Barfuß (allerdings mehr in Bus und Zug) durch die verschneiten bayrischen Alpen (Hobby? Barfuß! 2)

Leo, Stammposter, Sunday, 23.12.2007, 20:47 (vor 6115 Tagen)

Hallo,

letztes Wochenende bzw. kurz davor hatte ich mir einen grippalen Infekt zugezogen. Entsprechend meinem krankheitsbedingt für mich vollkommen ungewöhnlichen (für andere wohl eher normalen) Temperaturempfinden lief ich 4 Tage mit Schuhen und Strümpfen herum. Gestern war es mir dann aber wie üblich in meiner mit Rücksicht auf meine rheumakranke Mutter auf ca. 23 Grad überheizten Wohnung zu warm und ich startete meinen kleinen Ausflug barfuss.

Der Boden in Holzkirchen war gestern morgen zwar eisig, aber die 500m bis zum Bahnhof waren problemlos zu bewältigen. Mit der BOB (Bayerische Oberlandbahn) fuhr ich bis Schliersee und dann mit dem Bus hinauf zum Spitzingsee in Erwartung der für die Höhe schon seit Tagen angekündigten sehr milden Temperaturen. Wegen diesen hatte ich auch keinen Gedanken darauf verschwendet, meine Langlaufski mitzunehmen. (An einer kleinen Steigung stellte sich dann aber auch heraus, dass ich doch noch nicht wieder voll fit war...)

Trotz strahlenden Sonnenscheins und sehr warmer Luft hatte ich aber nach nur 300m durch den Schnee schon das Gefühl, dass es viel zu kalt zum Barfußlaufen sei und zog vorsichtshalber meine Teva-Sandalen an. Trotz offener Jacke schwitzte ich aber oben herum wegen des wohl extremen Gegensatzes zwischen warmer Luft- und frostiger Bodentemperatur, die die ca. 50 cm Schnee gut konservierte.

Nach 1h in Sandalen fuhr ich weiter barfuss mit dem Bus nach Schliersee und dem Zug nach Miesbach, wo ich die kleine 20-minütige Runde bis zur Abfahrt des Busses nach Tegernsee angenehm barfuss absolvierte, obwohl ich jetzt oben doch eine Mütze brauchte. Auch die ca. 45 Minuten durch Tegernsee waren barfuss sehr angenehm; einige erstaunte Blicke waren jedoch nicht zu übersehen.

Dann fuhr ich mit dem Bus nach Bad Tölz weiter, wo ich wenigstens noch kurz vor Schluß eine Runde über den Weihnachtsmarkt drehen wollte. Hier waren Luft- und Bodentemperaturen zwar ausgeglichen, aber nach Sonnenuntergang schon so kalt, dass ich mich fast auf direktem Weg vom ZOB zum Bahnhof begab und mit hungrigem Magen sogar 23 Minuten früher als geplant heim fuhr.

Heute war ich dann komplett barfuss durch die verschneiten Alpen unterwegs - aber fast nur im Bus/Zug und kaum zu Fuß. Im Gegensatz zu gestern gab es auch Kommentare - und zwar recht viel. Anscheinend sind die Leute in Vorfreude auf Weihnachten nicht so hektisch und achten mehr auf ihre Mitmenschen.

Das ging schon los mit dem sonst immer kurz angebundenen Briefträger, der sonst immer recht pünktlich kurz nach 8:30 h erscheint und mich seit Jahren nur barfuss kennt: Er erschien 1 gute Stunde später als üblich mit viel mehr Post, insbesondere Einschreiben als normal, und fand trotzdem Zeit für ein kleines Gespräch: Er sei auf dem Land aufgewachsen und früher auch viel barfuss gelaufen, wenn auch nicht so wie andere, die den den ganzen Sommer über alle Untergründe gerannt wären. Ob mir denn jetzt der viele Splitt nichts ausmachen würde? Natürlich sei es nicht angenehm, erklärte ich, aber man gewöhnt sich dran.

Eine Gruppe von 20 jüngeren Leuten im Zug nach Bad Tölz machte sich zwar unauffällig gegenseitig auf meine nicht vorhandene Fußbekleidung aufmerksam, sagte aber ansonsten nichts dazu. Beim Aussteigen in Bad Tölz quatschte mich dann aber ein Mann an und spulte seinen ganzen während der Fahrt aufgestauten Burkhard-mäßigen Fragenkatalog ab, den ich im Telegrammstil beantwortete: "Haben Sie keine Angst vor Scherben? Haben Sie keine Angehörigen - was sagen denn die dazu, Ihre Kinder? Was sagt Ihre Frau?” Ich antwortete: "Ich habe keine Kinder, und meine Frau ist mir schon vor Jahren weggelaufen!” Erst als das Gelächter der Umstehenden abgeklungen war, konnte ich präzisieren: "... aber bevor ich mit dem Barfußlaufen anfing!” Der Kerl gab keine Ruhe: "Wo war denn das?” - "In Australien!” - "Ach ja im Busch! Aber hier doch nicht!” Die weitere Diskussion wurde mir zu blöd, die Tür ging auf und ich spurtete zum Bus, um einen guten Sitzplatz zu ergattern.

Die 20 Jugendlichen fuhren auch mit dem Bus mit, aber nur bis zur Blombergbahn und nicht bis zur Endstation Kochel, wo es gegen 11:30h angesichts des Sees noch neblig und sehr eisig war - besonders am Boden. Der Weg vom Bahnhof zum Denkmal des Schmieds von Kochel war barfuss nicht sehr angenehm, aber die gut 20 Minuten Aufenthalt überstand ich doch noch ohne Teavs; zum Schluß auf trockenem Asphalt in der Sonne an der Haltestelle war es sogar recht angenehm.

Mit dem Bus fuhr ich am ausnahmsweise windstillen und Surfer-leeren Walchensee vorbei über Mittenwald und Garmisch, wo ich mir einen kleine lokalen Fahrplan mit den dortigen RVO-(Regionalverkehr Oberbayern)-Bussen besorgte. Schon kurz darauf fuhr ich weiter mit dem Bus in Richtung Steingaden, der leider nicht bis Füssen durchfuhr. Eigentlich war ich bzgl. der weiteren Route noch unschlüssig, aber als wir an der Ettaler Wendeschleife den Bus von Oberammergau nach Linderhof überholten, stieg ich an der nächsten Haltestelle Kloster Ettal kurzentschlossen in diesen um.

An Schloß Linderhof hatte ich 10 Minuten Zeit bis zur Rückfahrt und fragte den Fahrer scheinheilig: "Ach, um Punkt 14h geht es wieder zurück, oder? Dann bis gleich!” Das hört sich doch netter an als: "Fahren Sie bloß nicht zu früh weg!” und hat bisher seien Zeck noch immer erfüllt.

Sowohl Schnee als auch Luft waren hier angenehm und ausgeglichen temperiert; aber nach kurzem Spaziergang war ich pünktlich 30 Sekunden vor der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit wieder zurück. Ich war jetzt allein mit dem Fahrer im Bus, und er fragte mich interessiert, warum ich barfuß laufe, wie lange schon usw. Er war sehr aufgeschlossen, meinte aber UM DIESE JAHRESZEIT sei es wohl sehr außergewöhnlich (gab mir Recht: im Sommer nicht), er hätte es erst kaum glauben können... Ja es härte ab, aber ich habe weder öfter noch seltener einen Schnupfen als früher. An der Endstation in Oberammergau wünschte er mir zum Abschied noch alles Gute - und ich solle aufpassen, dass ich gesund bleibe.

Im Zug von Oberammergau nach Murnau fiel ich gar nicht weiter auf; aber der erstaunte Blick der Schaffnerin in Murnau auf meine Füße war nicht zu übersehen, als ich wegen des roten Signals ganz gemütlich zur Spitze des Zuges nach München ging. Nach der Abfahrt hatte ich erst mal ausgiebig Gelegenheit, ihr auf ihre interessierte Nachfrage hin die Vorzüge des Barfußlaufens ausgiebig zu erläutern, bevor sie irgendwann dann doch mal meine Fahrkarte sehen wollte.

Bis München hatten wir die 5 Minuten Verspätung wegen Kreuzung in Murnau wieder aufgeholt, und so begab ich mich ganz gemütlich zur BOB in Richtung Holzkirchen. Der Schaffner war einer von denen die mich schon seit längerem kennen; er schaute skeptisch auf meine Füße, aber grinste dann zufrieden, als er sie in dem üblichen Bekleidungs-Zustand erblickte. (Hatte meine beschuhte Mitfahrt die letzte 4 Tage etwa schon zu Besorgnis Anlaß gegeben?)

Als schreibfauler Mensch, der auch ständig Mail-Adressen und Telefon-Nummern verlegt, wünsche ich auf diesem Weg allen Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch!

Gruß

Leo


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