[Herbstblues] oder: Sehnsucht! (Hobby? Barfuß! 2)
...vorgestern in Oldenburg....die Menschen sind dick vermummt. Geschätzte 10°C Außentemperatur und ich sehe die ersten Menschen mit Handschuhen und Schal. Trage keine Handschuhe,trage keinen Schal. Jeans und Jacke mit Fell sind im Winter meine einzigen Begleiter.
Steige aus dem Wagen und spüre kalte Steine. Doch nicht zu kalt,um das schöne Gefühl der Freiheit zu verdrängen.
Betrete ein Möbelhaus und spüre den Teppich...dann das Laminat. Es ist fast so kuschelig, wie im eigenen Wohnzimmer.
Führe ein Gespräch mit einer Verkäuferin, bezüglich der Behaglichkeit von mit Kerzen illuminierten Wohnungen.
Sie verabschiedet sich mit einem Lächeln.
Ich trete vor die Tür. Eiskalter Wind umweht mich. Herbstlaub umspielt meine nackten Füße. Fühle mich frei.
Gehe den Kilometer bis zur Fußgängerzone zu Fuß. Über die Amalienbrücke ins Zentrum. Radfahrer und Fußgänger begegnen mir dick vermummt. Werfen verstohlene Blicke auf den Boden. Friert es sie schon beim bloßen Hinsehen. Mir ist nicht kalt. Bin abgehärtet.
Vor einem Buchladen sehe ich mir die Auslagen an. Frauen sitzen eingemummelt in dicken Wolldecken vor einem Cafe und sehen zu mir herüber. Verständnisvolle Blicke werden ausgetauscht. Die Damen als wackere Verfechter des Outdoor-Kaffeetrinkens, ich als Verfechter des Outdoor-Barfußlaufens
Laufe gemütlich durch die Fußgängerzone. Bleibe vor einer Bettlerin stehen, die ihren Kopf demütig aufs Pflaster gesenkt hält. Sie schaut hoch und ich sehe in ein ausgemergeltes, vom Leben gezeichnetes, zahnloses, aber dennoch freundliches Gesicht. Ich werfe ihr eine Münze zu. Sie bedankt sich mit krähender Stimme und wirft mir einen freundlichen Blick zu. Auch in ihrem Blick etwas Verschworenes.
"Ich, die Bettlerin, von den Leuten schief angesehen und Du der barfüßige Mann, der gewiß ähnlich gemustert wird.", denkt sie sich gewiß.
Ich gehe weiter und spüre die unterschie3dliche Pflasterung der Fußgängerzone unter meinen Füßen.
Die Fußgängerzone wird zur Zeit neu gepflastert. Soll Stöckelschuhfreundlicher werde. Keine historischen, runden Pflastersteine mehr, sondern, ebene glatte Steine sollen der Dame von heute Behaglichkeit beim Shoppen bieten.
Ich muß aber zugeben, daß diese Steine auch barfußfreundlicher sind
Eien esotherische Buchhandlung weckt meine Neugierte. "Bitte Handys ausschalten" steht an der Tür. Ein sehr angenehmer Hinweis. Der Boden dieses Ladens besteht aus altem Dielenholz. Sehr barfußfreundlich. Der Rauch von Räucherstäbchen und das Plätschern eines Zimmerbrunnens steigert die Behaglichkeit. Ich stöbere in Büchern über Schamanismus und fühle mich wie zu Hause.
Doch bevor es zu gemütlich wird, trete ich wieder in den vorweihnachtlichen Einkaufstrubel und fühle mich plötzlich brutal in die Realität zurückgeholt. Überall hektisches Treiben. Nichts mit Ruhe und Entspannung.
Es ist bereits dunkel und von meinen nackten Füßen nimmt kaum jemand Notiz. Diejenigen die es bemerken, bemerken es eben. Vorbei die Zeit, in der ich mir über jeden schiefen Blick Gedanken machte.
Ich bin jetzt zu 100% ich selbst und bereue es zu keinem Zeitpunkt.
Nachmdem ich mir ein Reinigungsmittel für meine antike Shisha gekauft habe, schreite ich wieder den Kilometer bis zu meinem Auto durch wirbelndes Herbstlaub und genieße jeden Schritt.
Wie ein dünner Film hat sich die Feuchtigkeit des Abends über die glatten Pflastersteine der Amalienbrücke gelegt. Meine Füße hinterlassen deutliche Spuren auf den feuchten Steinen. Ein surrealistischer Anblick. Wirbelndes Herbstlaub und die Spur nackter Füße.
Doch plötzlich wieder verkehrte Welt. Finde mich in einer neongrellen PLUS-Filiale wieder. Der Laden ist voller Freaks. Punker,Hippies, schwarz, gelb, weiß.
Oldenburger Subkultur.
Nehme an, daß ich unter den buten Vögeln nicht auffalle. Weit gefehlt. Meine Barfüßigkeit toppt die grünen Haare, durchlöcherten Jeans, Nasenringe und Dreadlocks. Hätt' ich nicht gedacht.
Doch ich bin ich selbst und fühle mich gut...
Gruß und Fuß,
Descalzar