Barfuß auf dem Konzertpodium (Hobby? Barfuß! 2)

Lorenz ⌂, Stammposter, Wednesday, 14.03.2007, 21:58 (vor 6466 Tagen)

Dass mir als Klassikfan Shakira und Joss Stone zwar sympathisch sind, aber musisch nicht so sehr viel geben, ist gar nicht so schlimm. Denn es gibt offenbar auch eine Geigerin, die barfuß auftritt. Davon berichtet diese Kritik, auch von anfänglicher Skepsis des Publikums, das aber sehr schnell in den Bann einer außergeöhnlichen Künstlerin gezogen wurde.

Alles schien wie immer im Staatstheater Mainz. Ein kleines, ouvertürenartiges Stück eröffnete den Abend, ein Solokonzert sollte folgen, und nach der Pause stand eine große Sinfonie auf dem Programm. Die Sinfonietta von Louis Théodore Gouvy war operettenhaft verklungen, mit einer großen Stretta am Ende, und man war damit eingestimmt, ohne besonders gefordert worden zu sein. Mit Spannung wurde also der Auftritt der jungen Violinsolistin erwartet. In einem ärmellosen, roten Kleid betritt sie schließlich die Bühne, gefolgt von Dirigent Thomas Kalb. Frisch und jung sieht sie aus. Der Blick des Publikums wandert den goldenen Blumenapplikationen auf ihrem Kleid folgend gen Fußboden. Ein leichtes Raunen geht durch den Raum - denn Patricia Kopatchinskaja trägt keine Schuhe.
Zwischen all den sorgfältig polierten Lackschuhen der Orchestermitglieder wirken ihre bloßen Füße sehr verletzlich, aber auch sehr deplatziert. Doch dann beginnt sie zu spielen und verleiht dem lange in Vergessenheit geratenen Violinkonzert Robert Schumanns einen völlig neuen Klang. Sehr impulsiv und leidenschaftlich streicht sie die Seiten, variiert wohl überlegt zwischen einem weiten Vibrato in den liedhaften Passagen und einem fahlen Klang, der besonders im zweiten Satz die Nähe zur letzten Komposition Schumanns, den Geistervariationen, deutlich macht.

Der warme, bratschenartige Ton ihrer Geige und ihr zum Teil kratziges, schnelles Staccato erinnern an die Zigeunerweisen Sarasates - und plötzlich ergibt auch ihr Gesamtauftritt einen Sinn: vom Kleid bis hin zu den unbeschuhten Füßen, die oft den Takt mitklopfen, bringt sie die Virtuosität und Leidenschaft des Schumannschen Spätwerks zum Ausdruck und damit auch eine Hommage an den ungarischen Geiger Josef Joachim, für den das Konzert ursprünglich komponiert war. Mit einem humoristischen Stück von Jorge Sánchez-Chiong als Zugabe nahm die Solistin das Publikum endgültig für sich ein...

Sucht man in Google nach der Geigerin mit dem komplizierten Namen, stellt sich heraus, dass sie nicht nur dieses Mal ohne Schuhe auf dem Konzertpodium stand. Wie sollen auch die Hände höchste Präzisionsleistung auf diesem diffizilen Instrument leisten, während die Füße eingesperrt sind???

Barfüßige Grüße von Lorenz

[image] Homepage von Patricia Kopatchinskaja -- leider ohne Barfußfoto

Barfuß auf dem Konzertpodium

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Wednesday, 14.03.2007, 23:41 (vor 6466 Tagen) @ Lorenz

Hallo Lorenz

Dass mir als Klassikfan Shakira und Joss Stone zwar sympathisch sind, aber musisch nicht so sehr viel geben, ist gar nicht so schlimm. Denn es gibt offenbar auch eine Geigerin, die barfuß auftritt.

Das erinnert mich an einen Ausflug nach Usedom, den die Barfuß-Initiative Berlin am 15. Juli 2006 unternahm. Da konnten wir an der Seebrücke in Koserow die Musik dieser Geigerin genießen:

[image]

Viele Grüße

Ulrich

Bei Künstlern vielleicht auch nur eine Masche um aufzufallen

Barpfotenbaer, Stammposter, Thursday, 15.03.2007, 12:08 (vor 6466 Tagen) @ bix

>Da hätt ich auch was: eine Österreichische Pianistin ;-)
[quote]http://clarafruehstueck.com
[/quote]

Hallo,

vielleicht sollte man das bei Künstlern nicht so sehr überbewerten. Als Künstler kommt man doch nur dann ganz nach oben, wenn man den Leuten in Erinnerung bleibt. "Kannst Du Dich noch an das Österreichische Mädel erinnern, daß damals den Schuhmann so wunderbar interpretiert hat?" regt die Grauen Zellen nicht halb so gut an wie: "Kannst Du Dich noch an das Österreichische Mädel erinnern, daß damals den Schuhmann barfuß gespielt hat?

Und barfuß auftreten ist zwar ungewöhnlich, aber eben nicht so anstößig wie barbusig. So kann man auffallen, ohne auch ein an strenge Sitten gewöhntes Publikum vor den Kopf zu stoßen.

Aber wenn es dadurch zur Normalität wird, soll es mir sehr recht sein. Mit sowas müssen wir uns dann halt einfach abfinden: "Schau mal die an, die laufen bestimmt auch nur deshalb barfuß, weil die Kriminaltante im letzten Rosamundepilcherschnulli ("Die Moosläuferin von Cornwall") es auch die ganze Zeit tat!" - "Ja, das ist gerade Mode und manche Leute müssen halt bei sowas immer gleich mitmachen!"

:-))

Bei Künstlern vielleicht auch nur eine Masche um aufzufallen

bix, Stammposter, Thursday, 15.03.2007, 12:17 (vor 6466 Tagen) @ Barpfotenbaer

Bei mir funktioniert das aber scheinbar nicht! *hmpf*

Bei Künstlern vielleicht auch nur eine Masche um aufzufallen

Guenther, Thursday, 15.03.2007, 12:25 (vor 6466 Tagen) @ bix

Hi Bix!

Ich glaub, das funktioniert nur bei Kunstrichtungen, die mit persönlicher Performance verbunden sind :-)))))

Gruß, Guenther

Bei Künstlern vielleicht auch nur eine Masche um aufzufallen

Barpfotenbaer, Stammposter, Thursday, 15.03.2007, 15:56 (vor 6466 Tagen) @ Guenther

>>Bei mir funktioniert das aber scheinbar nicht! *hmpf*
>Ich glaub, das funktioniert nur bei Kunstrichtungen, die mit persönlicher Performance verbunden sind :-)))))

Bei mir funktioniert das auch nicht. Aber ich muß da spontan an den Film "Knocking on Heavens Door" denken, wo Abdul (Moritz Bleibtreu) seinen Gaunerkollegen anfaucht, als dieser bedauert keinen anständigen Beruf erlernt zu haben: "Hast Du gelernt diese Scheiße?"

Viele Grüße vom Barpfotenbären

Übertriebener Argwohn?

Joachim (BI), Stammposter, Thursday, 15.03.2007, 16:03 (vor 6466 Tagen) @ Barpfotenbaer

Euch kann man´s ja nun auch gar nicht recht machen, Leute. Treten die KünstlerInnen in Schuhen auf, gilt es als langweilig, gehen sie barfuß auf die Bühne, wird´s gleich als billige Masche beargwöhnt. Ihr wollt doch auch nicht ständig hören, daß Ihr nur deshalb auf Schuhe verzichtet, weil Ihr um jeden Preis auffallen möchtet, oder?

Grüßchen
Joachim

Barfuß auf dem Konzertpodium

Lorenz, Stammposter, Thursday, 15.03.2007, 20:03 (vor 6465 Tagen) @ bix

Hallo Bix,

danke für den Link!

Vielleicht spielen die beiden mal zusammen? Ich denke, dass hier das barfüßige Auftreten nicht einfach nur ein Masche ist. Wenn man ein wenig über die beiden nachliest, zeigen sie auch künstlerisch einen ungewöhnlichen Freiheitsdrang und sind viel mehr der zeitgesnössischen Musik zugetan als einem spießigen Publikumsgeschmack.

Barfuß vor ein Klassikpublikum zu treten, ist gewiss nicht ganz einfach, da muss man schon überzeugt sein und voll dazu stehen!

Barfüßige Grüße von Lorenz

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