Hi Markus, hi Puma,
Mein bisher einziger Aufenthalt in Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik war im März/April 1986, ich war hochgradig nervös, obwohl die Sprache in der Beherrschung bei mir auf Platz 3 liegt. Zwar war´s nicht sehr kalt & schneefrei, jedoch halte ich die Wahrscheinlichkeit, in der UdSSR jemals BF gegangen zu sein, mangels Erinnerung für so gut wie 0 & gehe davon aus, entweder BF oder mit weißen Tennissocken in Adiletten oder Clogs gegangen zu sein. Meine grundsätzlichen Erinnerungen, soweit in Bezug auf die heutigen Zustände überhaupt noch relevant, sind folgende:
1. Als Langhaariger & mit 50% Wahrscheinlichkeit sichtbar sockenlos überhaupt nicht aufgefallen, keine Ansprache hierauf von irgendwem, weder Taxifahrer noch Hotelpersonal, noch vom Industriekunden 'Elektrosawodsk Irgendwas' in Moskaus Vorort Krasnogorsk oder Krasnojarsk.
2. Keinerlei Indizien sichtbar, daß sommers irgendwer BF gehen könnte, Beschuhung ausgesprochen fett.
3. Den Roten Platz & das eigentliche Moskau habe ich nie gesehen. Grundsätzlich waren aber sämtliche Locations, die ich sah, SCHMUTZIG (auffällig: auch in den Metro-Stationen* viele Exkremente am Boden, die auf mich den Eindruck machten, nicht von Hunden, sondern von Menschen zu stammen). Das Wegwerfen von Unrat (Zigarettenkippen, Kleinmüll) sowie Spucken auf den Boden schien normal zu sein. Man könnte sagen: Wäre ich dort BF gegangen, wäre mein Drang nach baldiger oder sofortiger Fußwaschung nach Rückkehr ins Hotel groß gewesen. Nackte Fußsohlen haben andere Eigenschaften als Schuhsohlen, vermutlich wären sie mit schwarzem, schmierigem bis schlammigen Dreck verklebt gewesen, weil insbesondere auch Autos mächtig rauchten, Betriebsstoffe verloren etc.
4. Von Polizeistaat keine Rede, Milizionäre** kaum zu sehen.
5. Gesamteindruck: Aus diesem Land ist nicht schlau zu werden. Mein auch heute kaum verändertes Gesamtbild der Russen: Sie sind schon eine ganz besondere Nation. Unterkühlt, distanziert, aber nicht unfreundlich. Ihnen ist alles wurscht, ich vermute, daß sie BFigen Personen in der Öffentlichkeit mit gleichgültiger Verwunderung begegnen (natürlich bildet die tief im Glauben verwurzelte ältere weibliche Tempelbesucherschaft wohl eine Ausnahme). Sicher tauen sie bei hinreichendem Promillepegel irgendwie auf. Steht irgendwo irgendetwas 'rum, was irgendwas wert ist, schalten sie sofort von Gleichgültigkeit auf clevere Aufmerksamkeit (daß niemand zusieht) um und lassen die betreffende Sache, egal ob Kugelschreibermine oder Auto, diskret mitgehen. Das soll keine Pauschalisierung sein, aber irgendwie kommt mir dieser Menschenschlag intuitiv so vor, als ob er an allem Materiellen, mit dem man irgendwas anfangen kann, sehr interessiert ist.
Sicher bekannt ist jedoch, daß der real existierende Sozialismus zumindest in der einstigen DDR nicht BF-freundlich war. Nach der 'Wende' & in den frühen 90ern hatte ich zahlreiche Kontakte zu & Projekte mit Firmen, die sich umbenannt hatten, so wurde z. B. aus dem berühmten Kombinat "ROBOTRON" die "Meßelektronik Dresden". Als man sich nach 2, 3 Tagen menschlich, "kollegial" (ich war dort nicht angestellt, sondern freier Mitarbeiter) & sogar herzlich zusammengefunden hatte, rückte ich ('92 war ein Fast-Supersommer mit > 20° bereits im April) natürlich voll BF morgens zum Kantinenfrühstück ein & erfuhr dabei definitiv, daß das "ROBOTRON" einen gigantischen Verwaltungshydrozephalus mit x Vorschriften hatte, darunter auch die "Geschlossene Schuhwerks-Anforderung" in absurdesten Bereichen, also auch volles Sandalenverbot in Büros! (soll auch anderswo Standard gewesen sein). Man begegnete meinem BF mit hochgezogenen Augenbrauen & etwas verwundert, konstatierte aber dann mit Stolz, daß man diese Vorschrift als eine der ersten nach der Wende gekippt hätte. So liefen dann viele BF in Berkemanns oder Flipflops 'rum, voll BF aber keiner. Auch zu DDR-Zeiten gab es natürlich schon "wilde", auch langhaarige Typen, die gerne BF in Dingern liefen, die den einstigen Römerschnürsandalen irgendwie ähnlich sahen (beliebt war auch, sich z. B. aus einem Stück Orientteppichimitat eine Weste mit ausgeschnittenen Ärmellöchern zu basteln). Von "solchen" erfuhr ich aber, daß man als jemand, der sich in Richtung "westlich-dekadent" bis an die äußerste Grenze wagte, Schiß davor hatte, auch noch voll BF zu laufen, weil die sozialistische Obrigkeit dieses Flair des "Asozialen" nicht mochte.
Mitte der 90er war dann ebenfalls wieder Schluß mit lockerer oder fehlender Beschuhung, weil die Besserwessi-Manager, die die Firmen schließlich "abwickelten", sich darüber aufregten.
Jedenfalls ist meinerseits festzustellen, daß ich in den Jahren 1992 - 94 (danach war ich nicht mehr in den Neuen Bundesländern) in Dresden & Leipzig als BFiger ausnahmslos freundlich & aufgeschlossen aufgenommen wurde, ebenso in Polen. Von Osteuropäern (in "meinem" leider kürzlich geschlossenen Frühstücks-BF-Stammcafe´ im Industriegebiet Attaching/Flughafen M fanden sich z. B. viele einstige Jugoslawen) ist mir bisher noch nie Gemecker über mein BF begegnet, die typischen Reaktionen sind: Augenbrauen hochziehen, Verwunderung. Die Armutsassoziation gepaart mit dem Wahrnehmungs-Paradoxon eines bohemien"istischen" Lebensstils scheint jedoch stärker gegeben zu sein als bei "westlichen" Querulanten, bei denen mehr "Sich nicht anpassen können, sich nicht benehmen können, fehlende(r) Stil & Etikette" durchschimmert. Diese bilden nach meiner Erfahrung die 1. Garnitur der BF-Gegnerschaft, den 2. Platz belegen eindeutig die Angehörigen des orientalischen Kulturkreises. Seit ca. 2 Jahren sehe ich in meiner Umgebung auch immer mehr Asiaten (Festlandschinesen, Koreaner, Vietnamesen), sei es wg. der beiden Großarbeitgeber Texas Instruments, Flughafen oder als Studenten des TU-München-Ablegers Weihenstephan) mit folgendem Charakteristikum: Die reagieren auf mein BF überhaupt nicht. Dies könnte natürlich im eigenen Land anders sein, Taiwan & die Philippinen sind mir jedenfalls (Stand: frühe 90er) als BF-freundlich bekannt.
Abschließend darf ich auf das auch aus meiner Sicht bestehende starke West-Ost-Gefälle in Sachen Schreiberaktivität in diesem Forum verweisen & auch alle aus den Neuen Bundesländern sowie natürlich auch aus Polen, Tschechien, Rußland etc. dazu ermuntern, sich einmal bemerkbar zu machen.
Freundliche BF-Grüße, Jay
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*) auch in RUS heißt die U-Bahn "Metro" (ausgesprochen Mjetro). Jede einzelne Station ist ein Kunstwerk für sich.
**) Miliz ist die "normale" Polizei, die im Unterschied zur früheren "politischen" schlecht ausgerüstet ist.