Barfuß beim Fasnachtsumzug in Olten (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Friday, 15.02.2008, 18:47 (vor 6124 Tagen)

Ein eingefleischter Karnevalsfan bin ich ja nicht. In meiner norddeutschen Heimat sind Karnevalsumzüge unbekannt, und als Kind konnte ich es einfach nicht begreifen, mit wie viel Aufwand die Umzüge in Köln, Düsseldorf oder Mainz durchgeführt wurden. Und schon gar nicht begreifen konnte ich, daß Leute extra von Norddeutschland nach Köln usw. reisten, um mal einen Karnevalumzug gewesen zu sein. Daß man auch noch barfuß an so etwas teilnehmen konnte, hätte ich nicht einmal für möglich gehalten, höchstens in Rio oder anderen Orten, wo es im Februar/März warm ist.

Und heute? Nichts könnte mich reizen, nach Rio zu reisen, um dort barfuß am Karneval teilzunehmen. Auch nicht nach Köln oder Düsseldorf. Nicht einmal im relativ nahen Basel war ich deswegen. Schließlich findet der berühmte "Morgestraich" am frühen Montagmorgen statt. Und extra deswegen einen Tag frei nehmen? Oder gar barfuß zum Morgestraich zu fahren, um danach in Dienstkleidung am Arbeitsplatz zu erscheinen? Ohne mich!

Wenn aber am Wochenende ein Karnevalsumzug in einer nahe gelegenen Stadt stattfindet, dann fahre ich schon dorthin, mit dem Velo. Die Bahn wäre mir zu teuer, nur um zu einem Fasnachtsumzug zu fahren. Am Sonntag vor Rosenmontag war ein Umzug im ca. 10 km entfernten Olten, dorthin radelte ich, selbstverständlich barfuß. Um 14.14 Uhr sollte der Umzug beginnen, und etwa eine Stunde vorher hatte die Sonne den Nebel besiegt. Ein Thermometer auf dem Dach eines Hauses zeigte 0°C an. Aber immerhin +0°C, nicht -0°C!

Ich stellte mein Velo am Bahnhof ab und begab mich in Richtung Altstadt. Ich wollte bei der Gelegenheit mal testen, ob es was nützt, auf die "dümmste Frage der Welt" gleich eine Antwort in schriftlicher Form parat zu haben. Bix hatte ja mal von einem T-Shirt berichtet, auf dem geschrieben stand: "Nein, es ist nicht zu kalt!" Ein solches T-Shirt besitze ich nicht. Und wenn schon, wäre es auch nicht passend gewesen. Ohne Jacke darüber wäre der Text eine Lüge gewesen, mit Jacke darüber könnte ihn keiner lesen. Und ein T-Shirt über die Jacke ziehen? Das wäre genauso, wie wenn ich unter der kurzen Hose eine lange Unterhose tragen würde, und so etwas mache ich nicht, auch auf die Gefahr hin, daß man mich deswegen als Spießer bezeichnen würde.

Stattdessen trug ich ein Schild mit entsprechendem Text auf dem Rucksack. Diejenigen, die mit mir barfuß auf dem Elbdampfer zwischen Stadt Wehlen und Bad Schandau im Juli 2007 waren, können sich sicher an das Schild "Schuhe? Nein danke!" erinnern.

An den Eingängen der Altstadt standen überall "Schwarze Sheriffs" (die Jay'sche Abkürzung verwende ich hier nicht), und ließen nur diejenigen in die Stadt, die bestimmte Kriterien erfüllten. Würden die einen Barfüßer reinlassen? Oder nur bei Bezahlung einer Buße (gegen Blechquittung, versteht sich)? Nein, das mußte ich nicht haben. Einmal wurde ich während der Fasnachtszeit beim Betreten einer Stadt gebüßt. Das war das erste Jahr, das ich in der Schweiz lebte. Damals war ich nicht mal barfuß, trug auch keine kurzen Hosen, und trotzdem mußte ich blechen. Dabei wollte ich damals nicht zur Fasnacht, sondern nur nach Hause. Damals wohnte ich noch inmitten der Zofinger Altstadt.

Diesmal gelang es mir, an die Oltner Altstadt halbwegs zu umrunden, um mich über das Grundstück der Martinskirche ins Fasnachtstreiben zu schleichen, ohne von den "Schwarzen Sheriffs" schikaniert zu werden, hä, hä, hä, hä, hä! Ich war übrigens der einzige Barfüßer im Oltner Fasnachtstreiben. Ab und zu gab es erstaunte Blicke, speziell von Kindern. Auch kriegte ich mit, das es trotz der Pisastudie in der Schweiz Leute gab, die laut lesen konnten. Manche Leute lästerten über meine Aufmachung, manches Mal vernahm ich das Wort "barfuß" aus Kindermund. Eine Frau sagte: "Ich habe gelesen was auf dem Schild steht. Aber stimmt das wirklich? Ist das nicht zu kalt ohne Schuhe und in kurzen Hosen. Ich friere schon, wenn ich Sie nur sehe!" Da erzählte ich, daß es nicht zu kalt sei, solange ich mich bewegte.

Und bewegen mußte ich mich tatsächlich. Längere Zeit auf einem Fleck stehen bleiben war wirklich nicht drin. Das Konfetti sorgte dafür, daß die Wege angenehm barfuß begehbar waren. Es gab übrigens auch positive Kommentare. Mit einem Mann unterhielt ich mich länger übers Barfußlaufen. Es gab auch Leute, die unbedingt mein Schild fotografieren wollten.

Als es dunkel wurde, begab ich mich wieder zum Bahnhof, um nach Hause zu radeln. Dabei wurden meine Füße doch ziemlich kalt. Den Rucksack hatte ich aufs Velo geklemmt, so daß man das Schild nicht lesen konnte. Denn es hätte nicht der Wahrheit entsprochen. Ich bin doch schließlich kein Lügner!

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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