Barfüßige Ostertage (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 10.04.2007, 08:26 (vor 6440 Tagen)

Es dürfte schon ziemlich lange her sein, daß einmal das Wetter an allen vier Ostertagen so angenehm war wie in diesem Jahr. Einzige Einschränkungen: Am Sonntag hielt sich der Hochnebel etwas länger, dafür war es an den übrigen Tagen morgens etwas kälter. An allen Tagen war ich mit dem Fahrrad unterwegs, nicht nur barfuß, sondern auch barhäuptig, barnasig, barohrig, wegen meiner Kurzsichtigkeit jedoch nicht baräugig, sondern fett bebrillt. Allzu viel gefahren bin ich aber auch nicht, die meiste Zeit hielt ich mich an irgendwelchen Gewässern auf.

Karfreitag:
Über Burgdorf und Worb nach Bern geradelt. Am Bundesplatz war der Brunnen in Betrieb. Einige Kinder gingen bis an die Fontänen, waren aber fett beschuht. Ich schob mein Velo an den Fontänen vorbei, die Rampe hinunter zum Marzilibad. Hier waren einige Barfüßer (teilweise nur in Badekleidung), einige badeten sogar in der 8°C kalten Aare, mir war das Wasser zu kalt, die Luft nicht. Während ich zum "Eichholz" wanderte, überholte ich zwei Frauen, die (unabhängig voneinander) ihre fetten Wanderschuhe in der Hand trugen. Mir fiel auf, daß sich überwiegend Frauen ihrer Schuhe und Socken (und nicht mehr) entledigten, während Männer häufiger gleich mehr auszogen. Barfüßige Kinder waren hier seltener.

Als ich am späteren Nachmittag mein Velo vom Gelände schob, beachtete mir keiner. Kaum war ich aber draußen, da starrten mich die Leute an. Das lag sicher weniger an meiner Barfüßigkeit, auch nicht an meiner kurzen Hose (das trugen einige), sondern an dem, was ich sonst so trug oder besser nicht trug. Am Bundesplatz saßen einige Leute barfuß und hatten die Schuhe neben sich gestellt. In der Berner Altstadt war keiner barfuß, wohl aber teilweise auf den Terrassen in einigen Dörfern.

Ostersamstag:
Diesmal radelte ich über Lenzburg und Bremgarten nach Zürich. Am Escher-Wyss-Platz kam mir eine Gruppe Jugendlicher entgegen, vermutlich auf dem Weg zu einer Sportveranstaltung. Etliche Jungen dieser Gruppe trugen kurze Sporthosen in Kombination mit Sportschuhen und weißen Socken, während die Mädchen keine Sportkleidung trugen, sondern meist Jeans. Ein Mädchen war barfuß. Das war das erste Mal in diesem Jahr, daß ich weit abseits von Gewässern, Parks, Gärten usw. einen Menschen barfuß sah.

In der Zürcher Bahnhofstraße fiel meine Barfüßigkeit kaum auf. Die Leute waren mit Einkaufen beschäftigt, und auch ich mußte aufpassen, daß ich beim Schieben des Velos nicht irgendwo gegenstieß. Ich schob mein Velo bis zum Freibad Tiefenbrunnen, wo erwartungsgemäß auch einige Leute barfuß waren. Manche Kinder zogen sofort die Schuhe aus, sie konnten es nicht abwarten. Auch von den Erwachsenen waren auch mehr barfuß als tags zuvor in Bern. Liegt es an der unterschiedlichen Mentalität zwischen Bernern und Zürchern? Diesmal ging auch ich kurz ins Wasser.

Mühsam war es, später mein Velo wieder aus der Stadt zu befördern. Die Seepromenade war voller Leute, von denen sich einige ihrer Schuhe entledigt hatten. Das Niederdorf war voller Leute, von denen keiner barfuß war, aber einige doch eher sommerlich gekleidet waren (freilich gab es auch noch winterlich gekleidete Leute. Am Central mußte ich mich durch sich stauende Autos und Trams kämpfen. Erst hinter dem Ortskern von Höngg kam ich besser voran.

Ostersonntag:
Viel fahren wollte ich nicht, also radelte ich lediglich bis Winznau, wo ich mich an der Aare niederließ. Die Bise, die an diesem Tag kräftig wehte, kam nicht bis hier. Zwei Mädchen spielten hier im Sand, erst mit Gummistiefeln. Als sie sahen, daß ich barfuß war, taten sie es mir nach. Die Eltern blieben übrigens fett beschuht. Den Kindern paßte gar nicht, daß die Eltern gegen 16 Uhr nach Hause wollten. Als die Mutter fragte: "Wollte ihr Schuhe anziehen?" , riefen sie laut: "Nein!" So gingen sie barfuß zum Auto, ohne daß sich die Eltern dran störten.

Ostermontag:
Ich radelte nach Luzern. Japanische Touristen sahen mich staunend an. Ich schob das Velo durch die malerische Altstadt und dann die Seepromenade bis zum Strandbad am Verkehrshaus. Während der Nichtbadesaison können auch weniger begüterte Menschen tagsüber dieses Gebiet betreten, was im Sommer nur kapitalstarken Bürgern möglich ist. Als ich dort ankam, waren noch nicht viele Leute hier. Aber es kamen immer mehr. Einige zogen sich gleich die Schuhe aus, nur wenige aber hielten sich in Badekleidung auf. Ein Junge spielte es mit Schuhen am Seeufer. Als aber ein Schiff vorbeifuhr, übersah er die Wellen und seine Schuhe wurden naß. Der Vater schimpfte. Zur Strafe mußte der Junge nun barfuß spielen, was er aber kaum als Strafe auffaßte. Eine halbe Stunde später zog auch der Vater seine Schuhe aus, auch ihm schien der warme Sand zu gefallen. Die Mutter dagegen behielt Schuhe und weiße Socken an, sie krempelte lediglich ihre Jeans auf. Die Farbe ihrer Beine unterschied sich kaum von denen der Socken, ein eindeutiges Zeichen dafür, daß sie sich erfolgreich den Abzockereien der Sonnenstudio-Lobbyisten widersetzen konnte. Ich bin übrigens auch kein Freund von Sonnenstudios, aber beweisen kann ich es nicht.

Das Gelände ist übrigens zweigeteilt. Es besteht aus dem eigentlichen Sandstrand und einem Spielplatz. Getrennt werden die Teile durch den Würzenbach. Am Nachmittag waren die Spielgeräte stark belegt. Von den Kindern lief hier keines barfuß. Viele starrten mich an, als ich in der Badehose zum Toilettengebäude ging. Am Sandstrand, nur 30 Meter weiter, sah mich kein Kind an. So unterschiedlich sind die Mentalitäten diesseits und jenseits des Würzenbachs, und das beides auf einem im Sommer gebührenpflichtigem Freibadgelände! Aber so etwas gab es ja auch anderswo mal auf ganz anderer Ebene: zweimal Deutschland, hier BRD, dort DDR, dazwischen liegen Welten, lediglich getrennt durch einen Zaun, die Elbe usw.

Ich kam gerade von der Toilette, als ich sah, wie eine vierköpfige Familie das Strandgelände barfuß verließ, und zwar ziemlich eilig. Es überquerte die Brücke über den Würzenbach, verließ den Lido und rannte auf den Schiffsanleger, wo gerade das Schiff "Flüelen" anlegte. Ich sah noch, wie sich die Frau Socken und Schuhe anzog, die anderen konnte ich nicht mehr erkennen, weil da Leute vorstanden.

Gegen 17 Uhr wurde das Gelände geschlossen. Eine Frau verließ das Gelände durch den "anderen" Eingang und trug die Schuhe in der Hand. Auch ein Ehepaar mit Kind verließ ebenfalls das Gelände, nur die Frau trug Schlappen. Sie gingen zum Auto, das nahe am Eingang stand. Der Vater stieg barfuß ein und fuhr sofort weg. So schnell kann keiner Schuhe anziehen. Der erste barfüßige Autofahrer, den ich in diesem Jahr gesehen haben!

Auch ich verließ das Gelände und schob mein Velo am Seeufer zurück. Je näher ich der Altstadt kam, desto seltener wurden die Menschen, die sich ihrer Schuhe entledigt hatten. Auch die Kleidung wurde mit jedem Meter winterlicher. Hinter der Altstadt schwang ich mich aufs Velo und radelte nach Hause, wo ich gegen 19.30 Uhr . Das T-Shirt brauchte ich nicht mehr überziehen.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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