Wettlauf mit der Pferdebahn (m. 13 B.) (Hobby? Barfuß! 2)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Saturday, 13.10.2007, 16:05 (vor 6252 Tagen)

Hallo

Am letzten Sonntag, also am 7. Oktober, fuhr ich nach Brandenburg an der Havel, da man an diesem Tag Rundfahrten mit einer Pferdebahn durchführte. Dies geschah nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, aus Anlass des 58. Jahrestages der DDR, sondern wegen des 110jährigen Bestehens der Straßenbahn, 1897 als Pferdebahn den Betrieb aufnahm.
Als ich am alten Betriebshof eintraf, sah ich auch schon den Pferdebahnwagen, allerdings ohne Pferde, da diese gerade gewechselt wurden.
Ich nutzte daher die Zeit, um mir zunächst das benachbarte Straßenbahnmuseum anzusehen, dass mich aber eher enttäuscht hat. In einem Nebengebäude, das über eine kurze Treppe aus recht unangenehmen Gitterroststufen zu erreichen war, gab es eine Ausstellung zur Geschichte mit Fotos, Netzplänen, Souvenirs und allerlei Kleinteilen der Straßenbahn, aber keinen einzigen Wagen. Dennoch wurde ich vom Aufseher sehr freundlich durch die Ausstellung geführt, ohne dass er sich irgendwie zu meinen nackten Füßen geäußert hätte.
Da nach diesem Museumsbesuch die Pferdebahn weg war, sah ich mir noch eine Luftverkehrsausstellung in Nebenräumen der eigentlichen Wagenhalle an, wo sich auch niemand an meiner Barfüssigkeit störte. Trotz inzwischen abgebauter Oberleitungen stand dort sogar noch ein alter Straßenbahnzug Gothaer Bauart herum, der auch noch fahrbereit sein soll, sofern man ihn wieder unter eine Oberleitung zieht.

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Das vor dem alten Straßenbahnhof gelegene Kopfsteinpflaster ist überaus barfußfreundlich.

Ich verließ nun dieses Gelände und begann die Pferdebahn zu suchen. Ich wusste ja, auch welcher Route sie alle halbe stunde fahren sollte, zweifelte allerdings, ob sie angesichts der Rundenlänge von etwa 2,9 km es schaffen könnte innerhalb dieser Zeit jeweils eine Runde zu bewältigen. Immerhin wären dazu gut 6 km/h nötig und nach meinen Erfahrungen aus Potsdam und Döbeln meinte ich bequem neben der Pferdebahn her laufen zu können. Ich ging ihr also entgegen und bereits an der ersten Ecke kam sie auch schon auf mich zu.

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Die Pferdebahn bog in die Luckenberger Straße ein und gab "Gas"

An dieser Stelle mussten die Pferde ihren Wagen nun ein wenig bergauf ziehen, da es hier über eine Havelbrücke hinüber geht. Sie begannen zu traben, was ich bisher noch bei keiner Pferdebahn erlebt hatte. Ich machte Fotos, die Bahn fuhr vorbei und ich konnte nur noch hinterher schauen. Die Brücke hinunter ging es flott, am Betriebshof hielt sie kurz, aber bevor ich dort hin kam, fuhr sie auch schon weiter.
Ich begab mich nun auf den Weg quer durch die Stadt, um diese Runde ein wenig abzukürzen und die Bahn an anderer Stelle zu erreichen, doch auch dort sah ich sie kurz bevor ich ihre Strecke erreichte gerade noch vorbeifahren. Daraufhin machte ich sofort kehrt und begab mich zum Steintor, wohin sie nach meiner nun neu aufgestellten Rechnung lang genug brauchen müsste.

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Während ich am Steintor auf die Pferdebahn wartete, spielte ich ein wenig mit dem Schatten meiner Füße. Es sieht zwar aus, als würde ein Zeh fehlen, ich kann aber versichern: Er ist noch dran.

Hier dauerte es nun aber lange, bis die Bahn kam. Auf dem angenehmen Kleinsteinpflaster ging ich ein wenig auf und ab, bis endlich die Bahn kam. Inzwischen war mir klar, dass sie tatsächlich nach Fahrplan fährt und Dank ihre flotten Tempos am Nikolaiplatz sogar eine Pause einlegen würde.
Ich begab mich zur Haltestelle und hoffte, dass die Pferdebahn auch hielt. Das tat sie auch. Es war schließlich eindeutig, dass ich nur auf die Pferdebahn warten konnte, da diese Haltestelle sonntags ansonsten gar nicht bedient wird. Es ging dann in recht flottem Tempo durch die Steinstraße zum Neustädter Markt, wo die Bahn in die Fußgängerzone einbog. Die Neustadt in Brandenburg ist übrigens nur etwa 20 Jahre jünger als die mittelalterliche Altstadt, wodurch dieser Name nicht unbedingt nachvollziehbar erscheint.

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Mit der Pferdebahn ging es durch die Hauptstraße in der Neustadt. Der Aussichtsturm im Hintergrund wurde 1974 anlässlich des 25. Jahrestages der DDR eingeweiht und konnte nun seinen 33 Geburtstag feiern, was er aber wohl nicht tat.

Durch die Fußgängerzone fuhr man dann doch etwas gemütlicher, bis man sich der Jahrtausendbrücke über die Havel näherte. In flotter Fahrt ging es dann über den Buckel, den diese Brücke erzeugt, bevor wir weiter durch die enge Ritterstraße fuhren. Nun haben wir auch die Neustadt verlassen und befinden uns in der Altstadt. So schnell die Pferdebahn aber auch fuhr, die moderne Straßenbahn war etwas schneller und holte uns ein.

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Auf dem Bürgersteig in der Ritterstraße wird es schon recht eng, wenn die Straßenbahn vorbei fährt. Sonntags fährt sie aber nur alle halbe Stunde, weshalb für die Pferdebahn eigentlich genug Zeit gewesen wäre, um zwischen zwei planmäßigen Zügen diese Strecke zu bewältigen.

An der Ecke zur Plauer Straße mussten wir eine Weile auf die Ampel warten. Natürlich kamen wir nicht schnell genug herum, um auch die planmäßige Bahn mit abbiegen lassen zu können, so dass sie noch länger arten musste. Sie holte uns aber bald wieder ein.

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In der Plauer Straße wird der Plauer Turm sichtbar. Hier befand sich einst das Plauer Tor.

Nach Vorbeifahrt am Plauer Turm erreichten wir den Nikolaiplatz, wo bereits eine Gruppe von Fotografen an der Weiche Position bezogen hatte, wo gleich die moderne Bahn an der Pferdebahn vorbeikommen wird. Dieses Foto hätte ich auch gerne gemacht, aber die ich in der Pferdebahn war, ging das natürlich nicht. (Noch nicht)
Am Nikolaiplatz verlies ich die Bahn. Ich fragte den Fahrer, ob es nach der nächsten runde erneut eine Möglichkeit gäbe, die beiden so unterschiedlichen Bahnen nebeneinander auf ein Bild zu bekommen, worauf er meinte, er wolle es versuchen.
Der Fahrer war übrigens der einzige in Brandenburg, dem meine Barfüssigkeit eine Erwähnung wert war. Er fragte mich, ob man mir ein Paar Schuhe kaufen sollte, worauf ich erwiderte, dass ich so was nicht brauche, wie man ja sieht. Ich erwähnte noch, dass es viel schöner sei barfuß zu laufen, wir plauderten noch kurz nett, dann musste er weiterfahren.
Ich nutzte die Zeit bis zu seiner Rückkehr um einen Döner zu essen, was ich allerdings nicht ganz schaffte. Auf der nächsten Runde war es sogar so flott, dass ihn die nachfolgende Straßenbahn nicht einholen konnte. Darüber äußerte ich ihm gegenüber mein Bedauern und bat ihn auf der nächsten Runde seine Pferde ein wenig zu schonen.
Nach einer weiteren knappen halben Stunde gelang es dann endlich.

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Die Schaffnerin der Pferdebahn stellt die Weiche am Nikolaiplatz, um ihren Wagen abbiegen zu lassen. Hinterher musste stellte sie diese auch wieder zurück, obwohl das der Straßenbahnfahrer auch selbst hätte tun können.

Der Pferdebahnwagen fuhr nur so wenig wie möglich über die Weiche und blieb noch mitten auf der Kreuzung stehen, so dass Autofahrer nicht vorbeikamen! Dadurch waren optimale Fotobedingungen geschaffen. Der moderne Straßenbahnwagen kam vorbei und dieses Bild entstand:

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Eine halbe Stunde vorher wäre es zwar noch ein werbefreier Niederflurwagen neben der Pferdebahn gewesen, aber dieses ist dafür wenigstens wieder der selbe Wagen, den wir auch auf meiner Fahrt hinter uns hatten. Der Fahrer konnte sich also schon an seine Unpünktlichkeit gewöhnen. :-)

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Dieser Wagen hätte mir allerdings besser gefallen.

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In der Neuendorfer Straße gelang noch ein gutes Bild vom 1894 erbauten Pferdebahnwagen Nr. 133, den man sich extra aus Naumburg geliehen hatte und der bis 1986 in Neuchatel beheimatet war.

Ich begab mich nun schnell wieder zu meinem Auto, das ich am Betriebshof abgestellt hatte und mit dem ich schneller als die Pferdebahn am Neustädter Markt sein wollte, um dort auch noch Fotos zu machen. Das gelang auch. Hier, in der Neustadt, konnte ich sogar eine Weile neben der Pferdebahn herlaufen, was mir einige Fotos ermöglichte.

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Die Pferdebahn in der Fußgängerzone Hauptstraße

Überall vorhandenes Kopfsteinpflaster lässt jedenfalls keine Wünsche offen, was die Barfußqualität von Brandenburg (Havel) betrifft.
Ich verließ diese schöne Stadt wieder und fuhr entlang der B1 in Richtung Werder, als ich mich entschlossen habe für künftige Barfußwanderungen noch ein wenig die Gegend um die Götzer Berge zu erkunden. Dabei entdeckte ich einen wunderbar sandigen Hang, den ich sicher noch öfter genießen werde.

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Sandflächen an den Götzer Bergen

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Hier muss man einfach barfuß sein! :-)

Nachdem ich so das letzte Abendlicht genossen hatte, fuhr ich wieder nach Hause. Ein wunderbarer Tag mit strahlendem Sonnenschein ging zu Ende.

Viele Grüße

Ulrich

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