Grüne Inseln? Inseln der Flipflops? (Hobby? Barfuß! 2)

Harald, Stammposter, Monday, 28.05.2007, 20:59 (vor 6391 Tagen)

Jetzt sind tatsächlich schon wieder zwei Monate seit meinem Urlaub auf den Kapverdischen Inseln vergangen. Ganz kurz gefasst, es war wunderschön! Es war nicht meine erste Reise in diese Inselwelt vor der Küste Westafrikas. Wie jedes Mal bin ich so richtig entspannt und glücklich zurückgekommen. Bereichert von den vielen netten Begegnungen und mit ein paar Anstößen, mein persönliches Wertesystem ein wenig zu verschieben und auf eine besser geerdete Basis zu stellen...

Jetzt aber zunächst eine Anekdote und ein wenig Hintergrundinfo. Dann geht’s zum Thema. Beim Umsteigen am Flughafen in München gibt es eine große gemeinsame Wartezone für Reisen in "Nicht-Schengen"-Länder. Ich warte auf die Boeing 757 der TACV-Cabo Verde Airlines, übrigens deren einziges Düsenflugzeug. Beim nächsten Check-in-Schalter warten die Leute auf einen Flug nach Russland. Ich höre zwei junge Frauen: "Cabo Verde? Das sind irgendwelche grünen Inseln." Ein wenig haben sie sich getäuscht. Tatsächlich sind die "Kapverden" extrem trocken, die Vegetation ist von Halbwüste mit ein wenig Dornbuschsavanne - die längste Zeit des Jahres trockenes Grasland mit wenigen Sträuchern - geprägt. Es gibt nur wenige Oasen mit Bewässerungsmöglichkeiten, dort dann Palmen, Zuckerrohr und Bananen. Der Name kommt vom Cap Vert, portugiesisch Cabo Verde, in der Nähe von Dakar, der Hauptstadt Senegals. Dort fanden die europäischen Seefahrer vergangener Jahrhunderte tatsächlich nach der langen Reise entlang der afrikanischen Westküste erstmals wieder grünes Land. Die Kapverdischen Inseln liegen dann ein paar Hundert Kilometer vor diesem Kap. Dorthin bringt der ständig wehende Passatwind ständig trockene Luft aus der Wüste Sahara im Nordosten. Dennoch gibt es genug Gründe für Reisen in die karge Inselwelt am Westrand der Sahelzone. Zunächst traumhafte Berglandschaften. Dann z.B. die Bucht von Santa Maria, wo das Wasser so klar ist, dass einem beim Schwimmen der eigene Schatten am Meeresgrund begleitet. Und schließlich die Menschen mit ihrer ganz eigenständigen Kultur, irgendwo zwischen der der ehemaligen Kolonialmacht Portugal, der westafrikanischen Küste und dem kulturellen Mix Brasiliens.

Die "Republica de Cabo Verde", unabhängig seit 1975, ist ein armes Land, auch wenn es den Menschen dank Emigration und ein bisschen Tourismus im Durchschnitt so gut geht wie noch nie. Die letzte Hungersnot gab es hier Anfang der 1970er-Jahre. Der - sehr bescheidene - Wohlstand führt zu einer unglaublichen fröhlichen Kultur. Die, ebenfalls sehr eigenständige, kapverdeanische Musik passt mit einer ganz besonderen Mischung aus Melancholie und Lebensfreude wunderbar dazu. Der Kleidungsstil ist brasilianisch leger mit einem Hauch portugiesischer Eleganz. Kurze Hosen gehören ganz selbstverständlich zum Straßenbild, nur ganz wichtige Leute tragen "formelle" Kleidung, die anderen vielleicht zur Sonntagsmesse. Alles zusammen könnte also fast ein Barfußparadies darstellen.

Tut es auch. Allerdings wie gesagt nur fast. Die Kapverden sind auch die Inseln der spitzen Steine in den Bergen. Und die des in der Mittagszeit erbarmungslos von der Sonne aufgeheizten schwarzen Sandes an den Küsten. Die Lösung besteht für die meisten Leute in Flipflops. Immer und überall. Noch nirgendwo hab ich so viele Leute mit diesen Dingern an den Füßen gesehen, noch nirgendwo sonst hab ich erlebt, dass diese Fußbekleidung so sozial akzeptiert ist. Nicht nur Marktfrauen und Schüler tragen Flipflops, ich habe z.B. sogar beim Besuch des Prämierministers auf der Insel Sao Nicolao eine recht schick gekleidete Frau in seiner Delegation selbstbewusst in Flipflops gesehen.

Ich selbst hab zum Urlaub auf den Kapverden dieses Mal keine "festen" Schuhe mitgenommen. Bergwanderungen hab ich in Trekkingsandalen unternommen, heißes Straßenpflaster in Flipflops gemeistert, und natürlich war ich auch so viel als möglich ganz barfuß unterwegs.

Und ich war auch nicht der einzige Barfüßige. Immer wieder sieht man auch Kapverdeaner ohne Schuhe an den Füßen. Meistens sind es Frauen. Schülerinnen, die beim Ballspielen in der großen Pause die Flipflops an den Rand des Schulhofs stellen. Eine Fischhändlerin, die selbstbewusst zwischen ihren Flipflops-tragenden Kolleginnen den ganzen Vormittag ohne Fußbekleidung verbringt. Alte Frauen am Weg zum Dorfladen. Manchmal auch Männer, z.B. bei der Arbeit im Zuckerrohrfeld.

Was mir gefallen hat, war der Eindruck, dass es einfach ein paar Leute gibt, die lieber auf Schuhe verzichten. Flipflops sind so billig, dass sich in der kapverdeanischen Gesellschaft, die auch keinen Bettler hungern lässt, jeder so etwas leisten kann. Ein paar verzichten gerne darauf. Wahrscheinlich ist es dieses - bei ganz abenteuerlicher Schätzung - eine Prozent der Bevölkerung, das wohl auch in Mitteleuropa am liebsten den ganzen Sommer barfuß verbringen würde. Es sich hier aber dann meistens doch nicht traut.

Ach ja, jetzt noch eine Anmerkung, was ein Urlaub auf den Kapverden mit meinem persönlichen Wertesystem zu tun hat. Erwartet euch keine großen Theorien. Es geht nur um eine gar nicht so geheimnisvolle Kraft, die von Menschen ausgeht, die ihr Leben mit einer gewissen Bescheidenheit, aber mit viel Fröhlichkeit leben. Ein wenig hab ich für mich als Mitteleuropäer dort schon eine Alternative zu einer Kultur der ständigen Ruhelosigkeit und Unzufriedenheit gefunden. Immer wieder hole ich mir da ein paar Denkanstösse, die ich dann so mehr oder weniger versuche hier und jetzt in meinem Leben zu verwirklichen.

So weit zu dem. Jetzt also an euch alle hier der Wunsch zu einem wunderbaren, geerdeten, fröhlichen Barfußsommer 2007!

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