Barfuß in Erstfeld am letzten Samstag (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 11.09.2007, 12:51 (vor 6219 Tagen)

Samstag, 8.9.2007: Ein komplett barfüßiges Wochenende stand bevor. Einerseits wollte ich die Nacht im Freien verbringen, andererseits aber nicht allzu viel Gepäck mitnehmen. Zum Glück paßte der Schlafsack in meinen Rucksack, den ich auch im Juli bei der Barfußwanderung im Elbsandsteingebirge trug. Das führte dazu, daß ich auf anderen "Otff-topic-Ballast" wie Regenjacke, Wollpullover und Notschuhe verzichten mußte. Bei nur 10°C radelte ich barfuß zum Bahnhof, gegen 5.30 Uhr sollte mein Zug fahren. Es gab nur kaum Blicke, die anderen waren wohl noch zu verschlafen. In meinem Zug waren keine Barfüßer. Wohl aber sah ich, daß kurz vor dem Einrollen in den Luzerner Bahnhof eine Frau im langsam entgegenkommenden Zug ihre nackten Füße auf dem Sitz ausgebreitet hatte. Ob sie Schuhe dabei hatte? Selbst wenn, so ist immerhin anzunehmen, daß sie ohne Socken gekommen war, und das ist bei 10°C doch auch nicht allzu häufig. Sie trug dazu eine dicke, bis oben zugeknöpfte (oder zugereißverschlußte?) Jacke. In Luzern stieg ich in eine S-Bahn nach Erstfeld. Das was dort stattfand, war hochgradig off-topic (Eisenbahnfans bitte Link anklicken, nicht Eisenbahninteressierte bitte weiterlesen):

http://66.102.9.104/search?q=cache:ITjO-Eqa7_EJ:mct.sbb.ch/mct/reiselust/freizeit/messen_events/events/reisen-gottardo/reisen-publikumsanlass_attraktionen.htm+pers%C3%B6nlcih+drs+biasca&hl=de&ct=clnk&cd=3&gl=ch

Ich werde mich daher bemühen, mich auf die barfußspezifischen Bestandteile zu beschränken. Da ich ziemlich früh dran war, drehte ich noch eine barfüßige Runde um das Bahnhofsgelände. Im Abstand weniger Minuten kamen mir 3 Polizeifahrzeuge entgegen. Niemand war an meinen nackten Füßen interessiert. In der Innerschweiz ist Barfußlaufen weniger unüblich als im Mittelland (oder war es zumindest, bevor ich das Barfußlaufen "entdeckte").

Eine Frau mit Hund fragte mich, ob es barfuß nicht zu kalt sei. Wobei die nackten Füße vielleicht nicht der einzige Grund waren, denn auch mein T-Shirt war auch nicht unbedingt der Temperatur angepaßt. Erstfeld liegt im engen Reußtal, die Sonne kommt erst recht spät und verschwindet auch wieder früher, daher ist es dort bei ruhiger Wetterlage oft etwas kälter als in Luzern, bei Föhn dagegen kann es deutlich wärmer werden. Ich erzählte der Frau noch, was ich in Erstfeld vor hatte, und sie fand es gut, daß ich barfuß war, es wäre schließlich gesund.

Allmählich kamen immer mehr "Pufferküsser", um die Ausstellung zu besichtigen. Ich bestieg als erstes den Aussichtsturm. Treppen und Plattform waren aus Gitterrost, nicht unbedingt barfußideal, aber meine Füße waren ja noch nicht allzu stark beansprucht worden. Als ich nach einigen Fotos wieder hinunterging, fast schon hinunterlief, rief ein dick vermummtes Kind: "Der läuft ja barfuß!" "Der trainiert sicher!" antwortete der Vater.

Ich bewegte mich zwischen den ausgestellten Bahnfahrzeugen. Zwischen den Gleisen war es erstaunlich angenehm barfuß zu gehen. Der feine Schotter war nicht aufgewirbelt und Moos wuchs dazwischen. Da offensichtlich nicht allzu viele Leute zwischen den Gleisen längs latschen und andererseits Erstfeld im schattigen Tal ist, konnte das Moos überleben, zur Freude der Genußbarfüßer und zum Ärger der angehenden Fakire. Beim Überqueren von Gleisen benutze ich freilich die Schwellen oder ich trat auf die Metallteile.

Bleibt zu erwähnen, daß meine Füße nicht nur die Bodenbelege der im regulären Personenverkehr gebräuchlichen Bahnfahrzeuge zu spüren bekamen, sondern auch die Untergründe derjenigen Fahrzeuge, die man nicht alle Tage zu Gesicht (pardon: zu Fußsohle) bekommt (z.B. Güterwagen, historische Fahrzeuge, Lokomotiven). Die Unterschiede sind gewaltig. Im Innern einer Diesellokomotive kam es mir rutschig vor. In einer Dampflok holte ich mir dreckige Fußsohlen, was eigentlich nicht überrascht. Aber nach relativ kurzer Zeit war das Schwarz einem Grau gewichen.

Und noch eine weitere Überraschung (für mich): An verschiedenen mit Prellböcken versehenden Stumpfgleisen waren zusätzlich mit Sand versehene gemauerte "Kästen" postiert, diese waren mit herrlich feinem Sand verfüllt, wie der absandende Stein im Elbsandsteingebirge. Ich genoß es, immer barfuß hinüberzuhüpfen. Kein Schuhträger kam auf diese "verrückte" Idee. Dabei war es vom Vorteil für alle: Ich brauchte mich nicht durch die Menge quälen, während die anderen nicht durch mich beeinträchtigt wurden.

Es gab die Möglichkeit, mit einem alle 15 Minuten verkehrenden Omnibus zum Wasserkraftwerk Amsteg zu fahren. Der Busfahrer (seine Umgangssprache war italienisch) starrte auf meine Füße, als ich einstieg und er draußen vor dem Bus sich mit jemandem anders unterhielt, sagte aber nichts. Auch die Leute im Kraftwerk sagten nichts. Die Gänge im Fels waren angenehm barfuß begehbar und sehr kühl. Auch die Luft war kühl, fast hätte ich wärmere Oberbekleidung benötigt, jedoch keine Schuhe. Dann folgten beheizte Räume, hier war ein angenehm begehbarer Bodenbelag, fast marmorartig. An dieser Stelle muß ich gestehen, daß ich auch die nicht-arfußspezifischen Dinge im Kraftwerk interessant fand, aber das ist ja schließlich nicht verboten.

Ebenso verkehrte ein Omnibus zur Tunnelbaustelle. Extra für die Besucher hatte man einen Weg aus Feinschotter aufgeschüttet und mit Trassierband vom lehmigen Untergrund abgetrennt. Ich gebe zu, daß ich lieber auf dem Lehm gegangen wäre, zumindest barfuß (mit Schuhen natürlich nicht). Aber auch der Feinschotter war erstaunlich gut barfuß begehbar, da die Schichtdicke hoch war. Dort wo Bestandteile dieses Schotters auf Beton lagen, fühlte sich es unangenehm an. Beim Barfußgehen über diesen Feinschotter staubte es leicht, so daß die Füße auch auf der Oberseite einen leichten Grauschleier bekamen.

Mittlerweile war es sommerlich warm geworden, trotzdem sah ich keinen barfüßigen Pufferküsser. Ich entfernte mich auch weiter vom Bahnhofsgelände, um diverse Dampflokomotiven, darunter die Lok Limmat zu fotografieren. Dazu bewegte ich mich über den Wanderweg auf dem Reußdamm. Dieser ist nicht ideal barfuß begehbar, aber am Rand wuchs Gras, wenn dort nicht schon "schußbereite" Pufferküsser standen. Aber auch saftige Wiesen überquerte ich, um in gute Fotoposition zu gelangen. Wer da nicht barfuß ist, hat selber Schuld!

Erwähnen möchte ich noch die eiserne Schiebebühne, die im prallen Sonnenlicht lag. Ich empfand das Metall als angenehm unter den nackten Füßen, nicht etwa als heiß wie etwa das Eisen auf dem Schiff im Rahmen der Elbsandsteinwanderung im Juli. Es war halt nur warm in Erstfeld, nicht heiß. Als ich am eisernen Aussichtsturm vorbei kam, fragte mich der "Türmer", dessen Aufgabe es war aufzupassen, daß nicht zu viele Personen gleichzeitig oben waren, ob er mich fotografieren durfte. Offensichtlich hatte er noch nie einen Barfüßer bei einer derartigen Veranstaltung gesehen. Er durfte, und tat es auch.

Um 17 Uhr war offiziell Schluß, die Sonne war bereits hinter den Bergen verschwunden. Auch ich hatte das gesehen (und gehört bzw. gefühlt) was ich wollte. Mit dem nächsten Zug fuhr ich nach? Zofingen? Nein, nach Bellinzona!

Schöne Grüße
Michael aus Zofingen

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