Mein Osternest für das Forum (Hobby? Barfuß! 2)

Osterhase, Saturday, 07.04.2007, 22:22 (vor 6442 Tagen)

Reine Barfußsache - Die Story
Für Ulrich.

Mitten in der Natur, irgendwo am Ende der Welt trafen wir mit dem Auto auf einem Parkplatz ein. Ein paar Autos samt Barfüßlern stand in freudiger Erwartung im kühlen Schatten des Waldes. Nur wenige traten von einem Bein auf das andere. Einer strich Melkfett zentimeterdick auf seine Sohlen. Ein großer, runder Mann wurde mir als der Organisator, Herr Barfuß, vorgestellt.
Mehr als zehn tapfere, barfüßige Welteroberer setzten sich in Bewegung. Käptn Urs blieb erstmal bei mir. Er erzählte mir etwas von Geistern und Energieplätzen. Eigentlich sah er ganz normal aus, bis auf seine kurze weiße Hose, durch die eine schwarze Unterhose leuchtete. Spontan hätte ich mir nicht vorstellen können, dass er an schwarzen Messen oder etwas ähnlichem teilnahm. Herr Barfuß gesellte sich zu uns und meinte spöttisch: "Na, Käptn, mit welchen Geistern hast Du Dich in den letzten zwei Monaten so unterhalten?" Käptn Urs drehte sich beleidigt ab und antwortete: "Das geht dich nichts an." Käptn Urs verließ mich und Herr Barfuß konnte mich Neuling genauer in Augenschein nehmen. Er wollte wissen, welchem Beruf ich nachging und wie es barfuß-technisch in meiner Lebensumwelt aussehe. Ich mochte Herrn Barfuß sofort, denn die Art, wie er sich nach Sachen erkundigte und wie er auf einen einging, zeugte von Weltgewandtheit. Käptn Urs gegenüber schienen fast alle eine Abneigung zu hegen oder zumindest Spaß daran zu haben, ihn mit seinen seltsamen Eigenschaften aufzuziehen.
Drei Frauen wanderten mit uns Männern mit: Die eine, eine unnahbare Ingenieurin - sie lief mit und unterhielt sich, wenn überhaupt, nur über Berufliches oder Politik. Eine zweite Frau, groß, dunkelhaarig und redegewandt, befand sich meist im Mittelpunkt. Und dann noch so eine kleine unscheinbare Frau, die sich Sana nannte. Mit ihr kam ich an unserem ersten Picknickplatz ins Gespräch, da ich mich zufällig neben sie setzte. Sie sprach mich an: "Ich habe viel von Dir im Forum gelesen, Wito. Du hast das Potential, unsere Gruppe wieder aufzubauen." Ich blickte sie rätselnd an. "Was meinst Du damit?" "Weißt Du nicht, dass wir bis vorletztes Jahr zwanzig regelmäßig an Treffen teilnehmende Barfüßler hatten? Und seitdem schrumpft die Truppe von Treffen zu Treffen. Zuletzt ist der Ronaldini-Zwilling verschwunden." Einer der Barfüßler, Knopix, herrschte Sana an: "Was soll das Geschwätz? Das ist Zufall." Ein anderer, Marc, lachte: "Als nächstes verschwindet Sana." Ich sah mir die Redner interessiert an. Knopix sah wie ein kleiner Räuber aus, Marc wirkte eher ein bisschen naiv. Und an der Geschichte mit den Ronaldinis war sicher etwas dran: Seit dem letzten Treffen war nichts mehr von ihnen zu lesen. Beim vorletzten Treffen musste Joane verschwunden sein. Denn seit damals gab es nicht mehr ihre erfrischenden Berichte auf dem Forum und sie war beim vorletzten Treffen anwesend gewesen. Ob Sana etwas wusste? Ich musste mich unbedingt mit ihr unterhalten.
Die Wanderung ging weiter. Und ich war bemüht, neben Sana herzulaufen, aber irgendwie stand ständig einer der Barfüßler dazwischen. War es ein eingeschworener Zirkel, der nichts über sich kommen ließ?

Es ergab sich schließlich, dass ich zusammen mit Herrn Barfuß weit vor den anderen her lief. Was sollte ich tun? Ich grübelte angestrengt. "Hey, du hörst mir ja überhaupt nicht zu." meinte da Herr Barfuß. Ich schrak auf. "Entschuldige. Ich habe nachgedacht." "Erzähl!" "Ich habe gehört, dass von Barfuß-Treffen zu Barfuß-Treffen Leute verschwinden." Herr Barfuß lachte: "Meinst du? Ich wette, wenn das überhaupt der Fall ist, dass das reiner Zufall ist." "Und was ist mit den Ronaldinis?" "Die hatten diesmal wohl einfach keine Zeit." Hm. Es gab wohl immer eine plausible Erklärung. Wir blieben stehen und warteten. Langsam holten die anderen wieder auf. Mir blieb das Herz fast stehen, als alle sich zu uns gesellt hatten; nur Sana fehlte. Herr Barfuß erkundigte sich nach ihrem Fernbleiben. Jemand meinte, dass sie austreten gegangen sein. Ein anderer jedoch widersprach, dass es ihr schlecht geworden sei und sie den Weg zur nächsten Bushaltestelle genommen habe. Ratlos blickten sich alle an. Ich selbst riss mich zusammen und musterte alle unauffällig: Knopix und Marc wirkten mir weniger ratlos als die übrigen und Käptn Urs hatte eine meditative Körperhaltung eingenommen. Er summte einen angenehmen Ton dazu. Wer war Knopix eigentlich? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er jemals auf dem Forum gepostet hatte. Und Marc? Ein- oder zweimal vielleicht.
Nachdem Sana nach zehn Minuten nicht aufgetaucht war, wanderten wir weiter. Ich fragte Herrn Barfuß, ob er die Telefonnummer von Sana habe und ob er da mal anrufen könne. Er schüttelte den Kopf. Und jemand anderes? Nein, Sana war zwar stets dabei, aber man wusste nicht einmal genau, wo sie wohnte. Sollte man nicht zurückgehen, um nach Spuren von ihr zu suchen? Der Boden war nicht dazu geschaffen, Spuren zu hinterlassen. Polizei anrufen? "Jetzt hab' dich mal nicht so," fuhr mich Marc an. "Die taucht schon irgendwann wieder auf." Wie kam er zu dieser Annahme? Die anderen Barfüßler tauchten ja auch nicht mehr auf. "Es ist ja nur ein Spiel," sagte eben die große schöne Frau, Marita. "Trotzdem rege ich mich auf. Er hat geschummelt, während ich kurz unaufmerksam war." meinte eine Männerstimme. Ein Spiel? Oder sprachen die zwei über etwas anderes? Über ein Schachspiel? Vielleicht befand ich mich eben in einem Schachspiel. Aber welche Figur spielte ich? Ich war neu hinzugekommen und im Schach kommt in der Regel keine neue Figur hinzu, es sei denn man schafft eine Bauernumwandlung.
Ich konnte mich nicht mehr auf Gespräche, geschweige denn auf die Wanderung konzentrieren. Man ließ mich in Ruhe. Während einer Pause kam es zu einem heftigen Streit zwischen Herrn Barfuß und Käptn Urs. Käptn Urs wollte in einer Meditations-Phase den genauen Aufenthaltsort von Sana gesehen haben. Anscheinend hatte er das Spielchen schon beim Verschwinden Librors gemacht und man war dann dieser Fährte gefolgt und durch unwegsamstes Gelände gelaufen und hatte ihn dennoch nicht gefunden. Libror war einer der ersten gewesen, die verschwanden, soweit ich es mitbekommen hatte.
Dieser Streit endete damit, dass Herr Barfuß Käptn Urs von den Barfuß-Treffen ausschloss: "Mit dir wandere ich nicht mehr." Käptn Urs verschränkte die Arme und verließ zornig die Waldlichtung.
Mir selbst schossen ein paar Gedankenblitze durchs Gehirn und aus dem Chaos heraus entschloss ich mich, Käptn Urs zu folgen. Ich eilte ihm nach. Atemlos holte ich ihn ein. "Gehst Du Sana suchen?" wollte ich wissen. "Ja, aber wir müssen uns beeilen, sonst ist sie weg." Zwei weitere Barfuß-Läufer erreichten uns. "Wollt Ihr es Euch auch mit Herrn Barfuß verscherzen?" meinte Käptn Urs ironisch. "Ich möchte Sana suchen." antwortete Siegfried. "Ähm. Ich mag sie ganz gerne." Fügte er noch hinzu. "Ein Fall von Liebesblödigkeit." Käptn Urs schüttelte den Kopf. "Aber jetzt los. Wird ein bisschen dornig werden. Zieht Eure Schlappen an." Wir taten das, er selbst hatte keine Schuhe dabei.
Wir gingen ein Stück den Weg zurück, dem wir gekommen waren und schlugen uns dann ins Gebüsch. Käptn Urs ging voran. Er hatte keine größeren Probleme mit Dornen und Ästen und Sträuchern, die uns im Weg standen. Es schien ihm auch nichts auszumachen, dass er an Armen und Beinen zerkratzt wurde. Siegfried folgte ihm dicht und in blindem Eifer auf den Fersen. Bruno und ich hingen ein paar Meter zurück. Als wir auf einen erkennbaren Pfad kamen, befanden sich der Käptn und Siegfried in einer gebückten Haltung und untersuchten eine Spur. "Da ist sie gegangen." meinte der Käptn schlicht. Er erhob sich und eilte weiter, wir folgten ihm. Der Pfad führte auf einen geschotterten Weg und dieser wiederum auf eine Straße. In der Ferne sahen wir jemanden schnell die Straße entlang laufen. Wir beschleunigten unser Tempo. Bald erblickten wir eine Bushaltestelle und ein Bus war auch schon im Anfahren. Sana erreichte die Bushaltestelle gleichzeitig mit dem Bus. Wir legten noch einmal an Tempo zu. Der Busfahrer musste uns gesehen haben und wartete auf uns. Nach einer kurzen Diskussion erfuhren wir, wohin der Bus fuhr und lösten einen Fahrschein bis zur Endhaltestelle, da wir unser Ziel noch nicht kannten. Siegfried ging durch den Bus zielstrebig auf Sana zu: "Hallo Sana! Was war mit Dir?" Sie sah ihn befremdet an: "Ich bin nicht Sana. Da muss eine Verwechslung vorliegen." - "Aber Du warst doch eben mit uns auf einem barfuß-Treffen." - "Auf einem barfuß-Treffen? So etwas gibt es?" Sie lachte. "Aber Du bist ja gar nicht barfüßig!" Siegfried zögerte kurz, sah an sich herunter und erklärte: "Wir sind eben über eine Schotterstrecke gegangen und die konnten meine Füße nicht ertragen." "Wir sind durch Dornen gegangen," fügte Bruno hinzu. "Ach, ein Hardcore-Trip?", spottete sie. "Sowas ähnliches," sagte Käptn Urs lapidar. "Bruno, Wito, setzen wir uns ganz hinten hin." Wir folgten ihm. "Du möchtest einmal mit mir eine barfuß-Wanderung machen." meinte Sana zu Siegfried. "Ja, gerne." antwortete er etwas belämmert. "Ich bin übrigens Susanna. Und Du?" - "Ich bin der Siegfried." - "Hm. Ich kannte mal einen Siegfried." Sie runzelte die Stirn. "Aber mir fällt nichts zu ihm ein. - Setz' Dich doch zu mir. Oder musst Du zu Deinen Freunden?" - "Neinnein." Siegfried setzte sich zu Susanna.
Nun stieg eine Gruppe von Wanderern in den Bus und ich hatte den Eindruck, dass Susanna und Siegfried leiser miteinander sprachen. Wir bekamen nur noch Bruchstücke der Unterhaltung mit. Als der Bus nach einer halben Stunde an einem Bahnhof hielt, verabschiedeten wir uns von den zweien und stiegen aus.
"Und nun?" erkundigte ich mich. "Jetzt fahren wir nach Hause." antwortete Käptn Urs trocken. "Abwarten. Forum lesen. Du kannst hier in einen Zug einsteigen, Bruno und ich nehmen uns ein Taxi zu unseren Autos." Ich überlegte mir kurz, ob ich nicht vorschlagen sollte, in ein Café zu gehen. Aber der Käptn wirkte entschlossen und etwas abweisend. Also verabschiedete ich mich von den beiden und trat die Rückreise an.

Besonders viel bekam man in den nächsten Tagen nicht über das Forum mit: Ein kurzer Bericht mit Danksagung; kein Wort von Käptn Urs, Bruno oder Siegfried dazu. Aber sie schrieben zu anderen Themen. Ich war ein Außenstehender, ich wohnte weit weg.

Als ich ein halbes Jahr später, im Herbst, auf die Truppe stieß, fehlten Knopix und Marc; Susanna und sogar Käptn Urs waren dabei; außerdem eine neue Frau, Claudia. Wir waren also wieder eine Person weniger. Als wir im Begriff waren, zu starten, bemerkte Herr Barfuß meinen ratlosen Blick. Er lachte, während die anderen sich unter der Führung von Käptn Urs, der das Treffen dieses Mal organisiert hatte, in Bewegung setzten: "Ist schon wieder einer verschwunden?" Ich nickte. "Diesmal verschwindet keiner." behauptete er. - Vor uns gingen Susanna und Siegfried Hand in Hand.
Die Wanderung verlief harmonisch und am Ende gingen wir noch zusammen essen. Und es kam uns diesmal tatsächlich kein Barfuß-Läufer abhanden. Auf meine Nachfragen hin bekam ich stets nur unbestimmte Antworten. Das einzige, was ich erfuhr, war, dass Knopix und Marc von allen barfuß-Treffen ausgeschlossen worden waren.

Der Osterhase


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