Das Sorgenkind der "westlichen Welt" (Hobby? Barfuß! 2)

Jay, Stammposter, Monday, 07.05.2007, 07:59 (vor 6347 Tagen) @ Michael aus Zofingen

Hi Michael,
vielen Dank für den unbedingt lesenswerten Link. Die meisten dieser Gesetze scheinen noch recht neu zu sein, viel hab' ich jedenfalls davon auf meinen langen (& zu 85% BFigen) USA-Aufenthalten vor rd. 20 Jahren nicht bemerkt.
Die derzeitigen USA sind absolut für jede Verrücktheit gut - Überreglementierung zwecks "Pefektionierung" der Gesellschaft.
Gelangt man heute auf das Territorium der "Führungsmacht der sog. 'freien westlichen Lebensart' " sind starke Nerven angesagt (nicht nur für einen BF). Amerikaner führen ihre Überlegenheit gegenüber der "übrigen" Welt vor allem darauf zurück, daß alles - auch Skurriles - bis ins Detail geregelt ist. Je skurriler, desto intelligenter kommt es dem US Citizen vor - weil die übrige "beschränkte" Welt eben einfach nicht 'draufkam. Es liegt in der Natur des Amerikaners, oft auch von verspielter, völlig sinnloser Komplexität beeindruckt zu werden, 2 Beispiele, die jeder kennt, wenn er auch 'mal nur kurzzeitig als Gast "drüben" war:
* Hochkomplizierte, schwergängige & sich häufig im Zickzackkurs verklemmende "V-" oder "mehrfach W-" Metallfalttürmechanismen öffentlicher Telefonzellen (wie primitiv war da der einstige 90°-Schwenk der Tür eines deutschen "öffentlichen Fernsprechers");
* In das WC eines besseren US-Hotelzimmers oder Hauses werden kleine & große Geschäfte schon ganz anders "eingebracht" als in Deutschland. Der führende Hersteller namens Sexauer Ceramics verwirbelt sie in einer dicken Wassersäule, die sich nach Betätigung des (hochglanzverchromten oder -vergoldeten) Zug- oder Druckknopfes in eine strömungsmechanisch komplexe Rotations- (sog. Drall-) bewegung mit gleichzeitiger Zielrichtung nach unten in Gang setzt.

Was mag der typische US-Amerikaner der Gegenwart (sofern reich, ist er gegen alle Eventualitäten des Alltags versichert) empfinden, wenn er einen Barfüßer sieht? Er versteht die Welt nicht mehr. Für jede nur erdenkliche (Drecks-)Situation des Alltags hat er das "geeignete" Paar Schuhe in petto. Meiner Vermutung nach ist es jenseits seiner Begriffswelt, daß BF in der Öffentlichkeit überhaupt "möglich" ist. Jedenfalls empfehle ich bei der Einreise (gleichgültig, wohin sich am Airport die 2klassengesellschaft in "US Citizens" und "Immigration Service" gabelt) zwecks Zeitersparnis "Quasi-BF" in Bade'klapperl' & den 'selbstdeklarierenden' Kommentar:
"I´m very keen on water sports."
Das sollte Ruhe verschaffen. Schließlich ist man ja nicht ganz barfuß.
Auf die reale Welt der (heutigen) USA [Chinesen drohen mit eigenem Vertrieb der von ihnen fälschlicherweise als "US-Produkte" gefertigten Waren, aktuelles Vietnam namens Irak, Status eines 3. Welt-Landes außerhalb der Refugien der Reichen]] kann wg. Fehlen eines Off-Topic-Ausweichforumsbereiches nicht eingegangen werden. Um die "Denke" der schlimmsten Bürokraten der Welt (de facto sind es nicht die Deutschen) zu demonstrieren, sei noch hypothetischerweise darauf eingegangen, wie es wäre, würden die USA jemals wieder BF-freundlich werden [Lorenz formulierte trefflich: Fußgesundheitsbewußtsein sollte = Zahngesundheitsbewußtsein sein]:
Auf der großen, inhaltsreichen Tafel im Hotel- oder Motelzimmer findet sich in den langen Kolumnen (Feuerfluchtwege, Haft bzw. Deportation von Ausländern bei Nichtbezahlung der Rechnung etc. etc.) der Hinweis:
"The carpeting of this suite meets US Gov. specification XXXX-YYYY, Doc. No. ZZZZ, Rev. 3, ..."
(Die Teppichboden-Auslegeware dieses Hotelzimmers erfüllt die Anforderungen [pilztötend etc.] gemäß ...)
Ist doch ein beruhigendes Gefühl, wenn man sich als Barfüßer im US-Hotelzimmer sicher geborgen weiß. Egal, wer vorher evtl. BFig darin 'rumlief - zum einen kann nichts von seinen Warzenviren, Pilzen etc. übrigbleiben, & wenn doch, kommt Hilton´s, Sheraton´s, Best Western´s etc. Versicherung für die Behandlungskosten auf, die sich ihrerseits an den Teppichbodenhersteller wendet. Dessen Versicherung stellt fest, daß dieser eine Pilzschutz-Imprägnierungschemikalie irgendwoher bezieht, die offenbar nicht funktioniert, deren Hersteller hat dann ein Problem - einem dubiosen Forschungsinstitut aufgesessen, das einst behauptet hat, die Substanz XY würde zuverlässig auch nach Jahren alles an Bakterien, Pilzen, Viren & sonstigem Kleingetier vernichten. Die Forschungs-Company existiert nicht mehr - Prozesse gehen los, zahlen muß am Schluß der, dessen Anwaltskanzlei (es gibt drüben überproportional viele) grad' am verschlafensten war.
Trotzdem ist die Hotelkette durch das Fußpilz-Vorkommnis verschreckt. Sie läßt die Tafeln in den Hotelzimmern um den Satz erweitern, daß Schuhe auch in der Hotelsuite erst beim Einsteigen ins Bett ausgezogen werden dürfen (Bettwäsche ist normalerweise steril, da Kochwäsche).
Dies zur Illustration amerikanischen Denkstils, seit es so betont BF-feindlich wurde. Geregelt ist "drüben" einfach alles, solche skurrilen Gesetze wie die im Link aufgeführten entstehen deswegen, weil schon fast gar nichts mehr da ist, womit sich eine gesetzgebende Kammer des XY County überhaupt noch beschäftigen könnte.
Die zahlreichen BF-Verbotsschilder z. B. in den Malls (sie suggerieren der US-Bevölkerung ohne weiteres, daß BF außerhalb der Privacy tatsächlich 'ungesetzlich' sei) haben ihren Grund aber sicher kaum in der Sorge, ein verletzter BFiger Besucher könnte erfolgreich Ansprüche gegen den Mall-Betreiber durchsetzen, sondern vielmehr, weil sich seit rd. 20 Jahren Styling & Profiling inclusive Dandyismus breitgemacht haben wie niemals zuvor. So gibt es durchaus Firmenchefs, deren Hauptsorge es ist, daß alle Sonnenblendschutzrollos an den Fenstern in gleicher Höhe heruntergelassen sind ("wie schaut denn sonst das Firmengebäude schon von weitem aus, igitt") & keine Nation fällt derart z. B. auf Herren mit Schlips & Nadelstreifen-Maßanzügen herein. Ich glaube, es gibt gegenwärtig keine Nation, die einen so hohen Bevölkerungsprozentsatz aufweist, dem man in diesem Auftritt auch den größten Unfug verzapfen kann, den größten Dreck verkaufen kann - wie die Pawlow´schen Hunde hecheln sie diesem Menschentyp hinterher, der als Mall-Besucher weitaus "gerner" gesehen ist als der Jeans, T-Shirt & BF-Typ.
Bei aller Regulierungswut fehlt das Bewußtsein "Freedom dies in inches" (Freiheit stirbt zentimeterweise, dieses Sprichwort prägte diese Nation einst) heute völlig. Ein sehr großer Denker sagte einmal: Den wahren Wert einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern [den Kranken, Obdachlosen, Armen, Alten etc.] umgeht. Natürlich kann die Dimension [BF-freundlich oder BF-feindlich] nicht hierfür herangezogen werden (ferner ist die geschilderte US-Welt das Amerika der Reichen, während der übrige große mehrheitliche Bevölkerungsteil eigentlich aus Überlebenskämpfern besteht). Ich würde aber schon sagen, daß die Barfußfreundlichkeit einer Gesellschaft als Gradmesser für die WIRKLICH vorhandene Liberalität aussagefähig ist.
Bis zum nächsten Wochenende, Jay (bin grad' beruflich total im Streß).


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