Silvester 2007: Barfuß schritt ich durch das Menschengetümmel von Bern. Die Erwachsenen schienen meine "unangemessene" Aufmachung nicht zu registrieren, sie waren zu beschäftigt. Kinder dagegen machten große Glotzaugen. Manche fingen auch an zu tuscheln. Die Weg unter den Lauben waren angenehm barfuß begehbar. Irgendwas kircheartiges wollte ich auch fußmäßig erspüren, und welche Kirche eignet sich da besser als das Berner Münster. Also ging ich dorthin - und ohne Zögern hinein.

Als ich den Sandsteinfußboden unter den Füßen spürte, glaubte ich mich gleich ins Elbsandsteingebirge versetzt, genau das gleiche angenehme Gefühl, wirklich. Wer hätte das gedacht! Es waren etliche Besucher im Münster. Einige Kinder waren schockiert, als sie meine Füße sahen. Wegen der Jahreszeit? Oder weil deren Eltern denen eingeprügelt haben, daß man eine Kirche nur in "ordentlicher" Kleidung betritt. Und zur ordentlichen Kleidung gehören (zumindest aus der Sicht eines scheinheiligen Spießers) geschlossene Schuhe und lange Hosen. Erwachsene, die selbständig durch das ehrwürdige Gotteshaus gingen, störten sich nicht an meiner Aufmachung. Einige gelangweilte Erwachsene einer größeren Gruppe, die sich das Gerede einer Kirchenführerin anhören (oder anhören mußten), dagegen starrten mich fassungslos an.

Dann kam ich zu einem modernen Bild in der Kirche, über das ich schmunzeln mußte. Auf der linken Seite des Bildes waren die "himmlischen Heerscharen", auf der rechten Seite die "Höllensöhne und -töchter". In der Mitte des Bildes prallten die beiden Fronten aufeinander. Die (flügellosen) Vertreter des Himmels waren barfuß und trugen eine Art weißes Nachthemd. Somit waren sie nicht "authentisch barfuß". Die Vertreter der Hölle waren "barfuß bis zum Hals". Ich hoffe, daß durch dieses Bild sich kein "Barfuß-bis-zum-Hals-Fan" dieses Forums ins falsche Lager versetzt fühlt oder daß ein "Barfuß-bis-zum-Hals-Gegner" unter den Forumsteilnehmern nun schadenfroh grinst. Und was ist meine Meinung zum Thema Himmel oder Hölle und barfuß? Meine Meinung ist, daß man nach dem Tod keinen Körper mehr hat. Also hat man es nicht nötig, irgendwelche Kleidung zu haben. Andererseits besitzt eine Seele weder Füße, noch Hals. Also kann eine Seele einerseits nicht barfuß oder barfuß bis zum Hals sein, andererseits aber auch nicht fett beschuht (behost, bemützt usw.). So einfach ist das!

Bevor ich in den Off-topic-Himmel aufsteige oder die Off-topic-Hölle abgleite, verlasse ich lieber das Gotteshaus und genoß für einige Zeit die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem Münsterbalkon. Dann schritt ich die steinerne Treppe hinunter zur Aare, folgte dem Fluß in Richtung Nydeggbrücke, wo ich eine hölzerne Treppe wieder hinaufging. Dann überquerte ich die Nydeggbrücke und begab mich zum Bärengraben, wo viele Leute standen. Diese aber interessierten die ausnahmslos barfüßigen Teddybären mehr als mich, den einzigen barfüßigen unter den ansonsten fett beschuhten Menschen.

Mit dem Omnibus fuhr ich zum Hauptbahnhof und von dort weiter mit dem Tram nach Wabern. Von dort führt die Gurtenbahn auf den Berner Hausberg. Diese Bahn konnte man ebenso wie die Marzilibahn NICHT mit meiner Citycard benutzen, kotz, würg! Zwar hätte mich eine barfüßige Fahrt mit der Standseilbahn auf den Gurten gereizt, aber doch nicht so sehr, daß ich mich deswegen in den finanziellen Ruin gestürzt hätte. Also begab ich mich in die entgegengesetzte Richtung, zur Aare.

Schöne Grüße
Michel aus Zofingen

Fortsetzung folgt