Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn (Hobby? Barfuß! 2)

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 10:03 (vor 6453 Tagen)

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Nach den ersten paar barfüßigen Schritten des Jahres habe ich gestern den ersten längeren Ausflug gemacht. Ich parkte auf der Sonnenseite Bonns am Rheinufer, nahe der Doppelkirche Schwarzrheindorf, und spazierte gemütlich Richtung Nordbrücke. Eine Frühlings-Fotosafari stand mir im Sinn.

Vor der Brücke befindet sich rechts unterhalb des Deiches der alte, jüdische Friedhof. Uralte Grabsteine, teilweise halb eingesunken, verfallen und unleserlich. Einige andere erstaunlich gut erhalten mit hebräischen Inschriften. Das ganze Gelände verwildert, es wachsen Efeu, Moos und viele blühende Wildblumen. Kein Schotter, pure, eingezäunte Natur.

Am Eingang ein kleines Schild, das die Männer bittet, eine Kopfbedeckung zu tragen. Ich fühle mich mit den nackten Füßen keineswegs fehl am Platz. Ganz im Gegenteil war es ein sehr besinnliches, andächtiges Gefühl unter den Sohlen, und ich bewegte mich langsam und vorsichtig. Besonders im alten Teil war es so still wie man es neben einer Autobahnbrücke kaum vermuten würde.

Einige Zeit nach mir betrat ein älterer Herr den Friedhof, schaute hier, bückte sich da. Er trug keine Kopfbedeckung und machte einen eher geschäftigen denn besinnlichen Eindruck. Dennoch schlug ich große Bögen um ihn, ich wollte ihn nicht bei seinem Tun stören. Dass er sich an meinen nackten Füßen würde stören können kam mir erst in den Sinn, als er auf mich zusteuerte während ich im Begriff war, den Friedhof zu verlassen.

Er sprach mich freundlich und sehr leise an, welches Interesse ich an diesem Friedhof hätte. Er wolle mir ein Buch empfehlen. Und welche Gräber ich denn fotografiert hätte, ob er das wissen dürfe. Es war ein sehr sympathisches Gespräch. Er kümmert sich im Rahmen des Naturschutzes um die wilden Blumen, die dort wachsen. Es wären einige seltene Exemplare dabei, die versucht er, vor den Kaninchen zu schützen. Die Stadt Bonn würde sich um diesen Friedhof leider gar nicht kümmern, immerhin hätte er schon erreicht, dass sie die Wildblumen nicht mehr einfach zur Blütezeit abmähen. Bis er uralt wäre würde er sich auch weiterhin kümmern...

Nach diesem sehr sympathischen Gespräch wanderte ich noch ein wenig durch die Wiesen. An einer Brücke "vercrosste" ich das Barfuß-Buch, natürlich mit einem Flyer von Lorenz drin. ;-)

Schon fast am Auto kam mir ein junges Paar entgegen, leger und sehr schwarz gekleidet, er mit langem Haar, zum Zopf gebunden. Ich bekam folgenden Dialog mit:

Sie [sehr leise]: "Guck mal, die ist schon barfuß!"
Er [deutlich lauter und betont]: "Find ich gut!!"

;-)

Im Auto wurden die Füße kribbellebendig und ich fühlte mich insgesamt irgendwie "geradegerückt". Ade, ihr Rückenbeschwerden - die Barfußsasion hat endlich auch für mich richtig begonnen!

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

^Karl-Heinz Krasberg @, Wednesday, 28.03.2007, 10:34 (vor 6453 Tagen) @ bix

Der jüdische Friedhof ist in der Regel nicht öffentlich zugänglich.
Er ist Privatbesitz der jeweiligen jüdischen Kultusgemeinde und verschlossen.
Dem Wunsch eine Kippa zu tragen sollte entsprochen werden, es bedeutet
im jüdischen Glauben; etwas höheres steht über mir. Der Ewige. Im
Allgemeinen haben die Toten das erhabene Rechtauf Würde und Pietät.

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 12:59 (vor 6452 Tagen) @ ^Karl-Heinz Krasberg

Dieser Bonner Friedhof ist weder verschlossen noch weist ein Schild auf Verbote des Betretens oder auf Privateigentum hin. Er ist "geschlossen" im dem Sinne, dass keine Begräbnisse mehr dort stattfinden. Die neueste Grabinschrift ist von 1992 und der Herr wusste zu berichten, dass diese späten Begräbnisse absolute Ausnahmen waren.

Dieser Friedhof ist glaub ich von der Stadt und von den hier lebenden Juden schlicht vergessen worden, was ich sehr, sehr schade finde.

Und da das Tragen von "Kopfbedeckungen" nur für Männer gilt - habe ich mir nichts vorzuwerfen.

PS:

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 13:08 (vor 6452 Tagen) @ ^Karl-Heinz Krasberg

Kennst du dich aus, mit jüdischen Friedhöfen?
Warum liegt ein (Kiesel)-Stein auf jedem Grabstein?

PS:

Kai (Ostfildern) ⌂, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 13:14 (vor 6452 Tagen) @ bix

Kennst du dich aus, mit jüdischen Friedhöfen?
Warum liegt ein (Kiesel)-Stein auf jedem Grabstein?

Da die Toten nicht mit gärenden, säuernden oder sonstigen Nebenprodukten der Zersetzung verunreinigt werden sollen, verzichtet man auf Blumenschmuck, statt dessen werden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber lässt man mit Efeu und Gras überwachsen.

Gruß
Kai

[image] Quelle: Wikipedia

PS:

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 13:18 (vor 6452 Tagen) @ Kai (Ostfildern)

Danke, Kai. Aber ich meinte nicht als Grababdeckung. Es liegt oben auf jedem der Grabsteine, also auf denen der Name und die Daten eingraviert sind, ein einzelner Stein.

PS:

Ralf RSK, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 14:11 (vor 6452 Tagen) @ bix

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Warum liegt ein (Kiesel)-Stein auf jedem Grabstein?

Hi Bix,

ein jüdischer Brauch: Als Zeichen, dass der Tote nicht vergessen ist, legen Besucher des Grabes einen Kieselstein dort ab.

Es gibt eine ergreifende Szene in der Filmdokumentation zu "Schindlers Liste", in der mittlerweile greise Juden, die mit Oskar Schindlers Hilfe den Holocaust überlebt hatten, Kieselsteine auf seinen Grab in Jerusalem (allerdings auf dem kath. Friedhof) ablegen.

Viele Grüße, Ralf

http://de.wikipedia.org/wiki/Oskar_Schindler

Danke Ralf!

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 14:36 (vor 6452 Tagen) @ Ralf RSK

ein jüdischer Brauch: Als Zeichen, dass der Tote nicht vergessen ist, legen Besucher des Grabes einen Kieselstein dort ab.

Das ist ja ein sehr schöner Brauch, gefällt mir!

PS:

Karl-heinz Krasberg @, Wednesday, 28.03.2007, 17:57 (vor 6452 Tagen) @ bix

Einjüdischer Friedhof ist ein Friedhof wie jeder andere auch. Nur haben die Toten hier ewiges Ruherecht.
Es ist im Judentum nicht üblich Kränze oder Blumen zu bringen.
In der Regel zum Todestag wird ein Besuch gemacht. Man bringt ein -enStein.
D.h. ichdenke an dich.

Barfuß in der alten Synagoge in Worms

Rosi, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 19:53 (vor 6452 Tagen) @ ^Karl-Heinz Krasberg

Hallo Bix,
ich habe mit meinem Mann Worms besucht und dort sind wir zur alten Synagoge gegangen. Ich wollte bf erst gar nicht hineingehen, aber die nette Dame an der Info bat mich herein.
Ihr waren zurückhaltende Barfüßer lieber als lärmende, schwitzende Touristen, die die Synagoge als Punkt auf der Deutschlandtour abhaken.
Ich denke, zur rechten Zeit das Barfußlaufen als etwas begreifen, das Andere stören kann, ist auch für mich Dauerbarfüßerin wichtig. Aus Pietät verzichte ich dann auch lieber auf Kirchen in denen ein Gottesdienst abgehalten wird und gehe zu einer Beerdigung mit Schuhen.
Liebe Grüße (nicht nur) an die Füße,
Rosi

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

Eugen, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 10:47 (vor 6453 Tagen) @ bix

Hallo bix,

das war wirklich ein gelungener Auftakt für den beginnenden Frühling. Den jüdischen Friedhof kenne ich gut, da ich auf meinen Fahrradtouren zur Siegaue immer an diesem Ort vorbeikomme und zudem Georg vor Jahren einmal eine Wanderung organisiert hatte, welche auch den Friedhof miteinschloß.

Der Friedhof - ein mystischer Ort voller vergessener Menschenschicksale. Wenn man dann an einem solchen Ort auch noch einem
fremden geheimnisvollen Menschen begegnet und mit ihm unerwartet ins Gespräch kommt, so ist der Zauber perfekt.

Und die Barfüßigkeit ist natürlich auch ein Teil dieses Frühlingszaubers.

Weitere Erlebnisse dieser Art von körperlich-geistigen Gesundung wünscht

Eugen

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

Thomi, Wednesday, 28.03.2007, 11:06 (vor 6453 Tagen) @ bix

Wenn man andere Menschen kennen lernt, sei es eine flüchtige Bekanntschaft wie jene, welche Du geschildert hast oder auch eine intensivere Bekanntschaft, stelle ich immer mal wieder fest, wie viele Leute sich für ganz bestimmte Themen interessieren und sich auch dafür aktiv einsetzen. Und in den meisten Fällen unentgeltlich.

Wir laufen barfuss und setzen uns auch dafür ein. Bewusst oder auch unbewusst. Aktiv oder weniger aktiv. Es fällt halt auf. Wie auch ein Blumenschützer auf einem Friedhof auffällt.

Es gibt sehr viele Menschen, welche sich für etwas ganz Spezielles einsetzen. Solche Menschen erkenne ich meistens an Ihrer Grosszügigkeit und Toleranz. Denn Sie wollen genau das Selbe wie wir Barfüsser.

Mich faszinieren solche Begegnungen immer wieder. Es erweitert mein persönliches Spektrum enorm und führt mich an Dinge heran, welche ich vielleicht nie beachtet hätte.
Wenn man also als Barfüsser auf die Barfüssigkeit angesprochen wird - besonnen reagieren und sich bewusst in Gespräche einlassen. Da entwickeln sich teilweise ganz nette Geschichten.

Noch schöner wäre es, wenn viel mehr Menschen weniger an Ihr Geld dafür mehr an Ihre Lebesfreude denken würden.

Thomi

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

bix, Stammposter, Wednesday, 28.03.2007, 13:04 (vor 6452 Tagen) @ Thomi

Das hast du schön ausgedrückt, und du hast so recht!

Ich wäre von selbst nie auf die Idee gekommen, dass das, was da wächst und blüht, selten sein könnte! Ich versuche immer, nicht auf etwas zu treten was blüht, ich bewegte mich über dieses Gelände wie auf Federn, langsam und vorsichtig und weich.

Der Herr ist auf jeden Fall keiner der mir bisher begegneten "Rentner" gewesen, er regte sich weder über mein Herumlaufen auf den Grünflächen auf oder über meine nackten Füße. Es war eine richtig sympathische Begegnung und ich überlege, ob ich diesen Friedhof nicht öfter aufsuchen soll... Beim nächsten Mal schaue ich dann auch genauer nach dem was da grünt und blüht! Und vielleicht ist ja dieser Herr wieder da und kann mir sagen, was das ist was da blüht.

Barfuß auf dem alten jüdischen Friedhof in Bonn

Luc, Monday, 02.04.2007, 16:02 (vor 6447 Tagen) @ bix

Besonders im alten Teil war es so still wie man es neben einer Autobahnbrücke kaum vermuten würde.

Die Fruedhöffe sind wie eine ander Welt, ich fühle mich immer gut BF.

Dass er sich an meinen nackten Füßen würde stören können kam mir erst in den Sinn, als er auf mich zusteuerte während ich im Begriff war, den Friedhof zu verlassen.

Du bist eine echte BFlaüferin, den dir ist das BFlaufen nur normal!

BFGrüsse aus Frankreich. Luc

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