Individualisten und die böse Mode (Hobby? Barfuß! 2)

Ein Barfussfan, Thursday, 16.08.2007, 11:12 (vor 6311 Tagen) @ Jan (NRW)

Hallo liebe Barfüssler

Trends kommen und gehen mit der Mode, die von aussen gemacht wird. Und das ist nichts wirklich eigenes, individuelles und persönliches, was aus den Menschen selbst hervorgeht.

Ich habe gerade diesen Thread gelesen und ich finde es amüsant wie sehr sich hier einige voller Ehrgeiz auf ihren Individualismus berufen und Modetrends negieren. Ein richtiger Barfüssler hat natürlich seine Lebensart voll und ganz selbst erfunden und würde sich nie dazu herablassen, einer kapitalistisch motivierten Modeströmung zu folgen.

Aber ob ihr es wahrhaben wollt oder nicht. Der Mensch ist nun mal ein Herdentier und die Gruppendynamik spielt weit mehr als jeder Individualist zugeben will. Wir alle folgen Modeströmungen, ohne es zu merken. Die beste Werbung gibt sich nicht als Werbung zu erkennen sondern lässt die Leute glauben, es sei ihre eigene Idee gewesen.

Aber auch den grossen Konzernen gelingt es nicht immer, Modetrends auf dem Reissbrett zu entwerfen und in der Gesellschaft durchzudrücken. Es gab auch dort, wo genug Geld ist, immer wieder millionenschwere Flops. In der Gesellschaft gibt es Strömungen und Pendelbewegungen, gegen die man nur schwer ankommt. Zur Flowerpowerzeit lehnten sich die Hippies gegen die US-Regierung, gegen ihre konservativen Familienwerte und gegen den Vietnamkrieg auf. Dazu kam noch die Bewusstseinserweiterung durch LSD, die viel in der Musik und Mode bewirkte. Man suchte in der Kleidung Möglichkeiten, Freiheit und Unkonventionalität auszudrücken. Barfuss zu sein, war ein Ausdruck dieser Freiheit und passte in die Zeit.

Heute schlägt das Pendel (leider) in eine andere Richtung. Seit 9/11 geht es nur noch um Angst und Sicherheit. Man investiert wieder Millionen in Polizei und Überwachung. Die Leute verstecken sich hinter Konventionen und suchen nach Vorschriften, die ihnen sagen, wie sie leben sollen. Totalitäre Organisationen, Parteien und Sekten haben Hochkonjunktur, die Mode wird immer prüder, Andersartige werden ausgegrenzt, man hat Angst vor allem Fremden. Insbesondere die Jugendlichen stehen unter einem starken Druck, in sein zu müssen.

Vielen Leuten ist unterdessen jedoch aufgefallen, dass mehr Sicherheit durch immer weitere Einschränkungen der persönlichen Freiheit auch nicht mehr Lebensqualität bringt. In den USA heisst es schon seit Jahren überall "For your safety: no bare feet" und "Do not", "Do not", "Do not". Viele möchten aus der regulierten Welt ausbrechen, trauen sich aber nicht, aufzufallen.

Grosse Modekonzerne bezahlen teure Trendscouts, um Trends in der Bevölkerung aufzuspüren, solange sie noch ganz neu sind, um früh einsteigen und den Trend zu einem Massenhype aufbauen zu können. Aber gegen die starken Strömungen der Gesellschaft werden sie sich kaum richten. Vielleicht sucht mal ein kleineres Modelabel nach einer Marktlücke und machmal wird ein grosser Erfolg daraus...

Ich glaube aber eher, dass der Zeitungsartikel über den vermeindlichen "Modetrend 2008 Barfuss" ein netter Vorstoss eines freiheitsliebenden Redaktors ist. Eine willkommene Hilfe für alle, die eine Ausrede brauchen, um das zu tun, was sie vielleicht schon immer wollten. Als Barfussfans sollten wir dankbar sein, diese Idee aufgreifen und den Trend unterstützen, auch wenn es vielleicht nur ein Scheintrend ist. Wenn genügend Leute dran glauben und sich trauen, mitzumachen, kann sich vielleicht tatsächlich ein richtiger Trend draus entwickeln, denn die Gesellschaft ist heute bald wieder in einer ähnlichen Situation wie Ende der 50er, als viele aus den Konventionen ausbrechen wollten. Und wenn tatsächlich einmal 5% der Menschen an schönen Sommertagen barfuss laufen, bin ich wohl der Letzte, der sich über diesen "von oben herab diktierten Modetrend" aufregt.

LG
K.


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