Hallo Rosi,
sicher hat Jörg recht, daß Barfüßigkeit alleine nicht oder nicht unbedingt ein Grund dafür ist, häufiger von der Polizei kontrolliert zu werden. In Sachen Kleidung kommen Frauen jedoch auch sonst eher ungeschoren davon, weil Frauenkleidung "vielseitiger" ist und daher weniger auffällt. Wenn etwa ein Mann in der Stadt bei +5°C barfuß und in kurzen Hosen unterwegs ist, fällt das natürlich mehr auf wie wenn er barfuß ist und lange Hosen trägt. Müßte dann eine Frau, die bei gleicher Temperatur am gleichen Ort barfuß ist und einen Minirock trägt, nicht ebenso auffallen? Im Prinzip ja. In den Gehirnwindungen eines zufällig vorbeieilenden Mitmenschen spielt sich beim kurzen Betrachten folgendes ab:
a) Mann, trägt kurze Hosen und keine Schuhe, und das im Winter.
Dann wird näher hingeschaut und die Polizei verständigt.
b) Frau, trägt einen Minirock, darunter vermutlich eine farblose Nylonstrumpfhose und fleischfarbene Schuhe.
Nichts passiert weiter.
Es ist nämlich nicht selten, daß eine Frau auch im Winter Minirock und Strumpfhose trägt. Bei einem Mann rechnet man aber nicht mit Nylons. Und sollte sich herausstellen, daß er tatsächlich unter einer kurzen Hose Nylons tragen, dann ist es für viele Menschen (unabhängig von der Jahreszeit) ERST RECHT ein Grund, die Polizei einzuschalten. Und vermutlich wird ein derart bekleideter Mann von der Polizei nicht selten noch schäbiger behandelt als einer, der kurze Hosen trägt und barfuß ist (oder Schuhe mit "normalen" Socken trägt).
Auch das Alter spielt eine Rolle. Was ich auch festgestellt habe ist folgendes: Bereits vor meiner Barfußzeit trug ich in der Freizeit nicht nur im Hochsommer kurze Hosen. Als ich unter 35 Jahre alt bekam ich deswegen nie Ärger mit der Polizei, auch nicht bei Temperaturen um +10°C. Als ich aber älter wurde, nahmen die Polizeikontrollen wegen der Kleidung schlagartig zu, allerdings nie bei Temperaturen über ca. 18°C. Offensichtlich liegt bei ca. 18°C eine Temperaturgrenze, unterhalb der nur jüngere Männer sich leichter kleiden "dürfen".
Haben die Polizeikontrollen zugenommen, seitdem ich zusätzlich zu den kurzen Hosen noch barfuß unterwegs war? Die Antwort ist "JEIN". Zwar haben die Kontrollen zugenommen, aber nur indirekt. Bei gleicher Temperatur und am vergleichbaren Ort und in vergleichbarer Situation wurde ich etwa auch gleich oft kontrolliert, egal ob mit oder ohne Schuhe. Allerdings änderten sich die Situationen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt kann ich zwar noch stundenlang in kurzen Hosen Fahrrad fahren, ohne Schuhe geht es nicht mehr. Und wenn gleichzeitig noch die Straßen zwar fei von Schnee ist, die Feldwege mit einer verharschten Schneedecke überzogen sind und der Boden steinhart gefroren ist, dann kann ich mit kurzen Hosen, aber festem Schuhwerk durchaus noch in der freien Natur unterwegs sein, barfuß aber nur auf der Straße (und ohne Fahrrad).
Die größte Gefahr, wegen barfuß, leichter Kleidung oder sonst einer "Unregelmäßigkeit" bei der Polizei angeschwärzt zu werden, droht von Leuten, die hinter der Gardine lauern. Diese Spießer trifft man Ein Radfahrer ist schneller vorbei als ein Fußgänger, Barfüßigkeit und/oder leichte Kleidung werden bei ersterem nicht unbedingt registriert, bei letzterem. Und selbst wenn der Radler verpfiffen wird, so hat er mehr Chancen, der Polizei zu entkommen. Vom "Spießerposten" aus hat man auch nicht unbedingt die Straße selbst im Visier, so daß man fehlende Schuhe nicht unbedingt erkennt, eine kurze Hose oder ein kurzärmeliges T-Shirt schon.
Vor meiner Barfußzeit war ich bei tiefer Temperatur mehr in der Natur und seltener in der Stadt. Außerdem fuhr ich dann häufiger Fahrrad.
Es gibt für mich nur wenige Möglichkeiten, seltener Ärger zu bekommen, aber alles sind Dinge, die ich nicht akzeptieren kann:
Seltener unterwegs sein? Das wäre Resignation.
Bedecktere Kleidung tragen? Wenn es für mich witterungstechnisch nicht nötig ist, nur wegen etwaiger Spießer und Polizisten "Kompromisse" eingehen. Das wäre, wenn auch auf anderer Ebene, vergleichbar wie wenn man in der Öffentlichkeit "sohlenlose Schuhe" tragen würde.
Ein Auto kaufen, um die nackten Füße den Spießerblicken zu entziehen und so die "gefährliche" Gegend unerkannt durchqueren. Ich bin zwar kein Autofan, jedoch auch kein prinzipieller Autogegner. Aber niemals würde ich mir ein Auto anschaffen, um damit "Reservate" aufzusuchen, in denen ich ungestört barfuß laufen kann.
Mit Schuhen und langen Hosen in Gegenden radeln, in denen ich ungestört barfuß laufen "darf"? Aus dem gleichen Grund wie oben. (und nicht wegen gewisser Ratinger Definitionen)
Den Zustand anstreben, noch unempfindlicher gegen Kälte zu sein, auch beim barfüßigen Radfahren. Das ist sicher ein Grund, aber nicht, um sich vor Kontrollen zu schützen.
Grundsätzlich muß es in einem demokratischen Rechtstaat möglich sein, ohne Schikanen im öffentlichen Raum barfuß zu laufen und auch sonstiges zu tun, solange man nicht gegen das Gesetz verstößt und auch sonst niemandem einen Schaden zufügt. Und wenn man trotzdem wegen soclher Dinge schikaniert wird oder sich gegen die Schikanen nur wehren kann, wenn man zu denjenigen Personen gehört, die im Monat mindestens soviel Geld nach Hause bringen wie ein Joe Ackermann, dann ist die Bezeichnung "Rechtstaat" nur ein leeres Wort.
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen