Sofort alles fallen lassen (1. Teil) (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Wednesday, 21.11.2007, 12:27 (vor 6213 Tagen)

Aufbrechen und die Schweiz entdecken. So lautete die Werbung für eine befristete Sonderaktion der Schweizerischen Bundesbahnen:

http://mct.sbb.ch/mct/aktions-tageskarten?utm_source=nl&utm_medium=link&utm_campaign=aktionstk

Warum nicht auch ich? Letzten Samstag, den 17.11.2007 war es soweit. Für nur 39 SFr konnte ich die öffentlichen Verkehrsmittel der Schweiz bis zur Vergasung ausnutzen. Das, was ich am Tag zuvor nach meiner Arbeit fallen ließ, ließ ich gleich liegen: meine Schuhe. Denn wenn man als freier Schweizer schon freie Fahrt hat, dann sind Fußgefängnisse aller Art sicher ein Klotz am Bein, und auf den konnte ich gut und gerne verzichten.

Das begann mit der Fahrt per Fahrrad zum Bahnhof, bereits dort war ich barfuß. Die Temperatur von -2°C, die mein Thermometer anzeigte, konnten mich nicht abschrecken. Auf den Feldern lag Schnee, die Straßen aber waren trocken. Um 5.05 Uhr würde der erste Zug nach Luzern abfahren, mit mir! Ich wollte auch wirklich den ganzen Tag barfuß in vollen Zügen genießen (im übertragenen Sinne). Lange Wartezeiten auf eiskalten Bahnhöfen wollte ich vermeiden. In Luzern stand der Anschlußzug nach Arth-Goldau über Küßnacht schon bereit. Beim Umsteigen beachtete kaum einer meine Barfüßigkeit, die ich üblicherweise nicht mit bedeckungsreicher Kleidung zu tarnen versuchte.

Leider hatte dieser Zug Verspätung, der Anschluß in Arth-Goldau ins Tessin war weg. Fast eine Stunde barfuß auf dem Bahnsteig bei kaltem Wetter auf den nächsten Zug warten? Ohne mich! Da ein Regioexpreß nach Zürich abfahrbereit stand, hüpfte ich in diesen. In Zug stieg ich wieder aus. Da hier (anders als in Zofingen) kein Nebel herrschte, war es hier auch deutlich kälter. Diese Kälte spürte ich auf dem Bahnsteig. Ich aber ging ins Bahnhofsgebäude, hier konnte ich den Cisalpino ins Tessin abwarten. Weniger lange gestanden, mehr gefahren, so lasse ich mir das gefallen. Die großen Glotzaugen der kleinen Kinder auf dem Zuger Bahnhof und später im Cisalpino störten mich nicht. Sollen die doch glotzen, wenn sie noch nie im Zug nackte Füße gesehen haben.

Ich genoß es, wie der Zug durch die Winterlandschaft glitt. Der Gipfels des Rigis wurde gerade von der Sonne angestrahlt. Draußen Winter, aber ich im warmen Zug. Ich fühlte mich "reich". Ich besaß das Geld, mir den Luxus einer Bahnfahrt zu leisten. So konnte ich den "Luxus" des Barfußseins genießen, während ein "armer" Mensch, der sich keine Bahnfahrt leisten konnte, wegen der Kälte sich dick einmummen mußte. Ich dachte nicht daran, was wohl passieren würde, wenn der Strom ausfällt und der Zug nicht weiter kann und es langsam im Zug kälter werden würde. Und ich barfuß, in kurzen Hosen, und selbstverständlich auch nichts winterliches im Gepäck. Nein, ich dachte nicht daran, noch nicht. Jenseits des Gotthards lag deutlich weniger Schnee, ich träumte schon von fast sommerlichen Temperaturen im Raum Locarno.

Dann aber kam es, daß der Zug in Rodi-Fiesso wegen eines Maschinenschadens stehen blieb. Das paßte mir gar nicht. Nicht etwa, daß ich Angst hatte, daß ich barfuß in den Schnee mußte, wohl aber davor, daß die S-Bahn in Bellinzona ohne mich abfahren würde. Und so war es. Aber auch andere Fahrgäste waren am Rätseln, wie sie nun ihre Reise fortsetzen konnten. Dem Gespräch nach wollten sie genau wie ich die Centovalli-Bahn benutzen, nun aber würden sie den dortigen Schnellzug verpassen und 2 Stunden in Locarno warten müssen. Meine Aufmachung, die deutlich weniger winterlich war als deren, wurde kaum registriert.

Ich stand auf dem Bahnsteig in der Sonne. Dieser war deutlich wärmer als der in Zug. Auch die Sonnenstrahlen, die in meiner Beinbehaarung für einen Treibhauseffekt sorgten, empfand ich als angenehm. In solch einer Situation auf den ca. 15 Minuten auf den nächsten Zug nach Locarno warten kann man sicher gut aushalten. Dann aber kam das, womit ich überhaupt nicht gerechnet hatte: Bahnpolizei! Schockiert sahen die anderen Leute auf dem Bahnsteig, wie die beiden Bahnbullen, von denen einer deutsch konnte, mich kontrollierten. Der Interregio um 10 Uhr rollte ein und verschwand, ohne mich. Zehn Minuten später kam eine S-Bahn. Diese rollte ein, während die Polizeischergen mich ins Büro abführten (ohne Handschellen). Die Beamten durchwühlten meinen Rucksack, meine Brieftasche, mein Portemonnaie (wenn ich Anwalt gewesen wäre und einen Anwaltsausweis, dann hätten sie auch diesen gefunden). Auch den Schmierzettel, auf dem ich mir einige Zugverbindungen und Abfahrtszeiten von verschiedenen Schweizer Bahnhöfen notiert hatte (ich bin halt unmodern und besitze kein Handy, nicht einmal ein Fahrplanheft), bemerkten sie. Man fragte mich, was ich im Tessin zu suchen hätte (als ob man sich nicht frei in der Schweiz bewegen dürfe). Man fragte mich, warum ich keine Schuhe dabei hätte, ich gab gesundheitliche Gründe an. Ich mußte ein Formular ausfüllen, und zwar zweimal innerhalb von 20 Minuten. Wollten sie damit sehen, ob ich dieselben Angaben mache. Auch fand der eine Beamte heraus, daß ich schon mal in Bellinzona von der Bahnpolizei kontrolliert wurde. Das ist schon einige Zeit her, im Februar werden es 2 Jahre. Ich war also als "Wiederholungstäter" registriert. Dürfen solche Daten überhaupt so lange aufbewahrt werden? Ist die Tat nicht schon längst verjährt? Schließlich ist barfuß laufen nicht verboten, was sogar der eine Bahnbulle meinte. Als ich gefragt wurde, woher ich kam und Zofingen nannte, kam die Nachfrage: "Aus dem Krankenhaus? Oder wohnen Sie dort." Offensichtlich glaubten sie, ich wäre aus einem Krankenhaus ausgebrochen. Sie konnten es einfach nicht glauben, daß ich in Zofingen nur wohne und arbeite. Zur Abfahrt der S-Bahn nach Locarno um 10.40 Uhr brachten sie mich zum Bahnsteig. Erst in letzter Sekunde überreichten sie mir die Ausweispapiere, ungefähr nach dem Motto: Der Zug fährt jetzt ab, den sind wir los. Sollen sich doch andere an dem ärgern.

Ich hatte den Eindruck als ob diese Bahnpolizisten eher zu den dümmeren gehören, also denjenigen, die es nicht wert sind, daß man mit ihnen diskutiert. Es ist bloß eine Schande, daß derart unqualifizierte Menschen so viel Macht über andere haben. Sie besitzen die Unverfrorenheit, einen ehrlichen und anständigen Menschen, der keiner Fliege was zuleide tut und nichts verbotenes tut, auf so eine schäbige Weise die Zeit zu stehlen. Während der Fahrt nach Locarno überlegte ich mir, wie ich mich an den unfähigen Bahnpolizisten rächen konnte. Mein Entschluß war, mich bei den SBB über diese bellinzonesischen Bahnbeamten zu beschweren. (Ich tat es übrigens am letzten Montag, bisher noch keine Antwort).

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen (Fortsetzung folgt)

Tageskarten zum Halbtax und Gemeinde-Tageskarten

Leo, Stammposter, Wednesday, 21.11.2007, 17:41 (vor 6213 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hallo Michael,

die Tageskarten benutze ich auch sehr oft; sie gelten auch auf teuren Strecken (z.B. Der MGB) und sogar im Glacier und Bernina-Expreß (mit Zuschlag!). Es gibt sie auch als Multitageskarte für 6 Tage zu CHF 280 JEDEN Tag von 0 h (statt Mo-Fr 9h) bis Betriebsschluß - am Benutzungstag 1 Feld entwerten. Das ist nur etwas mehr als der Aktionspreis. Nach Kauf gelten sie 3 Jahre. Am 9.12. Steigen die Preise wohl!

Es gibt auch Gemeinde-Tageskarten zu 36 CHF, bei denen man sich aber schon beim Kauf auf einen bestimmten Tag festlegen muß. Sie gelten sogar ohne Halbtax. Ich habe sie mal in Zürich an einem Kiosk gesehen, der sie an jeden verkauft. eigentlich sind sie nur für Einwohner der Gemeinde gedacht, aber ein Schaffner sagte mir, er wurde das nicht überprüfen...

Gruß Leo

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