17. Urlaubstag: Gmünden - Hetzbach (Hobby? Barfuß! 2)
Sonntag, 22.7.2007: Ich hatte eine Nacht unter der Main-Eisenbahnbrücke bei Gemünden verbracht. Nach einer regereichen Nacht war es nun trocken, nun ging es weiter mit dem Velo, selbstverständlich barfuß. Ich folgte dem Main-Radwanderweg am Südufer, bei Lohr ging es auf der anderen Seite weiter. Teilweise führte der Radweg auch auf dem ehemaligen Bahndamm der längst stillgelegte Strecke Lohr-Wertheim, aber leider nur teilweise (ein Radweg durch den Schloßbergtunnel bei Wertheim wäre sicher interessant).
Hinter Lohr überholte ich eine mindestens 20-köpfige Radfahrergruppe (keine Rennfahrer, sondern welche mit Gepäck), war recht mühsam, weil sie meist nebeneinander fuhren. Nachdem einer widerwillig Platz machte, hörte ich ihn zu einem anderen sagen: "Radfahren ohne Schuhe ist bodenloser Leichtsinn. Das ist doch sicher verboten. Am liebsten würde ich die Polizei rufen!" Darauf ein anderer: "Wenn wir die nächste Pause machen, kannst du es ja tun..." Mehr verstand ich nicht, da ich zu weit entfernt war.
Über Marktheidenfeld kam ich nach Wertheim. Ich schob das Rad durch die Fußgängerzone, die durchaus barfußfreundlich war. Es fanden offizielle Stadtführungen statt, nicht nur auf deutsch. Wenn ich mein Rad an einer solchen Gruppe vorbei schob, gab es keine Glotzaugen oder böse Kommentare. Auch ein Polizist, der zu Fuß in der Altstadt war, sagte nichts zu meiner Aufmachung (demnach hat der Radfahrer bei Lohr doch nicht die Polizei gerufen, oder war die Meldung noch nicht bis zu diesem Wertheimer Beamten durchgedrungen?). Ein Vater war mit seiner kleinen Tochter unterwegs. Während ich das Rad durch die Stadt schob, sagte das Mädchen: "Wieso hat der keine Schuhe und kein T-Shirt an?" Worauf der Vater antwortete: "Dem ist es sicher zu heiß zum Radfahren!"
Ich folgte weiter dem Radwanderweg, der dem kurvenreichen Main folgte. Es waren viele Radwanderer unterwegs, alle durchweg mit Schuhen (häufig Sandalen, teils ohne, teils mit Socken). Dagegen waren einige Leute in den Grünanlagen und recht viele auf den Booten barfuß. Der Wind kam meistens von vorne, so daß das Fahren anstrengend war. Einmal fand ich eine Stelle, an der herrliche Brombeeren wuchsen. Ich trat mir zwar keine Dornen in die Füße, jedoch verkratzte ich mir beim Ernten die Arme.
Ich erreichte die sehenswerte Stadt Miltenberg. Hier war viel Autoverkehr auf den Straßen und viel Fußgängerverkehr am Mainufer. Auch in der Altstadt war viel Betrieb. Unter anderen stieß ich auf einen Brunnen mit den Düsen im Boden (also ähnlich dem auf dem Berner Bundesplatz oder in Dresden-Neustadt). Hier in Miltenberg ging jedoch nur ein Mädchen barfuß dadurch, einige Knaben trugen fettes Schuhwerk. Als der Vater des Mädchens zum Aufbruch mahnte und es mit Sandalen und Socken in der Hand weggehen wollte, rief der Vater: "Du kannst doch nicht barfuß durch die Stadt gehen! Da liegen überall Scherben." Als es die Sandalen anziehen wollte, befahl der Vater: "Die Socken ziehst du auch an. Oder willst du dir Blasen holen?" Als das Mädchen protestierte und auf meine nackten Füße zeigte, sagte der Vater: "So sieht es aus, wenn man keine Schuhe trägt, überall Blut und Haut, die in Fetzen hängt! Willst du deine zarten Füßchen so ruinieren?" Wortlos gehorchte das Mädchen dem Sattelbefehl des überfürsorglichen Vaters und zog Socken und Schuhe an. Was meine Füße anbelangte. Das Blut kam daher, weil ich einen Mückenstich aufgekratzt hatte, und die "zerfetzte Haut" waren die Reste eines Sonnenbrandes.
In Miltenberg hieß es Abschied nehmen vom schönen Main, es ging weiter in Richtung Amorbach. In der Nähe eines Bahnüberganges hörte ich es tuten. Ich sah etliche mit Kameras aller Preisklassen ausgerüstete Leute, die teilweise auch erhöhte Positionen (z.B. Telefonkästen) bezogen hatten. Es waren Pufferküsser (die genaue Kategorisierung, soweit es überhaupt eine gibt, überlasse ich den Leuten vom Fach), allesamt fett beschuht. ich vermutete einen Dampfzug mit historischen Personenwagen. Aber es war nur eine Diesellok mit einigen, wenn auch nicht alltäglichen Güterwagen. Der Radwanderweg führte parallel zum Gleis, aber bergauf. Obwohl der Zug im Vergleich zum ICE nicht gerade schnell fuhr, konnte ich im Tempo nicht mithalten.
Ziemlich ausgepumpt kam ich am Bahnhof in Amorbach an. Hier kam ein Regelzug an. Ganze 2 Fahrgäste stiegen aus und betrachteten mich kopfschüttelnd. Hier im Schatten des Bahnhofsgebäudes und somit vor der sengenden Sonne geschützt tankte ich Energie, bevor ich weiter fuhr. Denn vor mir lag eine Strecke mit fieser Steigung. Als ich den höchsten Punkt erreicht hatte, war ich ziemlich ausgelaugt. Beim Fahren mit viel Gepäck spürt man bergauf sehr wohl, wenn man barfuß ist, auch mit ansonsten barfußfreundlichen Pedalen. Oder täusche ich mich da? Um es genau zu erfahren, müßte ich dieselbe Strecke einmal mit und einmal ohne Schuhe befahren. Aber so genau will ich es gar nicht wissen. Dafür fahre ich viel zu ungern mit Schuhen Velo, und für steigungsreiche Strecken bin ich auch nicht zu haben.
Dafür ging es danach überwiegend bergab, nach Michelstadt. Diese Stadt ist wirklich sehenswert, besonders das Fachwerk-Rathaus mit den eigenwilligen Türmchen (da Eugen recht hat, erscheint hier kein ergoogeltes Bild). Hier registrierte ich keine, aber auch wirklich keine Bemerkungen zu meiner Aufmachung. Die Stadt ist wirklich sehenswert, das Pflaster ist barfußfreundlich. Und interessant ist auch das "Bächle". Aus einem Siel kommt Wasser, das dann in einer Rinne im Straßenraum bergab fließt, um dann wieder irgendwo im Boden zu verschwinden. Selbstverständlich ließ ich es mir nicht nehmen, barfuß durch das Wasser zu waten und mein Velo auf dem Trocknen neben mir her zu schieben, bevor ich mich auf eine Bank setzte. Ich hatte ja Zeit. Ich wollte ja am Nachmittag des nächsten Tages (und nicht früher) in Sinsheim sein, und so weit war es von Michelstadt ja auch nicht mehr.
Der Bach hatte es nicht nur mir angetan. Eine Frau, die ihr Auto abstellte, stieg aus, zog ihre Flipflops aus, ging ein Stück durchs Wasser, um danach die Schuh wieder anzuziehen. Eine Gruppe Kinder kam. Ein Junge trug nur Socken und keine Schuhe, er hüpfte immer über den Bach, während ein Mädchen samt Sandalen (ohne Socken) durchs Wasser schritt. Unabhängig davon ging ein Mädchen barfuß durchs Wasser. Was heißt hier "ging"? Es hüpfte regelrecht durchs Wasser, daß es nur so spritzte. Und größeren Schaden an der Kleidung zu vermeiden, hob es den Rock etwas an. Offensichtlich gibt es nicht nur Leute, die nasse Hosensäume lästig finden, sondern auch solche, die was gegen nasse Rocksäume haben. Und wie man sieht, läßt sich das auch bewerkstelligen, ohne um Wasser einen weiten Bogen zu machen! Etwas enttäuscht war es, als die Mutter zum Aufbruch mahnte. Das Mädchen folgte barfuß der Mutter in Richtung Auto. Ob im Auto die Schuhe des Mädchens lagen. Ein paar andere Kinder wollten auch barfuß durchs Wasser gehen, aber der Vater sagte: "jetzt nicht, es ist schon spät!"
Ich verließ Michelstadt und erreichte das benachbarte Erbach. In dieser Kreisstadt war gerade Jahrmarkt, deswegen war die Hauptstraße zum Parken freigegeben worden, weiterhin gab es Staus. Beinahe hätte mich ein Autofahrer, der vermutlich längere Zeit in einer Parklücke stand und in den fließenden Verkehr einscheren wollte, angefahren. Der Fahrer (vermutlich südländischer Abstammung) pöbelte mich an: "Zieh gefälligst Schuhe an! Ich habe keine Zeit, hier ewig zu warten, nur weil du so langsam fährst!" Woher wollte der wissen, daß ich wegen fehlender Schuhe so langsam bin? Es ging etwas bergauf, ich hatte Gepäck, und bei solch einer Verkehrssituation fahre ich vorsichtiger! Und so langsam war ich auch wieder nicht. Kurze Zeit später holte ich einen Radfahrer ein, ohne Gepäck, aber mit Schuhen. Ich konnte ihn auch nicht überholen, pöbelte ihn aber nicht an (etwa wegen Tragens tempohemmender Schuhe), sondern wartete brav, bis er nach knapp 50 Metern in eine Seitenstraße einbog.
Die Strecke in Richtung Eberbach hatte es steigungsmäßig auch teilweise in sich. Und die Alternativ-Veloroute, die ich benutzte wies noch größere Steigungen auf. Ich kam an einem schönen Eisenbahnviadukt der Strecke Erbach - Eberbach vorbei, dann am Bahnhof Hetzbach-Beerfelden (von hier soll eine Stichbahn nach Beerfelden selbst geführt haben). Um einen Schlafplatz aufzusuchen, folgte ich nicht dem Weg nach Beerfelden, sondern bog nach links ab, immer bergauf. Bei einem der letzten Häusern Hetzbachs stand eine Familie vor einem Auto an der Straße, vermutlich sollte Besuch verabschiedet werden. Alle Kinder und auch einige erwachsene Männer waren barfuß, die Erwachsenen in Kombination mit langärmeliger Oberbekleidung und "nicht-infantiler" Behosung.
Immer höher kam ich. Ich erreichte den Tunnelmund des Krähberg-Tunnels, durch den die Bahn den Weg, der deutlich länger ist als die entsprechende Straßenverbindung nach Eberbach benutzt. Ich erreichte einen Parkplatz an der Straße, dort standen Leute in sommerlicher Wanderkleidung vor dem Auto, mittlerweile dämmerte es. Einer sagte: "Da haben Sie sich aber noch viel vorgenommen. Es geht immer mehr bergauf. Und ohne Schuhe, find ich stark!" Hinter der nächsten Kurve stand ein Polizeifahrzeug, neben der Straße lag ein Motorrad, zwei Leute in Motorradkleidung standen neben den Polizisten. Ob es ein Unfall war? Oder eine Geschwindigkeitskontrolle?" Einfach weiterfahren, denn ich wollte nicht, daß die Beamten auf mich aufmerksam werden. Weniger wegen barfuß, sondern vor möglichen Fragen wie: "Wo wollen Sie hin?" Da hätte ich doch kaum antworten können: "Irgendwo im Wald einen Schlafplatz suchen." Nach einiger Zeit überholte mich die "Bullenschleuder" und hielt etwa 50 Meter vor mir an. Aber die Beamten wollten nichts von mir, sie wendeten nur, denn dort war ein bequemes Wenden möglich, sogar für größere Forstfahrzeuge, vorher nicht. Ich war also nicht aufgefallen, und wegen des Vorfalls bei Lohr am Morgen suchte man mich wohl auch nicht.
So konnte ich ruhig einen Schlafplatz suchen. Ich bog die nächste Forststraße ein, die ebenfalls steigungsreich war, dann in einen Weg, der nicht mehr befahrbar war, dafür barfuß gut begehbar. Dann fand ich einen ebenen Platz für den Schlafsack. Während der Nacht blieb es trocken, und es kühlte relativ stark ab.
Mein siebzehnter Urlaubstag war vorbei.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen