An einem Montagabend im April (Hobby? Barfuß! 2)
Die Stadt nährt mich und nervt mich, sie füttert mich und vergiftet mich, aber an ihrem Rand öffnet sie sich auch und ermöglicht den Blick über die Steppe hinein in das Lichtermeer. Mit Wärme und stetigem Sonnenschein endete die Zeit der geschlossenen Schuhe vor einer Woche, und es fällt jetzt leicht, zwischendurch einfach aus den Sandalen zu schlüpfen und wieder den Boden zu fühlen.
Ich sitze da, am sanften Hang des Westerberges, rechts die Autobahn, vor mir grünlich, bläulich, gleißend weiß die vielen Lichtpunkte einer Stadt, die den Sonnenuntergang nicht einfach so hingenommen hat. Sie muss sich ihm widersetzen, sie muss so tun, als könne sie die gleiche Beleuchtung bringen wie der Gott des Lichts. Sie muss damit scheitern und kann dies selbst nicht glauben, aber von diesem Ort aus wird es offenkundig. Über mir spannt sich ein offener Himmel, fast dunkel mit dem Rest des Tages. In sanften Violett- und Orangetönen senkt sich die Dämmerung, und ein kühles Lüftchen beginnt den Hang hinter mir hinabzufließen. Atmen, riechen, halten.
In langer Hose und langem Pullover fühle ich mich sicher und warm, stütze mich mit Händen und Füßen auf dem Gras am Rand der Steppe ab, spüre durch sie, was mich hält und anrührt. Das Nährende meint es heute gut mit mir. Nicht nur lässt mir die Himmelskuppel den Raum, den ich jetzt benötige, auch sticht die Venus genau mir gegenüber durch die Reste der Dämmerung hindurch. Klar, voller Glanz, präzise und leicht ironisch hängt sie dort zwischen Hustadt und Opel, steht über diesen lächerlichen Werken. "Vergesst es!", könnte sie sagen. Horch! Sagt sie, was ich hören will? Bilde ich es mir bloß ein? Wie kann ich das zu unterscheiden lernen? Hohes Gras wiegt sich in dem Lüftchen, Vordergrund zum Hintergrund. Atmen, lauschen, ruhen.
Ein Radfahrer passiert mich, vorne grellweiße, hinten grellrote Leuchtdioden, viel heller als der vergessene Planet dort oben. Der Radler nimmt mich nicht wahr, zu eilig sein Weg. Weg ist er, eine Fußnote der Geschichte. Stille, bis auf die irren Fahrzeuge rechts auf der Autobahn. Atmen, sehen, genießen.
Es wird Zeit. Ohne Knarzfüße und ohne die drei S verlasse ich diesen gänzlich profanen Berg und steige hinab ins Tal der Träume, neben mit die fahle, milde Mondin, voll und rund und voller Güte. Was kann da noch schiefgehen?