Barfuß am Heiligabend, 2. Teil (Hobby? Barfuß! 2)
Heiligabend 2007: Ich war barfuß in Zürich im Freibad Tiefenbrunnen. Aber nicht zum Baden, sondern nur um eine gebührenfreie Toilette zu benutzen. Ich fühlte mich noch nicht reif für die nächste Aufwärmphase in einem Off-topic-Fahrzeug, also schritt durch die Seefeldstraße zurück. In den vorbeifahrenden Straßenbahnen drehten sich die Köpfe der Passagiere im "Gleichschritt". Gleiches geschah auch in den Restaurants, unter anderem in einem, bei dem die Fenster bis zum Boden gingen. Normalerweise interessiert es mich einen feuchten Kehricht, ob die Restaurantgäste Schuhe anhaben oder nicht. Da aber in diesem Fall keine Schilder den Blick behinderten, konnte ich feststellen, daß leider alle Restaurantgäste fett beschuht waren.
Ich kam an der Bellevue vorbei, ging ins Niederdorf, wo ein Knabe laut schrie: "DER HAT KEINE SCHUHE AN!" Darauf der Vater: "Und was geht dich das an?" Japanische
Besucher glaubten nicht was sie sahen. So erreichte ich das Großmünster. Geradlinig schritt ich auf die Tür zu. Ich war bisher erst einmal in dieser Zürcher Kirche mit den zwei Türmen, aber das ist schon lange her, entsprechend war ich fett beschuht. Würden sich die "Domschweizer" auf mich stürzen, um mich in hohem Bogen aus "ihrem" ehrwürdigen Gotteshaus zu befördern, weil ich Kleidung trug, die sich nicht zu tragen geziemet? Nichts geschah. Kaum einer nahm Notiz an meinen nicht vorhandenen Schuhen, an meiner kurzen Hose oder daran, daß ich in der Hand weder Hut noch Mütze trug. Das Zürcher Großmünster ist halt eine reformierte Kirche, kein katholische oder eine orthodoxe.
Als ich vor dem Krippenspiel stand, wurde ich doch angesprochen, jedoch nicht von Kirchenpersonal, sondern von einem anderen Besucher. Er bewunderte mich, daß ich im Winter barfuß laufe und fragte auch näheres dazu. Dann sagte er das, was ich antwortete, noch auf französisch zu seiner Begleiterin. Kein Wort, daß ich ausgerechnet in einer Kirche barfuß bin.
Ich betrachtete mir noch das Krippenspiel, das von Schulkindern hergestellt wurde. Vom künstlerischen Standpunkt sicher ausgezeichnet, vom fußbekleidungstechnischen dagegen enttäuschend. Alle Menschen in dem Krippenspiel, egal ob Maria, Josef, die Waisen und die Hirten waren fett beschuht, während das Jesuskind die Füße im Verborgenen hatte. Engel waren nicht anwesend. Was soll ich dazu sagen? Ich kann das nur so interpretieren: Die Krippe wurde von Kindern gemacht, die selber keine Armut kennen. Vielleicht kennen sie Leute, die arm sind, aber trotzdem Schuhe tragen, das Sozialamt sorgt ja schon dafür. Folglich wurden die "armen Hirten" auch mit Schuhen versehen. Einziger Trost: Wenigstens den Schafen war es vergönnt, ihr Leben auf freiem Fuß zu führen. Es waren überwiegend weiße Schafe, jedoch auch ein paar braune. Von barfüßigen schwarzen Schafen keine Spur, aber die wurden ja bekanntlich rausgekickt aus der Schweiz (halt, jetzt wird’s politisch).
Ich verließ das Großmünster, schritt zum Central - und fühlte mich immer noch nicht reif für die nächste Aufwärmphase in einem Off-topic-Fahrzeug. Also ging ich am Limmatufer zurück, überquerte den Fluß auf einer barfußfreundlichen Fußgängerbrücke mit Planken. Dann folgte ich der Limmat auf einem Fußweg, teilweise auch beplankt, meistens aber kühles Kopfsteinpflaster. Eine Frau sagte zu ihrem Mann: "Da macht einer eine Kneippkur!"
Ich ging zur Fraumünsterkirche, zwei Frauen folgten mir. Eine fragte, ob es nicht zu kalt sei. Ich meinte, man müsse sich nur bewegen. "Aber Ihre Füße sind doch schon ganz rot!" "Das ist ein gutes Zeichen. Wären sie schneeweiß, wäre das ein Alarmsignal." Sie bedankte sich noch, während ich ihnen die Kirchentüre aufhielt. Weder von diesen Frauen, noch von anderen Personen gab es Bemerkungen, daß ich ausgerechnet in einem hochheiligen Gotteshaus barfuß bin. Eine Frau, die in der Kirche Postkarten und ähnliches verkaufte, lächelte sogar. Vielleicht hat sie noch nie jemanden ohne Schuhe in der Kirche gesehen, und an einem frostigen Heiligabend schon gar nicht.
Die Peterskirche (die mit der riesigen Uhr) war leider geschlossen, so daß ich wieder in Richtung Central ging. Während ich die beplankte Brücke überquerte, sah ich, wie ein Polizeiauto am anderen Limmatufer fuhr. Unauffällig bewegte ich mich in eine Ausbuchtung der Brücke. So konnte man von der Straße zwar sehen, daß ich keine Mütze trug, jedoch waren meine nackten Füße und Beine vom Geländer verdeckt. Das Polizeifahrzeug trotzdem direkt vor der Brücke an - weil es eben auch Polizisten gibt, die die Verkehrsregeln einhalten, wenn die Ampel rot zeigt. Bei grün fuhr der Peterwagen weiter, und ich ging zum Central, wo mich ein Tram zum Zoo (keine Kobra) verschlang.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen
Fortsetzung folgt