Auszug aus dem ABC des Hausarztes von 1970: Wir mißhandeln unsere Füße (Hobby? Barfuß! 2)
Wir misshandeln unsere Füße
Gesund sollen unsere Füße sein, im Winter warm und im Sommer trocken, unverbildet und ohne Hühneraugen, ohne abgewichene und verkrümmte Zehen und ohne harte und schwielige Stellen auf der Fußsohle. Wie sind sie aber in Wirklichkeit? Man betrachte sich nur einmal im Sommer die schlechtgeformten Füße seiner Mitmenschen oder höre sich das Jammern über ewig kalte Füße im Winter an. In der ärztlichen Sprechstunde geben all die vielen Senkfüße, Knickfüße, Plattfüße, Frostbeulen und sonstigen Schäden ein deutliches Bild: Es ist wirklich etwas faul im Reiche der Füße; und was das Schuhwerk unseren Augen verbirgt, ist alles andere als tadellos und erfreulich.
Das muss nicht so sein!
Zuerst die immer kalten Füße. Diesen Zustand zu vermeiden oder zu beseitigen ist so einfach, dass man das Mittel hierzu in vier Wörter zusammenfassen kann, nämlich: Haltet die Füße warm! Aber das ist offenbar schwierig durchzuführen, und darum soll etwas näher darauf eingegangen werden.
Die meisten Menschen, die unter kalten Füßen leiden, glauben, es sei ihr schlechter Blutkreislauf, die schlechte Blutversorgung und eine angeborene Veranlagung, die diesen Zustand unabänderlich machen. In der Mehrzahl der Fälle aber hat der Mensch mit kalten Füßen selbst schuld an seinem Leiden. Solange man den Schuh möglichst eng wählt und nur nach dem Aussehen geht, solange der dünne Seidenstrumpf Trumpf ist und man warme Socken und warme Unterwäsche aus Gründen der Eitelkeit lieber nicht trägt, solange hat man natürlich kalte Füße und muss drunter leiden. Wenn man warme Füße haben will, muss man ein Paar Schuhe tragen, die mindestens eine Nummer größer sind, als man zu haben meint. Es hat gar keinen Sinn, warme Socken anzuziehen, wenn man Schuhe trägt, die zu eng sind. Dadurch verschlimmert man das Übel nur, denn nun presst der Schuh mit den dicken Socken den Fuß und damit seinen Blutkreislauf zusammen; so wird die Blutversorgung eher gehemmt als gefördert. Wichtig ist es, die Füße gar nicht erst kalt werden zu lassen, wenn man morgens warm aus dem Bett kommt.
Unsere Schuhe, die wir tragen, sind ein Kapitel für sich. Der moderne Großstadtmensch, der beinahe nur bekleidete Füße zu Gesicht bekommt, bildet sich ein, der Fuß habe die gleiche Form wie der Schuh. Er sucht sich die Schuhe aus, die er schön findet. Man wird unglücklicherweise in modernen Schuhgeschäften mittels Röntgendurchleuchtung davon überzeugt, wie gut der Fuß in den Schuh passt, wobei man aber nie das Durchleuchtungsbild des unbekleideten Fußes zum Vergleich daneben zeigt.
Der völlig normale Fuß ist nur da zu sehen, wo ausschließlich barfuß gelaufen wird, nämlich bei den Naturvölkern. Über deren schwebend elastischen und schönen Gang haben wir uns schon oft freuen dürfen. Beim Barfußgehen werden die vier letzten Zehen doppelt oder sogar dreimal so kräftig entwickelt wie beim Gehen in Fußbekleidung. Darum kann nicht oft und energisch genug darauf hingewiesen werden, dass man so viel wie möglich barfuß gehen sollte. Nur so wird der Fuß wenigstens einigermaßen normal und arbeitsfähig erhalten bleiben. Besonders Kinder sollten den ganzen Sommer über barfuß laufen.
Dass durch ungeeignete Fußbekleidung überall Hühneraugen, Hautverhärtungen, schiefe und oft eingewachsene Nägel entstehen und dass die Haut der Füße nicht genügend ausdünsten kann, sei nur am Rande vermerkt. Auch aus diesem Grunde sollte möglichst viel barfuß gelaufen werden.
QUELLENANGABEN
Verlag: Herder
Titel: ABC des Hausarztes
Autor und Arzt: Guido Möring
Erscheinungsdatum: 1970
Seiten 135 und 136