500 Meter in einer Stunde (Hobby? Barfuß! 2)

Descalzar, Stammposter, Saturday, 07.07.2007, 00:48 (vor 6351 Tagen)

Hi,
heute verließ ich um 17:30 nochj einmal meine Wohnung, um einen Brief einzuwerfen. Der Weg zur Post beträgt ca. 500 m.
Vor dem Haus traf ich auf meine Nachbarn, die grad von der Beerdigung der Mutter kamen. Alle waren in schwarz gekleidet und als ich mich zu ihnen stellte, um mein Beileid zu bekunden, wäre es sicher ein Bild für die Galerie gewesen. Alle schwarz und im besten Zwirn und meiner einer in, sagen wir mal, Hippieklamotten und barfuß.
Die Tochter der Verstorbenen begrüßte mich mit "Immer noch barfuß?" Ich antwortete mit "na klar".
Wir unterhielten uns lange über den Tot und die anschließenden Trauerfeiern, stellten fest, daß man nur "wegen der Leute" immer in Schwarz herumläuft und mancher Verstorbene es gern gehabt hätte, wenn die Trauergemeinschaft fröhlich und in bunten Klamotten Abschied nimmt. Die Tochter sagte noch, daß idie Verstorbene auch bunte Sachen lieber gesehen hätte, aber letztendlich hatt man sich doch für Schwarz /wegen der Leute) entschieden.
Ich führte an, daß das Leben so schnell vorbei sein kann und man sich deshalb nicht mit den Gedanken anderer allzu lang beschäftigen sollte.

Dann verabredete ich mich mit dem Lebengef#hrten der Verstornenen in naher Zukunft auf ein Glas Whisky (er ist Schotte) und ging weiter. Doch allzu weit kam ich nicht.
Meine Aufmerksamkeit wurde auf einen rioten VW-Käfer gelenkt, der mit großen bunten Blumen beklebt war. Ich hatte ihn schon öfter in meiner Straße gesehen und immer gerätselt, werd die Fahrer dieses Wagens sein mochte.
Ich brauchte nicht lang zu rätseln, denn plötzlich näherte sich eine alte Frau mit langen grauen Haaren und in bunte Tücher gekleidet. Sie lächelte mir schon aus der Entfernung zu und als sie neben mir stand, fragte ich sie, ob es ihr Wagen sei. Sie bejahte meine Frage und erklärte, daß sie ihn schon über 20 Jahre fahren würde, aber kein Geld für eine Restauration hätte. Ich entgegnete, daß es meine philosophie sei, daß auch ein Auto in Würde altern sollte, was sie mit einem lächeln quittierte. Ich sah sie mir genauer an. Sie schien um die 60 zu sein, hatte langes graues Haar und ihrem, in früheren Zeiten gwiß wunderschönem Gesicht, hatte das Leben seine Spuren hinterlassen. Ihre Zähne wiesen Lücken auf und man sah, daß ein Zahnarztbesuch wohl lange überfällig sei. Trotz allem war es für mich einer der berkenswertesten Menschen, die ich je kennengelernt habe.
Ihr Blick wanderte zu meinen Füßen und sie stellte fest: "Sie sind der Ganzjahresbarfüßer ?" Also hatte sie auch schon von mir gehört.
"Warum machen sie das ?" Ich antwortete:"Damit ich den Untergrund spüren kann uind somit eins mit der Natur bin"
Wir unterhielten uns noch ein Weilchen und ich ging meines Weges.
Als ich um die Ecke bog, versperrten 3 Personen, die sich unterhielten, mit ihren Fahrrädern den Weg. Als sie mich sahen, wollten sie Platz machen, aber ich rief ihenen zu: "Keine Panmik, keinen Streß, ich gehe außen umzu"
"Springen sie doch rüber" bekam ich zur Antwort.
"So jung bin ich auch nicht mehr" war meine Antwort
"Aber sie laufen barfuß. Das ist ja toll. Sie sind bestimmt kaum erkältet"§
Ich zählte ihnen die Vorzüge des Barfußlaufens auf und sie hörten interessiert zu. Dann erzählten sie weiter, daß sie Touristen seien und von der Offenheit der menschen in meiner Stadt sehr angetan seien. Man würde ja mit soviel interessanten Menschen sofort ins Gespräch kommen. Dann fragten sie mich, ob ich im nahegelegen Jugendzentrum arbeioten würde, oder ob ich Musiker sei.
Lachend antwortete ich, daß ich nur so aussehe, sie aber in ihren Vermutungen total falsch lagen. Dann erzählte ich ihnen noch ein paar Episoden aus der Stadtgeschichte. Sie verabschiedeten sich mit dem Hinweis, daß sie zur Feier eines Familienmitglieds in NOrdenham seien.
Dann stellte sich auch noch heraus, daß es auch noch ein ehemaliger Arbeitskollege von mir ist. Ich bat also die Leute, ihm schöne Grüße von mir auszurichten.
Sie verabschiedeten sich mit den Worten, daß sie ihn vom netten , langhaarigen Mann grüßen werdem der immer barfuß läuft.
So würde er sicherlich wissen, von wem er gegrüßt wird. Lachend verabschiedeten wir uns voneinander und als ich auf die Uhr des Postamtes sah, hatte ich tatsächlich für 500 Meter Fußweg eine Stunde gebraucht.

Gruß und Fuß,

Descalzar

BF-Reports mit tiefphilosophischem Background: Warum Repliken schwierig sind

Jay @, Stammposter, Monday, 09.07.2007, 21:18 (vor 6348 Tagen) @ Descalzar

Hi Descalzar,
denk' dir nichts dabei, wenn nur wenige was Sinnvolles 'drauf schreiben werden. Es geht nicht. Und doch sind solche Berichte aus dem BFigen Alltagsleben wie grad' der deinige meinerseits geschätzt wie eh & je - jeder, der im HBF schreibt, hat den Drang, beachtet zu werden - trotzdem ist es falsch, nur dann happy zu sein, wenn das eigene Post Megathreads mit Replikenlawinen losgetreten hat. Das Rindvieh des menschlichen Unterbewußtseins strebt allerdings genau danach - stimmt´s? Würde man als Antwort Artigkeiten schreiben: "Ein netter, schöner Bericht" - was bringt das? Das vorliegende Beispiel kann demonstrieren, wie wenig bis 0 sich eigentlich 'drauf schreiben läßt - dennoch: Bitte weiter so schreiben, wenn sich irgend'was Besonderes außerhalb des tristen Alltagsrahmens ereignet. Für mich liegt auf jeden Fall einer der Lektüre-Schwerpunktreize dieses Forums in den Alltagsberichten.
--

Hi,

heute verließ ich um 17:30 noch einmal meine Wohnung, um einen Brief einzuwerfen. Der Weg zur Post beträgt ca. 500 m.
Vor dem Haus traf ich auf meine Nachbarn, die grad von der Beerdigung der Mutter kamen. Alle waren in schwarz gekleidet und als ich mich zu ihnen stellte, um mein Beileid zu bekunden, wäre es sicher ein Bild für die Galerie gewesen. Alle schwarz und im besten Zwirn und meiner einer in, sagen wir mal, Hippieklamotten und barfuß.
Die Tochter der Verstorbenen begrüßte mich mit "Immer noch barfuß?" Ich antwortete mit "na klar".
Wir unterhielten uns lange über den Tod und die anschließenden Trauerfeiern, stellten fest, daß man nur "wegen der Leute" immer in Schwarz herumläuft und mancher Verstorbene es gern gehabt hätte, wenn die Trauergemeinschaft fröhlich und in bunten Klamotten Abschied nimmt. Die Tochter sagte noch, daß die Verstorbene auch bunte Sachen lieber gesehen hätte, aber letztendlich hatt man sich doch für Schwarz /wegen der Leute) entschieden.
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Wahnsinn, diese geradezu existenzielle Angst vor Äußerlichkeiten [eben "wg. Wahrnehmung durch Dritte/'Publikum' "], noch dazu wenn eigentlich der Wille der Verstorbenen mißachtet wird! Ich hab' vor ca. 1/2 Jahr Angst gehabt, nicht mehr lange zu leben & mich für Seebestattung an der Küste von Santa Monica/CA entschieden - wenn ich sage: Kommt als IHR SELBST (& ruhig auch BF, wenn ihr Lust habt) - wer wird das wohl tun? Wahrscheinlich keiner. In allem anderen als Äußerlichkeiten darf hingegegen beim letzten Geleit des Verstorbenen jeder Stuß gemacht werden, insbesondere musikalisch. Das Gerücht, daß der Verblichene Gioachino Rossini geliebt hätte, genügte - sofort mußten Operetten für die Kirchenorgel transskribiert werden. Im Gottesdienst wirkte es zum Anlaß höchst seltsam, nur alle hatten es danach vergessen. Daß ich (war vorher noch beim 4radwaschen, geriet in einen Stau, konnte nicht mehr über zuhause fahren & Schuhe mitnehmen) hingegen BF auf der Feier war, schuf bei der Trauergemeinde bleibende Erinnerung.
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Ich führte an, daß das Leben so schnell vorbei sein kann und man sich deshalb nicht mit den Gedanken anderer allzu lang beschäftigen sollte.

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Kommt 'drauf an, was es für Gedanken sind. Es gibt Geniales, das kann man aber philosophisch jetzt nicht abhandeln, weil´s wohl auch zumeist mit BF nicht in Zusammenhang steht. Wenn alles untergehen würde, was von zwischenzeitlich Toten gedacht wurde - es gäbe keine Menschheitskultur.
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Dann verabredete ich mich mit dem Lebengefährten der Verstornenen in naher Zukunft auf ein Glas Whisky (er ist Schotte) und ging weiter. Doch allzu weit kam ich nicht.
Meine Aufmerksamkeit wurde auf einen rioten VW-Käfer gelenkt, der mit großen bunten Blumen beklebt war. Ich hatte ihn schon öfter in meiner Straße gesehen und immer gerätselt, werd die Fahrer dieses Wagens sein mochte.
Ich brauchte nicht lang zu rätseln, denn plötzlich näherte sich eine alte Frau mit langen grauen Haaren und in bunte Tücher gekleidet. Sie lächelte mir schon aus der Entfernung zu und als sie neben mir stand, fragte ich sie, ob es ihr Wagen sei. Sie bejahte meine Frage und erklärte, daß sie ihn schon über 20 Jahre fahren würde, aber kein Geld für eine Restauration hätte. >Ich entgegnete, daß es meine Philosophie sei, daß auch ein Auto in Würde altern sollte, was sie mit einem Lächeln quittierte. Ich sah sie mir genauer an. Sie schien um die 60 zu sein, hatte langes graues Haar und ihrem, in früheren Zeiten gewiß wunderschönem Gesicht, hatte das Leben seine Spuren hinterlassen. Ihre Zähne wiesen Lücken auf und man sah, daß ein Zahnarztbesuch wohl lange überfällig sei. Trotz allem war es für mich einer der berkenswertesten Menschen, die ich je kennengelernt habe.
Ihr Blick wanderte zu meinen Füßen und sie stellte fest: "Sie sind der Ganzjahresbarfüßer ?" Also hatte sie auch schon von mir gehört.
"Warum machen Sie das ?" Ich antwortete:"Damit ich den Untergrund spüren kann und somit eins mit der Natur bin"
Wir unterhielten uns noch ein Weilchen und ich ging meines Weges.
Als ich um die Ecke bog, versperrten 3 Personen, die sich unterhielten, mit ihren Fahrrädern den Weg. Als sie mich sahen, wollten sie Platz machen, aber ich rief ihenen zu: "Keine Panmik, keinen Streß, ich gehe außen umzu"
"Springen sie doch rüber" bekam ich zur Antwort.
"So jung bin ich auch nicht mehr" war meine Antwort
"Aber sie laufen barfuß. Das ist ja toll. Sie sind bestimmt kaum erkältet"
Ich zählte ihnen die Vorzüge des Barfußlaufens auf und sie hörten interessiert zu....Dann fragten sie mich, ob ich im nahegelegen Jugendzentrum arbeiten würde, oder ob ich Musiker sei.
Lachend antwortete ich, daß ich nur so aussehe, sie aber in ihren Vermutungen total falsch lagen. Dann erzählte ich ihnen noch ein paar Episoden aus der Stadtgeschichte. Sie verabschiedeten sich mit dem Hinweis, daß sie zur Feier eines Familienmitglieds in Nordenham seien.
Dann stellte sich auch noch heraus, daß es auch noch ein ehemaliger Arbeitskollege von mir ist. Ich bat also die Leute, ihm schöne Grüße von mir auszurichten.
Sie verabschiedeten sich mit den Worten, daß sie ihn vom netten, langhaarigen Mann grüßen werdem der immer barfuß läuft.
So würde er sicherlich wissen, von wem er gegrüßt wird. Lachend verabschiedeten wir uns voneinander und als ich auf die Uhr des Postamtes sah, hatte ich tatsächlich für 500 Meter Fußweg eine Stunde gebraucht.

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Es ist nun kaum möglich, nach Kenntnisnahme des Berichtes irgendwas 'drauf zu schreiben. Soll man zu ergründen versuchen, weshalb soviele aufeinanderfolgende Gesprächskontakte erfolgten? Als ich vor 33 Jahren mit BF in Freising anfing, hatte es knapp über 30 000 Einwohner, die "Welt" war kleiner & noch bedeutend mehr Leute kannten zumindest flüchtig noch bedeutend mehr andere Leute. Heute sind es 46 000, & ob allein die jetzt bedeutend größere Anonymität durch Multiplikation mit dem Faktor 1,53 entstanden ist, ist schwer zu ergründen. Den Effekt vom "stadtbekannten barfüßigen bunten Hund" kannte ich im Alter von knapp 20 Jahren sehr gut, er war wohl auch durch rege Teilnahme am Nachtleben mächtig unterstützt. Was ebenfalls 'was ausmachte: Auch wenn man [später] nur kleiner Bereichsleiter bei einem allerdings großen Arbeitgeber im Umland wird, fällt, sofern man viel in der Fa. 'rumkommt, der Bekanntheitsgrad auch bei Kollegen-/Mitarbeiterfamilien [+ deren Bekanntenkreisen] "entferntester Abteilungen" nie ganz auf 0. Der Markenzeichen-Effekt von BF als Charakteristikum einer Person ist sehr stark. Später hat sich das dann in Amerika wiederholt, eine Lokalzeitung im Silicon Valley (es war glaube ich die Sunnyvale Sun, ein Exemplar mit einem ungeheuer wilden Barfußfoto liegt irgendwo noch bei Freunden 'rum) brachte einen Bericht, wie ich BF als beste ESD-Schutzmaßnahme anwendete (das sind die winzigen Funken, die z. B. an der Türklinke nach beschuhtem Gang über bestimmte Böden überschlagen & jeden empfindlichen Chip zerstören).
Aber was soll´s, alles analysieren zu wollen. Was soll man aber sonst 'drauf schreiben außer "könnte deswegen so gewesen sein". Plus Erfahrungen durch gleiche oder ähnliche Barfuß-Erfahrungen bestätigen. Das war´s. Kreative Synthese ist schöner, lassen wir doch einfach die Geschichte wirken.
--

Dann erzählten sie weiter, daß sie Touristen seien und von der Offenheit der Menschen in meiner Stadt sehr angetan seien. Man würde ja mit soviel interessanten Menschen sofort ins Gespräch kommen.

--
Ich glaube, daß du echt in einer besonderen Welt lebst. Ohne altmodisch zu sein, scheint die Zeit bei euch in einer besseren Ära stehengeblieben zu sein. Ich meine das so: Ihr habt Verschlechterungen nicht mitgemacht, so wie ich mich Anfang der 80er NICHT von meinen langen Haaren & BF getrennt habe, weil das als Rückschritt, als reduzierten Lebensstandard empfand. Wozu täglich 1/2 Stunde früher für [Rasieren, Krawatte binden, Anzug entstauben, Schuhe putzen] aufstehen? Was soll das? Das soll Fortschritt sein? An alle Schickmickis & Yuppies: Ihr könnt mich, & ein größeres Auto als den obligat-unterwürfigen Mercedes 190 oder BMW 3er fahre ich sowieso. Wer ein asketisches Wohlfahrtsinstitut für jene, die Anpassung verlangen, sein will: Ich werde niemand daran hindern - aber laßt mich damit in Ruhe.
--

Gruß und Fuß,
Descalzar

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Die Umstände, unter denen deine hier lesbaren Beiträge entstehen, haben mich schon seit langem interessiert, ferner fielen mir schon Wildeshausen & Bremen 1991 als ungewöhnlich BF-tolerant, wenn nicht sogar betont BF-aufgeschlossen auf. Daher beschloß ich schnell, in meinem diesjährigen Sommer-Haupturlaub wieder diese Gegend aufzusuchen & diese Reise auf die Nordsee auszudehnen. Demnächst werde ich mit ein paar anderen aus dem Forum im 4 Sterne-"Hotel am Markt" in Nordenham absteigen & habe mehrere Tage für die Stadt eingeplant; falls du Bock auf ein Treffen hast, schau' einfach einmal vorbei & ich spreche gerne eine Einladung zum Dinner nach amerikanischem Gastgeberstandard aus.

Freundliche Grüße im kältesten Juli meiner BFigen Lebenserinnerungen an die mir unbekannte Nordsee, Jay

BF-Reports mit tiefphilosophischem Background: Warum Repliken schwierig sind

Descalzar, Stammposter, Monday, 09.07.2007, 22:58 (vor 6348 Tagen) @ Jay

Hi Descalzar,
denk' dir nichts dabei, wenn nur wenige was Sinnvolles 'drauf schreiben werden. Es geht nicht. Und doch sind solche Berichte aus dem BFigen Alltagsleben wie grad' der deinige meinerseits geschätzt wie eh & je - jeder, der im HBF schreibt, hat den Drang, beachtet zu werden - trotzdem ist es falsch, nur dann happy zu sein, wenn das eigene Post Megathreads mit Replikenlawinen losgetreten hat. Das Rindvieh des menschlichen Unterbewußtseins strebt allerdings genau danach - stimmt´s? Würde man als Antwort Artigkeiten schreiben: "Ein netter, schöner Bericht" - was bringt das? Das vorliegende Beispiel kann demonstrieren, wie wenig bis 0 sich eigentlich 'drauf schreiben läßt - dennoch: Bitte weiter so schreiben, wenn sich irgend'was Besonderes außerhalb des tristen Alltagsrahmens ereignet. Für mich liegt auf jeden Fall einer der Lektüre-Schwerpunktreize dieses Forums in den Alltagsberichten.

Hi Jay,
ich hatte auch nicht die Absicht einen Megalawine loszutreten. Dann hätte ich anders provoziert ;-)
Wie Du schon sagst, sind es grad die Alltagsberichte, die so manchen Zauderer in seiner Absicht bestärken, es doch mal barfuß zu versuchen.
Ich spreche aus eigener Erfahrung. Selbst hatte ich auch vor einigen Jahren Bedenken, barfuß die Wohnung zu verlassen und hab mich auch Schritt für Schritt vorgetastet. Dabei hat mir sehr dieses Forum mit den Erlebnisberichten geholfen.

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Hi,

heute verließ ich um 17:30 noch einmal meine Wohnung, um einen Brief einzuwerfen. Der Weg zur Post beträgt ca. 500 m.
Vor dem Haus traf ich auf meine Nachbarn, die grad von der Beerdigung der Mutter kamen. Alle waren in schwarz gekleidet und als ich mich zu ihnen stellte, um mein Beileid zu bekunden, wäre es sicher ein Bild für die Galerie gewesen. Alle schwarz und im besten Zwirn und meiner einer in, sagen wir mal, Hippieklamotten und barfuß.
Die Tochter der Verstorbenen begrüßte mich mit "Immer noch barfuß?" Ich antwortete mit "na klar".
Wir unterhielten uns lange über den Tod und die anschließenden Trauerfeiern, stellten fest, daß man nur "wegen der Leute" immer in Schwarz herumläuft und mancher Verstorbene es gern gehabt hätte, wenn die Trauergemeinschaft fröhlich und in bunten Klamotten Abschied nimmt. Die Tochter sagte noch, daß die Verstorbene auch bunte Sachen lieber gesehen hätte, aber letztendlich hatt man sich doch für Schwarz /wegen der Leute) entschieden.
--
Wahnsinn, diese geradezu existenzielle Angst vor Äußerlichkeiten [eben "wg. Wahrnehmung durch Dritte/'Publikum' "], noch dazu wenn eigentlich der Wille der Verstorbenen mißachtet wird! Ich hab' vor ca. 1/2 Jahr Angst gehabt, nicht mehr lange zu leben & mich für Seebestattung an der Küste von Santa Monica/CA entschieden - wenn ich sage: Kommt als IHR SELBST (& ruhig auch BF, wenn ihr Lust habt) - wer wird das wohl tun? Wahrscheinlich keiner. In allem anderen als Äußerlichkeiten darf hingegegen beim letzten Geleit des Verstorbenen jeder Stuß gemacht werden, insbesondere musikalisch. Das Gerücht, daß der Verblichene Gioachino Rossini geliebt hätte, genügte - sofort mußten Operetten für die Kirchenorgel transskribiert werden.

Schlimm finde ich persönlich auch, daß die Hinterbleibenen sich andauernd "Tine to say goodbye" für die Trauerfeier wünschen. Ich würd nochmal aus der Kiste hoppsen und den Hinterbliebenen ein paar verpassen, sollte sie es wagen, dieses Lied auf meiner Beerdigung zu dudeln. Ich finde, daß es ein Verstorbener verdient hat, daß man seine Trauerfeier auf ihn und nicht nach dem Mainstreanm ausrichtet.Für jede Person findet sich ein passendes Lied. Aber man macht es sich einfach und wünscht sich "Time to say goodbye"

Ich führte an, daß das Leben so schnell vorbei sein kann und man sich deshalb nicht mit den Gedanken anderer allzu lang beschäftigen sollte.

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Kommt 'drauf an, was es für Gedanken sind. Es gibt Geniales, das kann man aber philosophisch jetzt nicht abhandeln, weil´s wohl auch zumeist mit BF nicht in Zusammenhang steht. Wenn alles untergehen würde, was von zwischenzeitlich Toten gedacht wurde - es gäbe keine Menschheitskultur.

Naja, mit den Gedanken andrer waren ehre deren Bedenken gemeint.....

Es ist nun kaum möglich, nach Kenntnisnahme des Berichtes irgendwas 'drauf zu schreiben. Soll man zu ergründen versuchen, weshalb soviele aufeinanderfolgende Gesprächskontakte erfolgten? Als ich vor 33 Jahren mit BF in Freising anfing, hatte es knapp über 30 000 Einwohner, die "Welt" war kleiner & noch bedeutend mehr Leute kannten zumindest flüchtig noch bedeutend mehr andere Leute. Heute sind es 46 000, & ob allein die jetzt bedeutend größere Anonymität durch Multiplikation mit dem Faktor 1,53 entstanden ist, ist schwer zu ergründen. Den Effekt vom "stadtbekannten barfüßigen bunten Hund" kannte ich im Alter von knapp 20 Jahren sehr gut, er war wohl auch durch rege Teilnahme am Nachtleben mächtig unterstützt. Was ebenfalls 'was ausmachte: Auch wenn man [später] nur kleiner Bereichsleiter bei einem allerdings großen Arbeitgeber im Umland wird, fällt, sofern man viel in der Fa. 'rumkommt, der Bekanntheitsgrad auch bei Kollegen-/Mitarbeiterfamilien [+ deren Bekanntenkreisen] "entferntester Abteilungen" nie ganz auf 0. Der Markenzeichen-Effekt von BF als Charakteristikum einer Person ist sehr stark. Später hat sich das dann in Amerika wiederholt, eine Lokalzeitung im Silicon Valley (es war glaube ich die Sunnyvale Sun, ein Exemplar mit einem ungeheuer wilden Barfußfoto liegt irgendwo noch bei Freunden 'rum) brachte einen Bericht, wie ich BF als beste ESD-Schutzmaßnahme anwendete (das sind die winzigen Funken, die z. B. an der Türklinke nach beschuhtem Gang über bestimmte Böden überschlagen & jeden empfindlichen Chip zerstören).
Aber was soll´s, alles analysieren zu wollen. Was soll man aber sonst 'drauf schreiben außer "könnte deswegen so gewesen sein". Plus Erfahrungen durch gleiche oder ähnliche Barfuß-Erfahrungen bestätigen. Das war´s. Kreative Synthese ist schöner, lassen wir doch einfach die Geschichte wirken.
--

Dann erzählten sie weiter, daß sie Touristen seien und von der Offenheit der Menschen in meiner Stadt sehr angetan seien. Man würde ja mit soviel interessanten Menschen sofort ins Gespräch kommen.

--
Ich glaube, daß du echt in einer besonderen Welt lebst. Ohne altmodisch zu sein, scheint die Zeit bei euch in einer besseren Ära stehengeblieben zu sein. Ich meine das so: Ihr habt Verschlechterungen nicht mitgemacht, so wie ich mich Anfang der 80er NICHT von meinen langen Haaren & BF getrennt habe, weil das als Rückschritt, als reduzierten Lebensstandard empfand. Wozu täglich 1/2 Stunde früher für [Rasieren, Krawatte binden, Anzug entstauben, Schuhe putzen] aufstehen? Was soll das? Das soll Fortschritt sein? An alle Schickmickis & Yuppies: Ihr könnt mich, & ein größeres Auto als den obligat-unterwürfigen Mercedes 190 oder BMW 3er fahre ich sowieso. Wer ein asketisches Wohlfahrtsinstitut für jene, die Anpassung verlangen, sein will: Ich werde niemand daran hindern - aber laßt mich damit in Ruhe.

Tatsächlich ist es so, daß hier die in den 80ern aufgekeimte Yuppiewelle ebenso schnell ging, wie sie kam. Wer jetzt noch den Drang nach Schickie-Micki hat, der fährt nach Oldenburg oder Bremen. Nordenham ist und bleibt eine Arbeiter-und Seefahrerstadt und yuppies werden hier nicht glücklich. Willkommener sind hier ebben andere Exoten.
Hinzu kommt, daß diese Stadt mit ihren 28000 Einwohnern immer noch einen recht ländlichen Charakter aufweist und hier jeder jeden kennt. Und wenn man sich mal nicht kennt, dann redet man trotzdem miteinander und lernt sich kennen.
ich muß dazu auch sagen, daß ich ein Mensch bin, der gern andere und vor allem interessante Menschen kennenlernt.

Die Umstände, unter denen deine hier lesbaren Beiträge entstehen, haben mich schon seit langem interessiert, ferner fielen mir schon Wildeshausen & Bremen 1991 als ungewöhnlich BF-tolerant, wenn nicht sogar betont BF-aufgeschlossen auf. Daher beschloß ich schnell, in meinem diesjährigen Sommer-Haupturlaub wieder diese Gegend aufzusuchen & diese Reise auf die Nordsee auszudehnen. Demnächst werde ich mit ein paar anderen aus dem Forum im 4 Sterne-"Hotel am Markt" in Nordenham absteigen & habe mehrere Tage für die Stadt eingeplant; falls du Bock auf ein Treffen hast, schau' einfach einmal vorbei & ich spreche gerne eine Einladung zum Dinner nach amerikanischem Gastgeberstandard aus.

Hi Jay,
ich werd gern mal vorbeikommen. Meine Bude liegt nur 5 Minuten vom Hotel am Markt entfernt und der Tresen im dortigen Bistro ist ein idealer Ort, um Leute aus aller Welt kennenzulernen.

Gruß und Fuß,

Descalzar

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