Barfüssiges Klassentreffen (nach 40 Jahren) (Hobby? Barfuß! 2)

Manfred (Ten), Stammposter, Tuesday, 01.05.2007, 09:37 (vor 6418 Tagen)

Während der letzten Tage war ich - nach nun 40 Jahren - bei unserem Klassentreffen in Friedrichsdorf (eine ehemalige Hugenotten-Siedlung) bei Bad Homburg, wo ich im dortigen ehemaligen Institut Garnier auf die Schule gegangen bin.

@Georg: Das war auch der Grund für die Absage zur Wanderung - beides zu machen wäre mir einfach zu stressig geworden

Allerdings mit dem Motorrad, was zwangsläufig das Tragen von Stiefeln mit sich bringt, und prompt habe ich mir - obwohl ich insgesamt nur knapp 700 km unterwegs war - Blasen an den Fersen geholt weil ich Schuhe einfach nicht mehr gewöhnt bin.

Ich habe mich dort dann in einer Gaststätte eingemietet, die Stiefel natürlich sofort von mir geworfen und den Rest der Unternehmungen zu Fuß bzw. mit der S-Bahn - so auch den Stadtbummel durch Bad Homburg unternommen .

Einige der ehemaligen Klassenkameraden erinnerten sich noch an meine damalige Barfüssigkeit , manch andere nicht, vielleicht weil das damals so ungewöhnlich ja nicht war, alle staunten aber doch dass ich das heute noch mache. (Einer hatte sogar die ARD-Sendung gesehen)
Es war insgesamt sehr bewegend wie Ihr Euch denken könnt, und ich habe es mir nicht nehmen lassen, die alten tausendmal gegangenen Wege noch einmal barfüssig zu erleben, wenn auch das Internat und die Schule längst nicht mehr existieren,- es hat sich so viel verändert, dass ich teilweise Mühe hatte mich zurecht zu finden.

Bad Homburg, immer noch sehr mondän, - die Dichte der Oberklasse-Autos liegt dort deutlich über dem Durchschnitt - nahm von meiner Barfüssigkeit keinerlei Notiz, allerdings fiel mir auf, dass man in der Luisenstrasse, der Flaniermeile, fast kein deutsches Wort hörte, auch die Bedienungen hatten überwiegend einen deutlichen östlichen Akzent.
Lediglich im Bahnhof wurde ich sehr freundlich, aber völlig perplex von zwei Türken "darauf aufmerksam gemacht” dass ich keine Schuhe anhätte". Sie wollten mir absolut nicht glauben, dass ich das vorsätzlich und ganzjährig mache. Leider hatte ich meine sämtlichen diesbezüglichen Zeitungsartikel, die ich - um mir lange Worte zu ersparen - immer im Kleinformat in der Brieftasche habe schon beim Klassentreffen alle abgeben müssen, so dass sie wohl doch dachten dass mit mir was nicht stimmt.

Den Heimweg nutzte ich dann noch zu einem ausgedehnten Umweg über die wunderschöne Taunushöhenstrasse (mit dem Feldberg), Wiesbaden (meine Geburtsstadt) und durch den Rheingau und die Pfalz.

BF-Grüsse
Manfred

Barfüssiges Klassentreffen (nach 40 Jahren)

Jay, Stammposter, Tuesday, 01.05.2007, 15:24 (vor 6418 Tagen) @ Manfred (Ten)

Hi Manfred,
die Generation, der ich angehöre, war zutiefst von der alten Hippie-Kultur geprägt bzw. es war die Noch- bzw. Geringfügig-zu-spät-Hippie-Generation, so daß in der Gymnasiums-Oberstufe locker sommers ca. 10 - 15 % barfuß liefen. Schon beim 1. ("10jährigen") Abitur-Jubiläumstreffen 1988 (optimales Wetter) war außer mir niemand mehr übrig davon. Die einstige "BF-Intensitäts-Nr. 2" meines Abiturjahrganges (hatte bereits berichtet) war haarmäßig kurz- & bürstengeschoren und begegnete mir äußerst distanziert (heute spricht er überhaupt nicht mehr mit mir & setzt sich, ohne daß wir Streit hatten, definitv weg & an einen anderen Tisch). Dennoch war das "10jährige" sehr locker & ergab sonst breitbandig herzliche Gespräche, die insgesamt in sehr hohem Alk-Promillepegel endeten. Danach wurde beschlossen, die Treffs alle 5 Jahre zu wiederholen. Stets geschah dies im Sommer.
Das 15jährige 1993 war im wesentlichen Austausch von Artigkeiten & Small Talk, es paßte gar nicht zum Super-Ambiente (es war eine der schönsten Gastronomie-Locations im Landkreis gewählt worden, und zwar mit Aussicht auf das gesamte Umland). Man war im Beruf aufgestiegen oder hatte sich auch bereits selbständig gemacht. Die einstigen [wilden, harten & auch BF-]Typen kamen bereits nicht mehr, mich ausgenommen. Die ersten Kostüme & Anzüge mit Krawatten waren zu sehen.
Das 20jährige 1998 fand in Freisings Nobelhotel Dorint statt (kein Problem mit BFigen Entree´). Es war wiederum etwas lockerer & "ursprünglicher", ich lief in einer nagelneuen blauen Standard-Jeans + extrem teures, farbig bizarres T-Shirt & selbstverständlich als einziger BF 'rum. Ein paar Gespräche auch über mögliche geschäftlich-offzielle Connections ergaben sich (einer meiner Mitabiturienten hatte Maschbau studiert, war ins Schwäbische gegangen & war in der Daimler-Grundlagenforschung etwas geworden), ohne daß etwas Konkretes dabei herausgekommen wäre.
Das 25jährige 2003 fand in einem preiswerten Freisinger Stadtgasthof statt. Nur ca. 1/3 der "alten Bagage" kam überhaupt noch. Alte Lehrer gesellten sich hinzu, sahen mich ("Jaah...!" freundlich LACH, mit dem Finger auf meine Füße zeigend...seichte Fragen stellend, Rest klar) & es wurde ein unverbindlicher Debattierclub, den irgendwas Gemeinsames von einst verband...
Was wird wohl 2008 beim "30jährigen" sein? Werde ich zum unveränderten, in den späten 1970ern stehengebliebenen Barfuß-Fossil?

Zwecklos, sich über Türken den Kopf zu zerbrechen & ihnen die Sache erklären zu wollen. Laß sie weiter am "Phänomen" BF herumrätseln. Sollen sie glauben, mit ihren Klamotten samt Beschuhung irgendwem oder der Welt zu imponieren...

Freundliche BF-Grüße, Jay

Und wieder das Generationen- Problem

Markus U., Stammposter, Thursday, 03.05.2007, 19:33 (vor 6416 Tagen) @ Jay

Hi Manfred,
die Generation, der ich angehöre, war zutiefst von der alten Hippie-Kultur geprägt bzw. es war die Noch- bzw. Geringfügig-zu-spät-Hippie-Generation, so daß in der Gymnasiums-Oberstufe locker sommers ca. 10 - 15 % barfuß liefen. Schon beim 1. ("10jährigen") Abitur-Jubiläumstreffen 1988 (optimales Wetter) war außer mir niemand mehr übrig davon. Die einstige "BF-Intensitäts-Nr. 2" meines Abiturjahrganges (hatte bereits berichtet) war haarmäßig kurz- & bürstengeschoren und begegnete mir äußerst distanziert (heute spricht er überhaupt nicht mehr mit mir & setzt sich, ohne daß wir Streit hatten, definitv weg & an einen anderen Tisch). [...]
Was wird wohl 2008 beim "30jährigen" sein? Werde ich zum unveränderten, in den späten 1970ern stehengebliebenen Barfuß-Fossil?

Hi Jay!

Habe mich nach längerem Nachdenken zu einer Antwort entschlossen, zumal wir das Generationen- Thema im Zusammenhang mit BF schon mehrmals hatten. Du schreibst einerseits, daß Deine Generation "zutiefst von der alten Hippie- Kultur geprägt" (gewesen) sei, andererseits aber, daß außer Dir schon lange niemand mehr von Euerem Abi- Jahrgang LH & BF sei. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen. Als ich im Jahre 1977 von der Grundschule aufs Gymnasium überwechselte, waren BF & LH in der Oberstufe weit verbreitet, während wir Unterstufenschüler in puncto Kleidung & Haartracht sehr "brav" waren und auch großenteils die ganze Schulzeit über blieben (meine ausgeprägte Neigung zu LH konnte sich damals nicht entfalten, weil meine Eltern es verhinderten, und BF war sowieso verpönt). Deine Generation ist noch überwiegend am Leben, hat aber von abgesehen von ganz, ganz wenigen, die man kaum findet und zu denen Du gehörst, mit BF & LH nix mehr zu tun, so daß man eigentlich kaum glauben kann, daß sie früher ganz anders drauf war (hab's ja mit eigenen Augen gesehen). Dieser Wandel ist so erstaunlich, daß ich desto weniger darüber hinwegkomme, je länger ich darüber nachdenke, denn ich habe keine Erklärung dafür.
Gerade Deiner Generation gehören nämlich die derzeitigen unangenehmen "Entscheidungsträger" aus Wirtschaft & Politik, die unser Land zugrunde richten, vorher aber für sich selber noch kräftig absahnen & beiseite schaffen, an. Also kann die "Prägung" Deiner Generation durch die Hippie- Kultur doch nicht so tief gewesen sein, sondern war für die meisten eher eine vorübergehende Laune, während sie nur ein paar ganz wenigen, zu denen auch Du gehörst, wirklich was bedeutet hat. Ich selber rechne mich trotz LH & BF nicht dazu, obwohl ich zweifellos irgendwie davon beeinflußt worden bin. Sowohl BF als auch LH praktiziere ich aus Überzeugung, während ich mit Drogen, psychedelischer Musik und so nix zu tun hatte und habe.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.

Und wieder das Generationen- Problem

Guenther, Friday, 04.05.2007, 06:14 (vor 6415 Tagen) @ Markus U.

Hi Markus U. & Jay!

Mit diesem Generationenunterschied haben wir wohl auch die Erklärung für den Hintergrund der in dem Lateinthread diskutierten Unterschiede der Auffassung: Jay gehörte als Schüler einer Generation an, die sich noch tief von der Hippie-Kultur beeinflußt sah, Markus U. hat das nur am Anfang seiner Schulzeit bei älteren Mitschülern beobachtet, und mir (2 oder 3 Jahre jünger als Markus U.) ist "Barfuß als Teil einer bestimmten Weltanschauung/ Lebensweise" ziemlich fremd. Barfüßigkeit scheint sich zunehmend von spezifischen weltanschaulichen Haltungen zu lösen, und das finde zumindest ich ganz angenehm ...

Gruß, Guenther

Barfüssiges Klassentreffen (nach 40 Jahren)

Hippie, Stammposter, Friday, 04.05.2007, 10:08 (vor 6415 Tagen) @ Jay

Hi, Jay!

Für mich als "Post-Hippie", der sich schon in den Achtzigern stark an die Alternativbewegung anlehnte, ist das sehr interessant. Jetzt kann ich auch nachvollziehen, dass ich auf mein äußeres Erscheinungsbild so unterschiedliche Reaktionen bekomme. Die einen machen, obwohl sie durch und durch bürgerlich aussehen, mit ungläubigen Augen das Peacezeichen mit den Fingern, andere blicken mich an, als würden sie mit etwas konfrontiert, dass sie nicht wahrhaben wollen und bei sich selbst schon verdrängt haben. Dennoch begegne ich öfter auch als solche noch erkennbaren Althippies und Achtziger-Ökos, die sich dann freuen, dass sie nicht allein sind.

Auch in der so oft konsumorientierten Jugend gibt es noch genug, die den alten Idealen folgen (obwohl andere völlig entgeistert auf meine Füße schauen, weil dergleichen für sie undenkbar zu sein scheint). So traf ich neulich im Zug eine junge Frau, vielleicht 20, die barfuß war und vom Äußeren sehr alternativ-hippig aussah. Wir kamen sofort ins Gespräch.
Dagegen hatte ich neulich ein Gespräch mit jemand, der sowieso recht verbrettert war, der meinte, ich sei ein lebender Anachronismus.
Das stimmt sogar in einigen Bereichen, da ich immer noch die alten Pink Floyd, Tangerine Dream, Santana, The Mamas and the Papas und The Doors (u. a.) höre.

Mit meinen ehemaligen Klassenkameraden habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr, auch da ich mehrfach in andere Städte umgezogen bin.

Peace und lass dich nicht frusten.

Der Hippie

Barfüssiges Klassentreffen (nach 40 Jahren)

Markus U., Stammposter, Friday, 04.05.2007, 18:39 (vor 6415 Tagen) @ Hippie

Hi!

Für mich als "Post-Hippie", der sich schon in den Achtzigern stark an die Alternativbewegung anlehnte, ist das sehr interessant. Jetzt kann ich auch nachvollziehen, dass ich auf mein äußeres Erscheinungsbild so unterschiedliche Reaktionen bekomme. Die einen machen, obwohl sie durch und durch bürgerlich aussehen, mit ungläubigen Augen das Peacezeichen mit den Fingern, andere blicken mich an, als würden sie mit etwas konfrontiert, dass sie nicht wahrhaben wollen und bei sich selbst schon verdrängt haben. Dennoch begegne ich öfter auch als solche noch erkennbaren Althippies und Achtziger-Ökos, die sich dann freuen, dass sie nicht allein sind.

Ich habe solche Erfahrungen nicht gemacht, muß allerdings sagen, daß meine bunten Klamotten im wesentlichen meinen Kleiderschrank schmükken und ich im allgemeinen in Jeans und unauffälligen Hemden oder T- Shirts rumrenne. Da fallen meine langen Haare und nackten Füße eigentlich kaum weiter auf (die letzteren noch eher).
Mit der Öko- Szene hatte ich eigentlich nie zu tun, nur in meiner Schulzeit hatte ich ein paar Ökos als Mitschüler; ich fand sie in ihrem missionarischen Eifer ziemlich penetrant, verbohrt und unsympathisch; barfuß war Fehlanzeige. Inzwischen hat sich ja auch die Alternativszene weitgehend aufgelöst bzw. ist ziemlich verspießert. Eine Assoziation in Richtung barfuß = öko, wie sie hier im Forum manchmal anklingt, ist mir selbst nie in den Sinn gekommen.

Auch in der so oft konsumorientierten Jugend gibt es noch genug, die den alten Idealen folgen (obwohl andere völlig entgeistert auf meine Füße schauen, weil dergleichen für sie undenkbar zu sein scheint). So traf ich neulich im Zug eine junge Frau, vielleicht 20, die barfuß war und vom Äußeren sehr alternativ-hippig aussah. Wir kamen sofort ins Gespräch.

Solche Leute sind in der Regel nett & ansprechbar, aber ob und inwiefern das was mit irgendwelchen alten Idealen zu tun hat (zumal diese Leute die originäre Hippie- Bewegung gar nicht erlebt haben), vermag ich nicht zu sagen.

Dagegen hatte ich neulich ein Gespräch mit jemand, der sowieso recht verbrettert war, der meinte, ich sei ein lebender Anachronismus.
Das stimmt sogar in einigen Bereichen, da ich immer noch die alten Pink Floyd, Tangerine Dream, Santana, The Mamas and the Papas und The Doors (u. a.) höre.

MIt der Musik der siebziger Jahre kann ich auch nicht viel anfangen, da mein Interese erst in den achtziger Jahren erwacht ist (bin Bj. 1967).

Mit meinen ehemaligen Klassenkameraden habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr, auch da ich mehrfach in andere Städte umgezogen bin.

Geht mir auch so, obwohl ich wieder in Ratingen wohne, wo ich auch zur Schule gegangen war. Halte mich aber auch viel in München auf und bin oft und eigentlich auch recht gern in einem großen Teil von Deutschland unterwegs.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.

RSS-Feed dieser Diskussion