Die Schuhkultur der Papalagis (Hobby? Barfuß! 2)

Christian (M), Friday, 11.05.2007, 09:11 (vor 6343 Tagen)

Hallo miteinander!

Wegen Zeitmangel hab ich schon eine ganze Weile schon nicht mehr ins Forum geschaut, an diesem relativ sonnigen und warmen Freitagmorgen hatt´s dann doch mal wieder geklappt.
Der Beitrag von Jerry2 hat mich echt sehr beeindruckt, wußte gar nicht, daß man sogar eine Phobie gegen seine eigenen Füße haben kann!! Naja, das wurde ja schon ausreichen durchgekaut, aber mir ist wieder mal in den Sinn gekommen, wie weit sich unsere Gesellschaft von der Natur entfernt hat, egal ob Ernährung, Einstellung zur Natur u.s.w.
Kennt ihr die Rede vom Südseehäuptling Tuiavii aus Tiavea? Er lebte vor 100 Jahren und bereiste Europa, kehrte dann zurück um sein Volk vor den Weißen, den Papalagis zu warnen. Viele kulturelle Errungenschaften der Europäer sah er als eine Sackgasse, unter anderem die Schuhe, die er so beschreibt:
"Ein Canoe für den linken und eines für den rechten Fuß. Diese Fußschiffe werden mit Schnüren und Widerhaken fest am Fußgelenk verschnürt und verknotet, sodass die Füße in einem festen Gehäuse liegen wie der Leib einer Seeschnecke.(...)Weil dies sehr unnatürlich ist, wie der Weiße wohl merkt, und weil es die Füße macht, als seien sie tot und begännen bereits zu stinken, und weil tatsächlich die meisten europäischen Füße nicht mehr greifen und einer Palme emporklettern können - deshalb sucht der Papalagi seine Torheit zu verbergen indem er seine Schuhe putze, bis sie ihn blenden würden.(...)
Es lebte einmal ein Papalagi in Europa, zu dem viele Menschen kamen, weil er ihnen sagte: "Es ist nicht gut, daß ihr so enge und schwere Häute an den Füßen trägt, geht barfuß unter dem Himmel, so lange der Tau der Nacht den Rasen bedeckt, und alle Krankheit wird von Euch weichen""
Ob er da Sebastian Kneipp gemeint hat?

Naturvölker waren also bereits vor über 100 Jahren in vielen Dingen schlauer als die "zivilisierte" Welt heute! Und deshalb wünsche ich Euch Allen eine schöne Barfußzeit und besonders auch Jerry2!

Die Schuhkultur der Papalagis

Mercator, Stammposter, Friday, 11.05.2007, 10:51 (vor 6343 Tagen) @ Christian (M)

Der Text ist lesenswert. Auch wenn sich inzwischen herausgestellt hat, dass er fiktional ist. "Ist's auch nicht wahr, so ist's doch gut gelogen..."

M.

Die Schuhkultur der Papalagis

Rolf (F), Stammposter, Friday, 11.05.2007, 17:04 (vor 6343 Tagen) @ Mercator

Der Text ist lesenswert. Auch wenn sich inzwischen herausgestellt hat, dass er fiktional ist. "Ist's auch nicht wahr, so ist's doch gut gelogen..."
M.

Fiktionale Reiseberichte, die geschrieben wurden, um dem eigenen König und/oder dem eigenen Volk einen Spiegel vorzuhalten, sind in der europäischen Kulturgeschichte üblich; die berühmtesten sind sicher die "Lettres persanes" von Montesquieu und, davon beeinflusst, die "Cartas marruecas" von Cadalso.

Rolf (F)

Die Schuhkultur der Papalagis

Eugen, Stammposter, Friday, 11.05.2007, 17:53 (vor 6343 Tagen) @ Mercator

Der Text ist lesenswert. Auch wenn sich inzwischen herausgestellt hat, dass er fiktional ist. "Ist's auch nicht wahr, so ist's doch gut gelogen..."
M.

Da dieser Text immer mal wieder hier im Forum auftaugt - einiges zur Erklärung: (siehe auch im Best of)

Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea an seine
Stammesmitglieder
sind nicht "gelogen", sondern eine fiktive
Zivilisationskritik von ERICH SCHEURMANN an der europäischen
Gesellschaft vor dem ersten Weltkrieg.

Erich Scheurmann wurde 1878 in Hamburg geboren und
starb am 1957 in Armsfeld. Scheurmann war Maler,
Schriftsteller, Dramatiker, Märchenerzähler, beschäftigte sich mit
psychologischen Randgebieten, war Puppenspieler, Lehrer und Prediger.
Im Alter von neunzehn Jahren durchwanderte er ganz Deutschland (barfuß?). Seit
1903 lebte er auf der Halbinsel Höri/Bodensee, wo er mit Hermann Hesse
und anderen zivilisationsmüden Schriftstellern zusammentraf (1904-1907).

Mit einem Vorschuß seines Verleger fuhr er 1914 nach Samoa, wo er vom
Ausbruch des 1. Weltkriegs überrascht wurde (West-Samoa: deutsche
Kolonie von 1899 - 1915). Im Herbst 1915 verließ er Samoa und fuhr in
die USA, kam aber erst kurz vor Kriegsende 1918 nach Deutschland zurück.

Die Reden des Häuptlings Tuiavii wurden wohl zwischen 1915 und
1920 von Erich Scheurmann als Zivilisationskritik
zusammengestellt und in Buchform veröffentlicht. Was viele dabei
nicht bemerkten: Die Reden sind fiktive Reden -- sie sind somit
kein echter Erfahrungsbericht eines Südseebewohners,
der in Europa gereist war und seine Erlebnisse dann aufgeschrieben
hat, was man auch an einigen Stellen merkt (z.B. interne Kenntnisse
über deutsche Geschichte und alternative Medizin: Barfußlaufen ist
gesund (Kneipp!)). Scheurmann legte somit seine
Zivilisationskritik in genialer Weise in den Mund eines
Südseehäuptlings. Bemerkbar ist dabei auch seine Begabung als
Märchenerzähler und auch als Prediger.

Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii waren insbesondere
zwischen 1970 und 1980 Kult (was ich auch noch erlebt habe).
Das Wort Papalagi (gesprochen Papalangi) bedeutet: "Der Fremde", wörtlich
jedoch: der "Himmelsdurchbrecher." Denn der erste weiße Missionar,
der in Samoa landete, kam in einem Segelschiff. Die Eingeborenen
hielten dieses weiße Segel aus der Ferne für ein Loch im Himmel, durch
das der Weiße zu Ihnen kam - er "durchbrach" sozusagen den Himmel.

Außerdem muß man wissen, dass um 1900 eine erste sehr radikale
"Jugendbewegung" (Hippiekultur) entstanden ist - mit dem Ziel einer
Reform aller Lebensbereiche (z.B. Reformkleider für Frauen ohne
Korsetts; auch ohne BH!) - übrig geblieben ist heutzutage nur noch
der Name "Reformhaus". Zudem gab es den Jugendstil, definiert durch
die Zeitschrift "Die Jugend". Es entstand die Bewegung der
"Wandervögel", die mit Reformkleidern, einer Klamphe (Gitarre) und
teilweise barfuß durch die Lande zogen.

Die damaligen Gedanken der "Jugendbewegten" vor 1914 kann man auch
schön an diesem Textausschnitt sehen:

Weil nun die Leiber der Frauen und Mädchen so stark bedeckt sind,
tragen die Männer und Jünglinge ein großes Verlangen, ihr Fleisch zu
sehen; wie dies auch natürlich ist. Sie denken bei Tag und bei Nacht
daran und sprechen viel von den Körperformen der Frauen und Mädchen
und immer so, als ob das, was natürlich und schön ist, eine große
Sünde sei und nur im dunkelsten Schatten geschehen dürfe. Wenn sie das
Fleisch offen sehen lassen würden, möchten sie ihre Gedanken mehr an
andere Dinge geben, und ihre Augen würden nicht schielen, und ihr Mund
würde nicht lüsterne Worte sagen, wenn sie einem Mädchen begegnen.
Aber das Fleisch ist ja Sünde, ist vom Aitu ( Teufel). Gibt es ein
törichteres Denken, liebe Brüder? - Wenn man den Worten des Weißen
glauben könnte, möchte man wohl mit ihm wünschen, unser Fleisch sei
lieber hart wie das Gestein der Lava und ohne seine schöne Wärme, die
von Innen kommt. Noch aber wollen wir uns freuen, daß unser Fleisch
mit der Sonne sprechen kann, daß wir unsere Beine schwingen können wie
das wilde Pferd, weil kein Lendentuch sie bindet und keine Fußhaut sie
beschwert und wir nicht achtgeben müssen, daß unsere Bedeckung vom
Kopfe fällt. Laßt uns freuen an der Jungfrau, die schön von Leib ist
und ihre Glieder zeigt in Sonne und Mondenlicht. Töricht, blind, ohne
Sinn für rechte Freude ist der Weiße, der sich so stark verhüllen muß,
um ohne Scham zu sein.

Es ging Scheurmann um eine ganzheitliche Sichtweise, also nicht NUR
um das Barfußlaufen. Leider ist diese "Weltsicht" zu naiv, zu
idealistisch. Sie wird wohl für immer eine UTOPIA bleiben, wie im
politisch - philosophischen Roman von Thomas More aus dem Jahre 1516.

Zumindest kein Ekel und Scham vor nackten Füßen wünscht

Eugen.

Herausgefordert

Kamel Leon, Stammposter, Friday, 11.05.2007, 21:10 (vor 6343 Tagen) @ Christian (M)

Tja, ich kann in der Tat keine Palme hochklettern und übrigens auch keinen Marathon laufen, weder mit noch ohne Barfuß; ich mach schon nach 1000 Metern schlapp. :-)

Neulich hab ich barfuß an einer kleinen Familienwanderung im Gebirge teilgenommen; danach taten tagelang meine Füße weh. Neulich in der Stadt hatte ich mal das Gefühl, jetzt sind meine Füße richtig alltagstauglich, ich kann überall langgehen und brauch nicht doll aufpassen - am nächsten Tag hatte ich einen kleinen Riss im großen Zeh.

Es ist gar nicht so einfach, ein Immer-Barfüßer zu werden. ´:-(

Herausgefordert

Engel, Stammposter, Saturday, 12.05.2007, 13:26 (vor 6342 Tagen) @ Kamel Leon

Tja, ich kann in der Tat keine Palme hochklettern und übrigens auch keinen Marathon laufen, weder mit noch ohne Barfuß; ich mach schon nach 1000 Metern schlapp. :-)
Neulich hab ich barfuß an einer kleinen Familienwanderung im Gebirge teilgenommen; danach taten tagelang meine Füße weh. Neulich in der Stadt hatte ich mal das Gefühl, jetzt sind meine Füße richtig alltagstauglich, ich kann überall langgehen und brauch nicht doll aufpassen - am nächsten Tag hatte ich einen kleinen Riss im großen Zeh.
Es ist gar nicht so einfach, ein Immer-Barfüßer zu werden. ´:-(

Mach's wie ich, schmeiß Deine Schuhe weg, dan bleibt Dir nix anderes übrig :-). Kleiner Tipp noch, Du solltest nach dem wegwerfen Deiner Schuhe beginnen Deine Kohle für irgend nen sinnlosen Dreck auszugeben, das hindert Dich daran neue Gefängnisse für Deine Füße zu kaufen.
Oder noch besser kauf was fürs Frauchen, dann hat sie wenigstens noch was davon.

Gruß Engel (unterstützer aller "immer-BFler")

Schuhe wegschmeißen

Kamel Leon, Stammposter, Monday, 14.05.2007, 14:03 (vor 6340 Tagen) @ Engel

Mach's wie ich, schmeiß Deine Schuhe weg <<

Der Engel geht also immer als Engel; cool!

Kleiner Tipp noch, Du solltest nach dem wegwerfen Deiner Schuhe beginnen Deine Kohle für irgend nen sinnlosen Dreck auszugeben, das hindert Dich daran neue Gefängnisse für Deine Füße zu kaufen. <<

Haha, ja, toller Tipp! :-D Und falls ich irgendwann mal Übergewicht haben sollte, schmeiße ich einfach alles weg, was im Kühlschrank ist, und mein Geld schmeiß ich auch weg, damit ich mir nichts mehr zu Essen kaufen kann. Auf die Art könnte ich tatsächlich schnell abnehmen, aber Hunger hätte ich trotzdem.

Schuhe wegschmeißen

Engel, Stammposter, Monday, 14.05.2007, 19:35 (vor 6340 Tagen) @ Kamel Leon

Mach's wie ich, schmeiß Deine Schuhe weg <<

Der Engel geht also immer als Engel; cool!

Kleiner Tipp noch, Du solltest nach dem wegwerfen Deiner Schuhe beginnen Deine Kohle für irgend nen sinnlosen Dreck auszugeben, das hindert Dich daran neue Gefängnisse für Deine Füße zu kaufen. <<

Haha, ja, toller Tipp! :-D Und falls ich irgendwann mal Übergewicht haben sollte, schmeiße ich einfach alles weg, was im Kühlschrank ist, und mein Geld schmeiß ich auch weg, damit ich mir nichts mehr zu Essen kaufen kann. Auf die Art könnte ich tatsächlich schnell abnehmen, aber Hunger hätte ich trotzdem.

Geld weg schmeißen ist gut :-).
Mach ich immer, wenn ich welches hab geb ich's aus, denn dazu ist es da.
Hat mir zwar schon öfters blöde Sprüche von meinen Freunden eingebracht, aber ich kann's mir leisten (hab keine Familie zu ernähren).

Gruß Engel

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