Morgendlicher Barfussberglauf bei Regen (Hobby? Barfuß! 2)

Walter (CH) ⌂ @, Stammposter, Friday, 18.05.2007, 10:56 (vor 6336 Tagen)

04:20, ich stehe auf. Wenn ich mir einen Morgenlauf vornehme, bin ich immer rechtzeitig wach. Ein Blick durchs Fenster: Die Strasse glänzt vor Nässe! Wir werden sehen... auf jeden Fall werfe ich mich in meine Laufkleidung und die besteht nur aus Shorts. Ich trete vor die Haustür und stelle fest: Es regnet! Zum Rückzug blasen und nochmals eine Runde schlafen? Die Versuchung ist da, aber ich weiss: Nachher würde ich mich den ganzen Tag über ärgern. Also los, umkehren kann man ja immer. Die ersten Tropfen, die auf Kopf, Schultern und Rücken fallen, fühlen sich auf der bettwarmen Haut kühl an. Aber bald bin ich nass und das Tröpfeln wird angenehm.
In leichtem Trab laufe ich durchs Dorf. Zwei Frühaufsteher, die wohl zur Arbeit gehen müssen, fahren an mir vorbei. Was sie wohl über den fast nackten, barfüssigen Läufer denken? Bald verlasse ich die Strasse und biege in einen steilen Waldweg ein. Hier spüre ich den Vorteil der Nässe: Der Dauerregen hat den Boden aufgeweicht und das Kies, das ich sonst als unangenehm empfinde, ist jetzt schön elastisch. Bald erreiche ich die Hauptstrasse Nr. 3, die ich überqueren und der ich noch 50 m folgen muss. Aufgepasst! So früh am Morgen erwarten die Autofahrer keine Fussgänger! Aber ich erreiche unbehelligt das geteerte Waldsträsschen, dem ich nun folge. Es ist ja noch Nacht und die Wolken tun das ihrige, dass sich der kommende Tag noch kaum bemerkbar macht. Ich bleibe deshalb vorläufig auf dem Strässchen und lasse die ersten Abkürzungen aus. Erst in die dritte biege ich ein, immer ein wenig vorsichtig, um mir die Zehen an Steinen und Wurzeln nicht zu stossen. Ich bin nun zwar nass, aber der schnelle Aufstieg sorgt für die nötige Wärme.
Die Mittelstation der Brambrüesch-Bahn mit der beleuchteten Einfahrt kommt in Sicht. Bald verlasse ich den Weg und steige direkt über die Weide auf. Das nasskalte Gras, das mir um die Unterschenkel streicht, ist nicht unbedingt ein Hit! Nun komme ich in den Nebel hinein, die Tannen, die die Weide begrenzen, erkenne ich nur mehr schemenhaft. Nach einem kurzen Waldstück trete ich auf die Brambrüescher Maiensässe hinaus. Wieder eine Strecke durch nasses Gras. Brambrüesch, Bergstation der Seilbahn, 1600 m, 850 Höhenmeter zurückgelegt. Umkehren? Aber ich bin zeitlich gut dran, ich friere nicht, es regnet auch kaum mehr und überhaupt! Also geht es weiter, den Spundisköpfen zu. Als ich den Grat, der Brambrüesch vom Rheintal trennt, erreiche, bläst plötzlich ein scharfer Wind, angesichts meiner Nässe eine plötzliche Abkühlung. Hätte ich ein Kleidungsstück bei mir, würde ich es wohl anziehen. Zum Glück habe ich nichts dabei, so kann ich die Gelegenheit, weich zu werden, problemlos vorbeigehen lassen. Nun kommen auch erste Schneereste vom kürzlich gefallenen Neuschnee. Die Füsse beginnen gefühllos zu werden. Das macht mir keine Sorgen, denn ich werde ja bald wieder auf wärmeren Höhenlagen sein. Zudem: Gefühllose Füsse spüren auch kein Kies! Die kurzen steilen Aufstiege renne ich, um warm zu bekommen. Höchster Punkt erreicht: 1846 m, knapp 1100 Höhenmeter über dem Ausgangspunkt. Es ist punkt 6 Uhr. Die Wolken haben sich unterdessen gehoben. Ich kann einen Blick hinunter ins Rheintal tun, 1300 m in die Tiefe. Für eine Pause ist es mir zu kalt. Von nun an geht es abwärts und bis ich zu Hause bin, werde ich nur noch rennen. Ein paar hundert Meter weiter störe ich drei Gemsen ("Gämsen"!) beim Weiden. Sie rennen über die Gratschneide hinaus. Dorthin wird ihnen garantiert niemand folgen! Bei einem kleinen Weiher erreiche ich das Alpsträsschen. Ich kann es nicht verklemmen, in den Weiher hinauszuwaten. Die Versuchung, auch noch zu schwimmen, ist angesichts der geringen Tiefe und des Schlamms gering! Nun geht es an der Malixer Alp vorbei Brambrüesch entgegen, das ich auf der geteerten Strasse rennend durchquere. Dank der "tiefgekühlten" Füsse spüre ich die vielen Steinchen auf dem Teer kaum. Dann geht es wieder die Weiden hinunter. Hier muss ich etwas Vorsicht walten lassen: Auf dem nassen Gras und einzelnen schlammigen Stellen könnte man leicht ausrutschen. Es ist unterdessen natürlich längstens hell geworden und die Wolken haben sich aufgelockert. Ein Viertel nach sieben stehe ich wieder vor der Haustür, rechtzeitig, um noch schwimmen zu gehen. Die Schwimmkollegen haben sich längst daran gewöhnt, dass ich (fast) immer barfuss und nur in Shorts auftauche!

[image] Meine Bilder

Respekt, Walter! - Bist ganz ähnlich drauf wie ich.

Karl Heinz Haidlas ⌂ @, Friday, 18.05.2007, 19:38 (vor 6336 Tagen) @ Walter (CH)

Hallo Walter,

habe soeben Deinen Bericht über den morgentlichen Barfuss-Berglauf gelesen und anschliessend eine Reihe Bilder auf Deiner Homepage angeschaut.

Bis auf die traurige Tatsache dass ich zur Zeit etwas trainingsfauler und verweichlichter bin wie Du sind wir beide sehr ähnlich drauf. Und auch mein derzeitiges moralisches Abschwächeln geht hoffentlich sehr bald zu Ende - immerhin ist in 7 Wochen und 2 Tagen der Nebelhorn-Berglauf in Oberstdorf, den ich gerne wie seit Jahren barfuss mitmachen möchte.

Auch der Rest an Laufbekleidung - einzig eine Shorts ohne Hemd (wenn es nicht zu kalt ist) - ist bei mir ganz ähnlich wie bei Dir. Ich gebe hier unten einfach auch mal zu meiner Homepage den Link an.

In diesem Sinne noch sportliche Grüsse,

Karl Heinz Haidlas.

[image] http://www.allgaeuyeti.de/

Morgendlicher Barfussberglauf bei Regen

Eugen, Stammposter, Monday, 21.05.2007, 22:17 (vor 6333 Tagen) @ Walter (CH)

Hallo Walter,

diese Morgenabenteuer sind auch nach meinem Geschmack. Morgenstund hat Gold im Mund.

Ich trete vor die Haustür und stelle fest: Es regnet! Zum Rückzug blasen und nochmals eine Runde schlafen? Die Versuchung ist da, aber ich weiss: Nachher würde ich mich den ganzen Tag über ärgern. <<

Genau das ist das Problem. Man muß seinen "inneren Schweinehund" überwinden und einfach losgehen. Am letzten Wochenende habe ich es auch einmal zu Stande gebracht, früh morgens in den Wald zu radeln und auf feuchten Waldböden die nackten Füße zu entspannen. Selbst geschotterte Waldwege mit einer gewissen Steigung waren durch den starken Regen so aufgewühlt, daß man immer eine angenehme von Split frei gespülte Furche finden konnte. Die Morgenstimmungen in einem Wald sind wirklich unvergleichlich. Man spürt intensiv, dass die erlebten Augenblicke einmalig sind und sich GENAU SO NIE wiederholen werden.

In Anlehnung an einen Spruch in alten Poesiealben:

Oh nütze der Jugend schöne Stunden,
sie wissen nicht von Wiederkehr,
einmal entschlüpft, einmal entschwunden,
zurück kehrt keine Jugend mehr.

kann man vielleicht allgemeiner sagen:

Oh nütze des Morgens schöne Stunden,
sie wissen nicht von Wiederkehr,
einmal entschlüpft, einmal entschwunden,
zurück kehrt DIESE Stimmung nimmer mehr.

Grüße in die Schweiz
Eugen

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