Ausgangstür. Dummerweise lag meine Ausgangstür weiter von der Unterführung entfernt als die Tür "der anderen". Und zwischen meiner Tür und der Treppe blockierten auch noch 4 Bahnpolizisten in einer Engstelle den Bahnsteig. Um trotzdem schnell zur Treppe zu gelangen, mußte ich entweder die Polizisten umrennen oder einen Umweg, der etwa zweimal der Bahnsteigbreite entspricht, in Kauf zu nehmen. Ich wählte letzteres. Da ich den Einsatz von 4 Polizeischergen für unverhältnismäßig halte, nur um eine Schwarzfahrerin abzuführen, glaubte ich fast schon, daß die Kontrolleure nicht nur wegen ihr die Polizei gerufen hatten, sondern auch wegen mir entweder wegen meiner barfüßigen Aufmachung oder wegen Verschmutzung des Zuges mit Konfetti. In der Tat gingen die Polizisten auch in meine Richtung, jedoch kehrten sie um, als der männliche Kontrolleur rief: "Wir sind hier!" Ich stürmte los zum anderen Bahnsteig, wo mein Zug noch stand. Barfuß sprang ich hinein. Ich wurde schon unruhig, als der Zug immer noch nicht abfuhr, obwohl es längst Zeit dazu war. Ich rechnete schon damit, daß die Bullen nun erst mal nachforschen wollten, wo ich abgeblieben war (sie hätten nicht sehen können, ob ich auf einen anderen Bahnsteig ging oder den Bahnhof verlassen hatte). Auch wenn sie meine Barfüßigkeit alleine nicht als Grund zur Kontrolle gewesen wäre, so habe ich mich doch durch mein wildes Davonrennen verdächtig gemacht. Beruhigt war ich erst, als mein Zug abfuhr. Er hatte vielleicht nur deswegen gewartet, damit auch Leute, die langsamer laufen als ich, aus der verspäteten S-Bahn in den Regionalzug nach Zofingen gelangen konnten.

Und was fand ich im Zug, als ich mich gesetzt hatte? Konfetti! Als ich in Zofingen den Zug verließ und in der Bahnhofsunterführung auf Jugendliche stieß, die aus einem anderen Zug ausgestiegen waren, fiel denen fast der Kinnladen runter. Einer rief: "Barfuß, das gibt es doch nicht. Mitten im Winter!" So ein Unsinn! Seit wann liegt der Februar "mitten" im Winter?

Und in meiner Wohnung? Konfetti!

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen


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