"Propeller- und Rotorenküsser" in Olten (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Monday, 20.08.2007, 12:33 (vor 6306 Tagen)

Olten ist einer alte Eisenbahnerstadt und war auch schon manches Mal Austragungsort für Veranstaltungen, die das Herz eines "Pufferküssers" höher schlagen läßt. Am letzten Wochenende kamen jedoch die "Propeller- und Rotorenküsser" auf ihre Kosten. Es fand nämlich eine Airshow statt:

http://www.airshow-olten.ch/

Von der Veranstaltung wußte ich nichts, erst am Samstag erfuhr ich davon in den Verkehrsnachrichten, daß dort mit Mehrverkehr zu rechnen sei. Ich schenkte der Sache auch nicht allzu viel Beachtung. Bei dem schönen Wetter radelte ich (selbstverständlich barfuß) an die Aare zum Baden. Das Hochwasser war nur teilweise zurückgegangen, der Strand war daher kleiner, und überall lag Treibholz. Ich war unter anderem damit beschäftigt, störendes Holz in die Aare zu befördern, und das geht barfuß natürlich am besten. Das Veranstaltungsgelände war vielleicht 5 km Luftlinie entfernt, aber dazwischen lag der "Born", ein bewaldetet Höhenzug. Aber ab und zu kamen ein paar Flugzeuge, darunter auch die legendäre Ju 52 ("Tante Ju") in Sicht.

Am Sonntag sollte es laut Wetterbericht nur teilweise sonnig werden und ab Mittag wäre mit Regen zu rechnen. Da ich nicht mit Badewetter rechnete, andererseits aber auch nicht zu Hause bleiben wollte, radelte ich am Morgen in Richtung Olten, selbstverständlich auch diesmal barfuß (und ohne Schuhe im Gepäck). Eigentlich wollte ich den signalisierten Veloweg Richtung Westen benutzen, aber dieser war gesperrt wegen der Flugveranstaltung. Überall Leute, die den Verkehr zu den Parkplätzen regelten. 5 SFr mußten die Autofahrer bezahlen für den Abstellplatz, eigentlich recht happig. Also wählte ich einen anderen Weg, entlang am Ufer der Dünnern. Von hier führte ein beschilderter Weg zu einem Veloabstellplatz, aber auch Fußgänger gingen den Weg. Keiner beachtete meine Barfüßigkeit.

Ich konnte mich nicht durchringen, mein Velo dort abzustellen und das Veranstaltungsgelände zu betreten. Hatte ich etwa Angst, daß man mich wegen barfuß zurückweisen würde? Nein! Aber ich hatte Angst, daß jederzeit heftiger Regen einsetzen könnte, in einer Stunde? In 3 Stunden? In 5 Stunden? Eine Flugshow im Regen beobachten bringt sicher keinen Spaß. Und bei einsetzendem Regen den Platz verlassen, möglicherweise bereits eine Stunde nach Veranstaltungsbeginn? Dazu war mir das Eintrittsgeld von 18 SFr doch zu hoch.

Also radelte ich weiter nach Wangen bei Olten, um dort hinauf zum Born zu fahren. Wo der Wald beginnt und die Wiese endet, stellte ich mein Velo ab. Hier hatte ich einen erhöhten Aussichtspunkt auf das Fluggeschehen. Man konnte zwar die Starts und Landungen der "tollkühnen Männer (oder auch Frauen?) in ihren fliegenden Kisten" nicht hautnah miterleben, aber der Platz hatte auch Vorteile: Einmal konnte man bei einsetzendem Platzregen unter Bäumen Schutz finden, was die Leute unten nicht konnten (keine überdachten Tribünen). Dann konnte ich die Flugzeuge und Helikopter vor der Kulisse des Juras sehen mit der Sonne im Rücken, die Zuschauer unten vor der Kulisse des Borns, geblendet von der Sonne. Ich konnte meine Füße mit saftigem Gras und blühendem Klee mit einigen Bienen verwöhnen, ich weiß nicht wie es unten war. Und die Tatsache, daß die Bahnlinie Olten Solothurn auch in Sichtweite war und ich die verschiedensten Züge mitbekommen konnte, ist nicht zu verachten.

Etwa 15 Minuten, nachdem ich diesen Platz erreicht hatte, begann der offizielle Start. Zwei Helikopter unternahmen ständig kurze Rundflüge, wobei sie die Jurakrete überflogen. Die Flugzeuge kurvten ebenfalls herum, nicht selten flogen sie direkt über mir. Sogar die "fliegende Wellblechkiste" (ein weniger schhmeichelhafter Ausdruck für die Ju 52 als die ehrwürdige Bezeichnung "Tante Ju") flog mit lautstarkem Getöse über mich hinweg. Auch Gleitschirmspringer wurden aus einem Flugzeug gelassen. Als einmal weniger Betrieb war, wanderte ich am Waldrand über die Wiese, hier war das Gras noch naß und somit sehr gut barfuß begehbar. Dann folgte ich einem Trampelpfad durch den Wald nach oben, bis ich auf einen offiziellen Wanderweg stieß. Dann folgte ich einer Asphaltstraße, vorbei an einem Steinbruch. Mir kamen Leute entgegen, aber niemand schien erstaunt zu sein. Wohin ich auch ging, ich fand keinen günstigeren Aussichtspunkt, also wanderte ich zurück zu dem Platz, wo mein Velo stand.

Ich war natürlich nicht der einzige, der diesen gebührenfreien Aussichtspunkt fand. Manch ein Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger kam den Weg hoch (oder kam von "hinten"), um sich dort mehr oder weniger lange aufzuhalten. Wanderschuhe (mit Socken), Turnschuhe (meist mit Socken) und Sandalen (häufig ohne Socken) dienten als häufige Fußbekleidung der anderen. Einige Frauen (keine Männer und Kinder) entledigten sich beim Sitzen im Gras ihrer Schuhe, zogen sie aber sofort wieder an, wenn sie auch nur ein paar Meter gingen.

Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Eine Frau nahm ihre Schuhe in die Hand und ging barfuß etwas 200 Meter über die Wiese, um sich dort hinzusetzen (ihre Begleiter blieben fett beschuht). Als sie nach Stunden zurückkam, war sie immer noch barfuß. Als sie aber den asphaltierten Weg, auf dem einige Steinchen lagen) überquerte, um zum Auto zu kommen, zog sie ihre Sandalen an, ohne die Riemen zu verschließen. Und was tat sie auf dem Beifahrersitz? Leider nicht die Schuhe wieder ausziehen, sondern die Schuhe ordnungsgemäß zu verschließen. Hatte sie etwa Angst, daß Barfuß "Autobeifahren" verboten ist?

Und noch eine Ausnahme. Zwei junge Männer, vermutlich Brüder, kamen mit Fahrrädern den Weg hoch. Beide waren sommerlich gekleidet. Der eine hatte ein Mountainbike mit fies gezinkten Pedalen, er trug Sandalen ohne Socken. Der andere hatte ein Rennvelo mit Vollgummipedalen (ich vermute, daß es NICHT die Originalpedalen waren), er war barfuß und hatte keinerlei Gepäck dabei. Beide stellten ihre Räder am Waldrand ab und gingen über die Wiese an einen Platz, den ich nicht einsehen konnte. Stunden später kamen sie, so wie sie waren und radelten wieder bergab.

Das Wetter hielt tatsächlich bis zum Ende der Veranstaltung, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich hatte wirklich einen barfußfreundlichen Platz am Waldrand, so daß ich es nicht bereut habe, keine 18 SFr für einen offiziellen Platz am Flugfeld hingeblättert zu haben. Auf meinen Weg zurück nach Hause sah ich noch mehrere barfüßige Kinder in Privatgärten und erwachsene Leute am Aareufer bei der Oltner Holzbrücke. Und als ich bereits zu Hause war und dabei, mein Velo in den Keller zu stellen, ging auch noch eine junge Frau ohne Schuhe und ohne irgendeine Tasche durch die Straße, in der ich wohne. Es geschehen doch noch Wunder in unserem sonst so verspießerten Städtchen.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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