Barfuß - eine ansteckende "Krankheit" (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Monday, 05.03.2007, 11:57 (vor 6411 Tagen)

Sonntag, 4.3.2007: Genau vor einem Jahr versank die Schweiz im Schneechaos, und jetzt? Strahlender Sonnenschein am Morgen, wenn auch anfangs noch recht frisch. Aber um 10 Uhr radelte ich los, zwar noch mit Jacke, aber immerhin ohne fettes Schuhwerk. Es war gerade 8°C, als ich durch Kölliken radelte. Und in Hunzenswil war es so warm, daß ich die Jacke im Gepäck verstauen konnte - für den Rest des Tages. Ich hatte den Eindruck, als ob sich die Autofahrer (und Fußgänger) mehr umdrehten, wenn ich ohne Jacke radelte als zuvor noch mit, und das bei gleicher Behosung und gleicher (nicht vorhandener) Beschuhung.

Ich gelangte zum Aabach bei Boniswil, dort, wo ich im Sommer immer zum Baden fahre. Eine Familie verließ gerade den Platz, während ich kam. Die kleine Tochter machte sehnsüchtige Augen, während ich mein Rad über die matschige Liegewiese schob, daß der Schlamm nur es nur so zwischen den Zehen durchquoll und es nur so spritzte (die Gefahr nasser Hosensäume bestand übrigens nicht). Ich setzte mich auf eine Bank, um was zu verzehren. Eine Katze kam angeschlichen, strich um meine Beine, versucht mit ihrem Dickschädel meine Füße in den Boden zu drücken, sprang dann auf meine Bank, kroch auch noch über meine Beine, wobei ich zwar ihre feuchten Samtpfötchen, nicht aber ihre scharfen Krallen spürte. Manchmal bewundere ich Katzen. Ohne große Umschweife kann sie ihre sanften Tastorgane in gefährliche Waffen wandeln. kein menschlicher Fuß und keine menschliche Hand kann so sanft sein wie eine Katzenpfote. Und wenn ein Mensch diese Organe als gefährliche Waffe einsetzen will, muß er ein Messer oder eine Pistole in die Hand nehmen - oder sich einen Stöckelschuh anziehen!

Da ich sah, daß der Aabach recht viel Wasser führte, radelte ich nicht gleich weiter Richtung Lenzburg, sondern ich schob das Rad am gegenüberliegenden Ufer einen Weg entlang, genauer: Das Rad bewegte ich über den Weg, meinen Füßen gönnte ich den Matsch auf der Wiese. So kam ich zu einer hölzernen Badeplattform. Hier schien die Sonne angenehm warm, man war vor Wind geschützt. Einige Leute saßen auf den Bänken, etliche hatte auch ihre Jacken ausgezogen, andere saßen dort auf Socken, während ihre fetten Wanderschuhe in der Sonne trockneten. Als eine Frau sah, daß ich barfuß war, zog sie auch ihre Socken aus. Eine andere Frau, die nicht dazu gehörte, tat es ihr etwas später nach. Immer wieder kamen Leute. Entweder behielten sie die Schuhe an, oder sie zogen Schuhen UND Socken aus. Frauen und Männer gleichermaßen. Wenn sie aber gingen, zogen sie beides wieder an.

Es kamen auch Familien mit Kindern. Die Kinder ließen sich durch die Anwesenheit barfüßiger Erwachsener nicht zum Ausziehen der Schuhe bewegen, vielleicht deswegen, weil deren Eltern die Schuhe anbehielten? Da änderte sich aber plötzlich. Es kam eine Gruppe aus 2 erwachsenen Frauen, einem erwachsenen Mann, 2 Mädchen und einem Jungen. Die beiden Frauen zogen sofort die Schuhe und Socken aus. Und schon wollten die Mädchen auch barfuß laufen. Nach 10 Minuten trennte sich auch der Mann von Schuhen und Socken, der Junge quälte sich noch ca. 20 Minuten damit, dann wurde auch er vernünftig.

Da bemerkte ich, was für eine ansteckende "Krankheit" barfuß sein kann. Kinder, die schon einige Zeit dort waren, wollten plötzlich auch barfuß sein, nachdem die ersten KINDER barfuß waren. Auch ich hatte daß Bedürfnis nach einer Anzugerleichterung. Da ich Schuhe und Socken "leider" nicht dabei hatte, mußte ich daß T-Shirt ausziehen. Ich ging auch ein paar Schritte ins kalte Wasser. Da ich aber weder Handtuch, noch sonstiges dabei hatte, ging ich nur soweit, daß meine alles andere als übermäßig lange Hose nicht naß wurde. Die kleinen Mädchen sahen daß und entledigten sich nur ihrer gesamten Bekleidung und gingen kurz ins Wasser, um dann gleich wieder rauszulaufen und sich die meiste Zeit ins Handtuch einzuwickeln.

Als eine andere Familie mit 3 Jungen und einem Mädchen das sahen, wollten zwei der Jungen auch ins Wasser. Nur mit Unterhose gingen sie hinein, aber auch sie hielten es nicht lange aus. Das Mädchen dieser Gruppe begnügte sich, barfuß auf einem Balken zu balancieren. Irgendwann fiel es aber ins Wasser, mit Klamotten! Das gab aber ein Theater. Einer der Jungen sagte: "Wie schön, daß du nicht mit Schuhen ins Wasser gefallen bist." Diese Familie mußte nun weiter mit dem Fahrrad. Einer der Jungen wollte partout barfuß nach Hause radeln. Die Mutter sagte: "Das tust du nicht!" Da sich aber zu sehr um die durchnäßte Tochter kümmern mußte, merkte sie nicht, daß der Junge trotzdem barfuß radelte, die Schuhe auf den Gepäckträger geklemmt.

Eine Mutter kam mit ihrer Tochter, beide sprachen englisch. Sie zog sofort Schuhe und Socken aus, sagte: "Wonderful", als sich das sonnewarme Holz unter den nackten Füßen spürte. Die Tochter tat es sofort nach, auch ihr schien das Barfußlaufen einen Heidenspaß zu machen! Sie tobte über die Plattform, kletterte am Geländer und alles mit einer Natürlichkeit, als ob es nichts selbstverständlicheres gäbe als barfuß. Ich konnte nicht erkennen, ob es sich um britisches, australisches oder amerikanisches Englisch handelte. Bei Australiern könnte ich diese Natürlichkeit nachvollziehen, bei den konservativen Briten weniger und bei den verklemmten Amis schon gar nicht. Oder waren es Amerikaner, die ihre Heimat wegen der allgegenwärtigen Barfußverbote verlassen haben und in der Schweiz (zumindest außerhalb von Zofingen und dem Urlaubsort von Aquajeans) ein barfußfreundlicheres Land vorfanden.

Die "Australier" gingen nach einiger Zeit wieder, auch ich mußte weiter. Während sie Schuhe und Socken anzogen, zog ich nur mein T-Shirt über. Als sie sahen, daß ich ohne Schuhe und in kurzen Hosen losradelte, starrte mich die kleine "Australierin" doch an. Auf der Badeplattform schien barfuß normal zu sein, außerhalb nicht, wie im Sommer. Aber immerhin muß man den Leuten, die jetzt die Schuhe ausgezogen haben, immerhin zugute halten, daß sie nicht dem Kalender gehorcht haben.

Ich radelte über Lenzburg, Aarau und Olten zurück nach Zofingen. Unterwegs kein einiger Barfüßer, auch kein Mensch in Sandalen ohne Socken. Höchstens noch ein paar junge Frauen in bachfreien Tops oder ein Radfahrer oder Jogger in kurzen Hosen. Aber immerhin kaum Lästerer. Und keine Polizei. Was will ich mehr an diesem herrlichen "Frühsommertag"!

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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