@Puma: Rußland (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Friday, 23.02.2007, 19:42 (vor 6420 Tagen)

Puma schrieb:

War eigentlich mal jemand von Euch in Rußland? Ich war zweimal dort...

Hi Puma!

Ich habe im Mai 2005 eine Woche bei warmem sonnigem Wetter in Moskau verbracht, allerdings nicht barfuß, sondern in Flipflops. Da wir viele Kirchen besichtigten und die alten Babuschka's, welche die Kirchen bewachen, sofort lautstark einschreiten, wenn ihnen etwas mißfällt, wollte ich keinen derartigen Zwischenfall riskieren. Im übrigen war ich mit einer langen Jeans und einem hellen Hemd mit langen Ärmeln bekleidet, und diese Kleidung war für die Babuschka's offenbar akzeptabel (besonders heftig reagieren sie erfahrungsgemäß, wenn Frauen in Hosen oder ohne Kopftuch die Kirche betreten).
Barfüßige Personen habe ich in Moskau nicht gesehen, obwohl das Wetter dazu einlud (Tagestemperaturen um 25° C), und auch sokkenlose Personen waren sehr selten; insbesondere unter der männlichen Bevölkerung Rußlands scheint Sokkenlosigkeit sehr unüblich zu sein.
In Kaugummi bin ich nicht getreten, weder auf dem Roten Platz noch sonstwo, aber die Straßen sind auch im Zentrum von Moskau ziemlich drekkig und sehr stark befahren.
Besonders berührt war ich von den großen sozialen Gegensätzen:
In Moskau gibt es viele elegante Restaurants und Geschäfte, und die Stadt gilt als eine der "teuersten" in Rußland, leider aber auch sehr viele Bettler (die freilich allesamt fett beschuht waren) und endlose öde, aus verrottenden Hochhäusern bestehende Vorstädte. Die Sehenswürdigkeiten befinden sich fast sämtlich im Zentrum und sind mit der U- Bahn, deren Stationen ihrerseits sehr sehenswert sind, gut zu erreichen.
Auf der Straße barfuß zu laufen, dürfte in Moskau kein Problem darstellen (und schwarze Fußsohlen sind garantiert), aber ob man barfuß zu den Sehenswürdigkeiten eingelassen wird (z. B. in die berühmte Tretjakov- Galerie mit ihrer riesigen Sammlung von z. T. weltberühmten Gemälden), weiß ich nicht.

Barfüßige Grüße,
Markus U.

@Puma: Rußland

Puma, Stammposter, Friday, 23.02.2007, 22:16 (vor 6420 Tagen) @ Markus U.

Hi Markus,

danke für Deinen Bericht. Ging mir auch so: In die Sehenswürdigkeiten habe ich mich nicht barfuß reingetraut. Irgendwie ist das komisch, wenn man sich mit den meisten Menschen nicht unterhalten kann. Und andere Barfüßer habe ich in Moskau auch nicht gesehen. Aber auf dem flachen Land konnte ich schon den ein oder anderen (Mit-)Barfüßer entdecken. Meistens (aber nicht nur) waren es Kinder oder Jugendliche.

Barfuß vor dem Computer grüßt
Puma

Barfuß im real existierenden Sozialismus & danach

Jay, Stammposter, Friday, 23.02.2007, 23:07 (vor 6420 Tagen) @ Markus U.

Hi Markus, hi Puma,
Mein bisher einziger Aufenthalt in Sojus Sowjetskich Sozialistitscheskich Respublik war im März/April 1986, ich war hochgradig nervös, obwohl die Sprache in der Beherrschung bei mir auf Platz 3 liegt. Zwar war´s nicht sehr kalt & schneefrei, jedoch halte ich die Wahrscheinlichkeit, in der UdSSR jemals BF gegangen zu sein, mangels Erinnerung für so gut wie 0 & gehe davon aus, entweder BF oder mit weißen Tennissocken in Adiletten oder Clogs gegangen zu sein. Meine grundsätzlichen Erinnerungen, soweit in Bezug auf die heutigen Zustände überhaupt noch relevant, sind folgende:
1. Als Langhaariger & mit 50% Wahrscheinlichkeit sichtbar sockenlos überhaupt nicht aufgefallen, keine Ansprache hierauf von irgendwem, weder Taxifahrer noch Hotelpersonal, noch vom Industriekunden 'Elektrosawodsk Irgendwas' in Moskaus Vorort Krasnogorsk oder Krasnojarsk.
2. Keinerlei Indizien sichtbar, daß sommers irgendwer BF gehen könnte, Beschuhung ausgesprochen fett.
3. Den Roten Platz & das eigentliche Moskau habe ich nie gesehen. Grundsätzlich waren aber sämtliche Locations, die ich sah, SCHMUTZIG (auffällig: auch in den Metro-Stationen* viele Exkremente am Boden, die auf mich den Eindruck machten, nicht von Hunden, sondern von Menschen zu stammen). Das Wegwerfen von Unrat (Zigarettenkippen, Kleinmüll) sowie Spucken auf den Boden schien normal zu sein. Man könnte sagen: Wäre ich dort BF gegangen, wäre mein Drang nach baldiger oder sofortiger Fußwaschung nach Rückkehr ins Hotel groß gewesen. Nackte Fußsohlen haben andere Eigenschaften als Schuhsohlen, vermutlich wären sie mit schwarzem, schmierigem bis schlammigen Dreck verklebt gewesen, weil insbesondere auch Autos mächtig rauchten, Betriebsstoffe verloren etc.
4. Von Polizeistaat keine Rede, Milizionäre** kaum zu sehen.
5. Gesamteindruck: Aus diesem Land ist nicht schlau zu werden. Mein auch heute kaum verändertes Gesamtbild der Russen: Sie sind schon eine ganz besondere Nation. Unterkühlt, distanziert, aber nicht unfreundlich. Ihnen ist alles wurscht, ich vermute, daß sie BFigen Personen in der Öffentlichkeit mit gleichgültiger Verwunderung begegnen (natürlich bildet die tief im Glauben verwurzelte ältere weibliche Tempelbesucherschaft wohl eine Ausnahme). Sicher tauen sie bei hinreichendem Promillepegel irgendwie auf. Steht irgendwo irgendetwas 'rum, was irgendwas wert ist, schalten sie sofort von Gleichgültigkeit auf clevere Aufmerksamkeit (daß niemand zusieht) um und lassen die betreffende Sache, egal ob Kugelschreibermine oder Auto, diskret mitgehen. Das soll keine Pauschalisierung sein, aber irgendwie kommt mir dieser Menschenschlag intuitiv so vor, als ob er an allem Materiellen, mit dem man irgendwas anfangen kann, sehr interessiert ist.

Sicher bekannt ist jedoch, daß der real existierende Sozialismus zumindest in der einstigen DDR nicht BF-freundlich war. Nach der 'Wende' & in den frühen 90ern hatte ich zahlreiche Kontakte zu & Projekte mit Firmen, die sich umbenannt hatten, so wurde z. B. aus dem berühmten Kombinat "ROBOTRON" die "Meßelektronik Dresden". Als man sich nach 2, 3 Tagen menschlich, "kollegial" (ich war dort nicht angestellt, sondern freier Mitarbeiter) & sogar herzlich zusammengefunden hatte, rückte ich ('92 war ein Fast-Supersommer mit > 20° bereits im April) natürlich voll BF morgens zum Kantinenfrühstück ein & erfuhr dabei definitiv, daß das "ROBOTRON" einen gigantischen Verwaltungshydrozephalus mit x Vorschriften hatte, darunter auch die "Geschlossene Schuhwerks-Anforderung" in absurdesten Bereichen, also auch volles Sandalenverbot in Büros! (soll auch anderswo Standard gewesen sein). Man begegnete meinem BF mit hochgezogenen Augenbrauen & etwas verwundert, konstatierte aber dann mit Stolz, daß man diese Vorschrift als eine der ersten nach der Wende gekippt hätte. So liefen dann viele BF in Berkemanns oder Flipflops 'rum, voll BF aber keiner. Auch zu DDR-Zeiten gab es natürlich schon "wilde", auch langhaarige Typen, die gerne BF in Dingern liefen, die den einstigen Römerschnürsandalen irgendwie ähnlich sahen (beliebt war auch, sich z. B. aus einem Stück Orientteppichimitat eine Weste mit ausgeschnittenen Ärmellöchern zu basteln). Von "solchen" erfuhr ich aber, daß man als jemand, der sich in Richtung "westlich-dekadent" bis an die äußerste Grenze wagte, Schiß davor hatte, auch noch voll BF zu laufen, weil die sozialistische Obrigkeit dieses Flair des "Asozialen" nicht mochte.
Mitte der 90er war dann ebenfalls wieder Schluß mit lockerer oder fehlender Beschuhung, weil die Besserwessi-Manager, die die Firmen schließlich "abwickelten", sich darüber aufregten.
Jedenfalls ist meinerseits festzustellen, daß ich in den Jahren 1992 - 94 (danach war ich nicht mehr in den Neuen Bundesländern) in Dresden & Leipzig als BFiger ausnahmslos freundlich & aufgeschlossen aufgenommen wurde, ebenso in Polen. Von Osteuropäern (in "meinem" leider kürzlich geschlossenen Frühstücks-BF-Stammcafe´ im Industriegebiet Attaching/Flughafen M fanden sich z. B. viele einstige Jugoslawen) ist mir bisher noch nie Gemecker über mein BF begegnet, die typischen Reaktionen sind: Augenbrauen hochziehen, Verwunderung. Die Armutsassoziation gepaart mit dem Wahrnehmungs-Paradoxon eines bohemien"istischen" Lebensstils scheint jedoch stärker gegeben zu sein als bei "westlichen" Querulanten, bei denen mehr "Sich nicht anpassen können, sich nicht benehmen können, fehlende(r) Stil & Etikette" durchschimmert. Diese bilden nach meiner Erfahrung die 1. Garnitur der BF-Gegnerschaft, den 2. Platz belegen eindeutig die Angehörigen des orientalischen Kulturkreises. Seit ca. 2 Jahren sehe ich in meiner Umgebung auch immer mehr Asiaten (Festlandschinesen, Koreaner, Vietnamesen), sei es wg. der beiden Großarbeitgeber Texas Instruments, Flughafen oder als Studenten des TU-München-Ablegers Weihenstephan) mit folgendem Charakteristikum: Die reagieren auf mein BF überhaupt nicht. Dies könnte natürlich im eigenen Land anders sein, Taiwan & die Philippinen sind mir jedenfalls (Stand: frühe 90er) als BF-freundlich bekannt.
Abschließend darf ich auf das auch aus meiner Sicht bestehende starke West-Ost-Gefälle in Sachen Schreiberaktivität in diesem Forum verweisen & auch alle aus den Neuen Bundesländern sowie natürlich auch aus Polen, Tschechien, Rußland etc. dazu ermuntern, sich einmal bemerkbar zu machen.
Freundliche BF-Grüße, Jay
--
*) auch in RUS heißt die U-Bahn "Metro" (ausgesprochen Mjetro). Jede einzelne Station ist ein Kunstwerk für sich.
**) Miliz ist die "normale" Polizei, die im Unterschied zur früheren "politischen" schlecht ausgerüstet ist.

Barfuß im heutigen Moskau

Alexchen ⌂ @, Saturday, 24.02.2007, 10:45 (vor 6420 Tagen) @ Jay

Ich bin oft im Sommer in Moskau zu Besuch. In Moskau läuft kein Mensch barfuß. Auch nicht in Flip-Flops. Selbst eine kurze Hose gilt im Stadtzentrum als ziemlich asozial. In kleineren russischen Städten (sogar schon in Sankt-Petersburg) waren Flip-Flops und kurze Hose kein Problem. Moskau hat da anscheinend einen besonderen Status. :-)

[image] http://www.flip-flop-forum.de

Mai 2005

malo, Stammposter, Saturday, 24.02.2007, 17:37 (vor 6419 Tagen) @ Markus U.

Hallo,

bei meinem Besuch in Mockba im Mai 2005 war es ausgenommen eher kühl.
Bei Männern war wie zu erwarten der Drang nach geschlossenen Schuhen da. In der Stadt selbst bei den Frauen das Schuhwerk ähnlich wie hier in D. Jedoch wie überall! in der GUS (Polen, Ungarn, Tschechei,...) war beim Bürovolk/Geschäftsvolk bei den berufstätigen Damen die Pantolette, Sandale, etc... gang und gäbe! Auch sockenlos! Frau trägt dort luftig und bequem auf Arbeit. Außer irgendwelchen aufgesteckten Tussen in Büros mit Touri-Verkehr...
Murom, 300 km östlich Moskau: es war der warme Tag. Plötzlich ein saftiges Gewitter mit großem Wolkenbruch. Klar das in Putins Reich, der versottenen Bordsteine und Regenwasserkanäle, nix mehr abläuft. Ergebnis: große Flächen teils über 10 cm tief mit einer dreckig-schwarzen Brühe vollgelaufen! Wir waren glücklicherweise im Bahnhof. Männer umliefen mit fetten Schuhen gekonnt die Stauseen. Auch die Frauen mit gleichem Schuhwerk. Was aber respektierlich war: zwei stolzierten mit Stillettos umher, fein angezogen. Schwubs, Schuhe aus!, und über die Straße durch den See durch. Allerdings gingen sie auf der anderen Straßenseite gleich in ein Haus rein.
Allgemein: Metro in Moskau sauber! Ohne!!!! Kippen! Auch die Bahnhöfe. Doch stets ist alles mit dem typischen Russenmuff geruchlich überlagert. Die Gehsteige mal so, mal so. Oft sandig verdreckt. Innenstädtisch sehr verdreckt mit hingespuktem, ausgelaufenen aus Mülltonnen, schmierig, ölig, rußig. Teils richtig klebrig.

Gruß,
malo

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