Barfüßige Impressionen aus Andelfingen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 17.04.2007, 07:30 (vor 6368 Tagen)

Samstag, 14.3.2007, 150-jähriges Bestehen der Rheinfallbahn:
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"Mittelpunkt" dieses Anlasses war der Bahnhof Andelfingen. Er liegt in unmittelbarer Nähe der weithin sichtbaren Kirche [image]

Andelfingen liegt an einem historischen Übergang an der Thur, der Ortskern selbst liegt hoch über dem Flußbett. Wer mit dem Zug von Schaffhausen kommt, sieht den Ort schon lange vorher. Die Bahnlinie läuft zunächst auf dem Höhenrücken parallel zur Thur, überquert den Fluß auf einem Viadukt und nähert sich dann in entgegengesetzter Richtung dem Ortskern. Es war der Wille der Andelfinger, daß die Bahn direkt am Ort vorbeiführt, damit die Bürger keine weiten Wege zum Bahnhof haben (die anderen Dörfer liegen weiter abseits der Bahnstrecke). Dieser Bahnhof ist sogar "Schnell-S-Bahn-würdig" (die "S22" von Schaffhausen nach Zürich hält nicht an allen Stationen, aber hier).

Weiterhin besitzt Andelfingen ein Schloß, auch die Bebauung des Ortskerns ist interessant. Alles in allem ist Andelfingen eben kein gewöhnliches Bauerndorf, sondern es besitzt zweifellos einen gewissen kleinstädtischen Charakter. Also für mich ein Grund, hier eine Stunde zwischen den Zügen zu verweilen, natürlich barfuß. Um 17.55 Uhr erreichte ich Andelfingen mit dem Zug von Henggart. Von dem Trubel am Morgen, als unter anderem Bundesrat Christoph Blocher eine Rede hielt, war nichts mehr übrig geblieben. Die getauften Züge waren längst weggefahren, und auch das Taufwasser, was auf den Bahnsteig gespritzt war, hatte sich dank der heißen Sonne in einen gasförmigen Aggregatzustand umgewandelt.

Ich verließ den Bahnhof. Im Schatten eines Gebäudes standen zwei weibliche Teenager. Beide trugen leichte Tops, ein Mädchen aufgekrempelte Jeans in Kombination mit Stiefeln, das andere eine lange schwarze Hose, es war barfuß. Würden die über meine Barfüßigkeit lästern? Nicht ganz. Als ich einige Meter vorbei war, vernahm ich nur die Worte: "Der ist aber braun!" Zunächst einmal ging ich in den Schloßpark. Einige Wege sind mit Feinschotter belegt, die ich zwar nicht gerade als "ideale" Barfußwege bezeichnen möchte, jedoch kein Grund bestand, sie zu meiden. Interessant fand ich auch die Wege, die im Schatten der Bäume an einem Bächlein im Park entlangführen. Der Belag ist zwar grobes Bruchgestein. Da hier aber keine Trecker fahren, konnten die Moose allmählich wieder die Oberhand gewinnen, was das Barfußlaufen angenehm machte.

Ich verließ den Park und ging über eine Asphaltstraße hinunter zur Thur, dann überquerte ich die gedeckte Holzbrücke über den Fluß.
[image]

Ich ging langsam, um möglichst lange die Holzplanken unter den nackten Füßen zu spüren. Am anderen Ufer fand ich eine Steinbank, auf die ich mich setzte, um was zu verzehren. Ich befand mich übrigens nicht mehr in Andelfingen, sondern in Kleinandelfingen, die Thur ist die Grenze. Auf einem Grundstück vor der Bank stand ein Haus, das als "ehemaliges Amtshaus" bezeichnet war. Heute scheint es ein "normales" Wohnhaus zu sein. Offensichtlich war eine Familienfeier im Garten (ein älteres Ehepaar, 2 junge Paare, etliche Kinder), einige Kinderwagen/Kinderkarren waren im Garten parkiert. Während die Erwachsenen noch beim Essen waren, spielten die Kinder (die ältesten etwa 5) bereits im Garten, etwa mit Kindervelos usw. Was mir auffiel: Alle Mädchen waren barfuß, während die Knaben dagegen trugen Schuhe. Ähnlich verhielt es sich bei den Erwachsenen: Alle Männer trugen Schuhe, bei den Frauen trug nur eine Schuhe und zwei waren barfuß, darunter die älteste Frau (vielleicht war sie die Oma aller Kinder und die Mutter der barfüßigen jungen Frau und die Schwiegermutter der beschuhten Frau). Ein Mädchen fuhr immer mit einem Plastiktrecker gegen das eiserne Gartentor, ein anderes folgte mit dem Kindervelo und fuhr auf den Trecker auf. Immer lachten sie, wenn es zur sanften Kollision kam. Für diese Mädchen schien Barfüßigkeit was natürliches zu sein, auch störten sie sich nicht an meiner Barfüßigkeit. Es scheint wohl an der ländlichen Gegend in der Ostschweiz zu liegen. Die Zeit, daß hier Kinder aus Armut nur im Winter Schuhe trugen, sind noch nicht allzu lange vorbei.

Ich verließ die Steinbank, wanderte über die Holzbrücke, vorbei an Wassermühle und Kirche zurück zum Bahnhof, wo mich um 18.55 Uhr die S33 nach Dachsen aufnahm.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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