Barfüßige Radtour zum Berner Weihnachtsmarkt (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Monday, 04.12.2006, 13:38 (vor 6502 Tagen)

Sonntag, 3.12.2006: Dank Zwischenhoch (die Nacht zuvor hatte es geregnet) war es morgens gegen 9 Uhr mit ca. 6°C noch so, daß man ohne Schuhe (und ohne Mütze) Fahrrad fahren konnte. Ich wollte nach Bern, unter anderem auf den dortigen Weihnachtsmarkt. Da es Zwischenzeit auch Gebiete mit Nebel gab, war ich froh, daß hinter Burgdorf die Sonne Überhand gewann. Unterwegs ein paar ungläubige Gesichter, sonst nichts.

Bereits in Ostermundigen war ein Weihnachtsmarkt neben der Straße nach Bern aufgebaut, einschließlich Kindereisenbahn. Obwohl ich eher langsam fuhr, sah niemand von den Marktbesuchern auf meine Füße. Sie interessierte nur der Markt und nicht, was sich auf der Straße bewegte. Nur Leute, die die Straße überquerten, bemerkten meine nackten Füße. Speziell Kinder machten große Glotzaugen.

In Bern stellte ich mein Velo in der Nähe des Hauptbahnhofs ab und kettete es sorgfältig an. Die Temperatur war kurz nach 12 Uhr so hoch, daß ich meine Jacke im Rucksack verstauen konnte (nun war der Rucksack voll, für Notschuhe wäre kein Platz gewesen). Zufällig wartete in der Nähe auch eine Dampfstraßenbahn [image]
an der Haltestelle. Um dieses Tram waren viele Leute versammelt, sie interessierten sich für die alte Technik, nicht für meine Aufmachung. Auch filmte einer die Bahn. Ich hoffe nicht, daß ich die Dampftramromantik im Film gestört habe.

Ich wanderte zum Weihnachtsmarkt http://www.weihnachtsmarktbern.ch/ am Waisenhausplatz beim Käfigturm. Obwohl diesmal auch oberhalb der Gürtellinie nicht übermäßig winterlich gekleidet, schienen sich kaum Erwachsene an meiner Aufmachung zu stören, jedoch wiesen Kinder ihre Eltern häufig darauf hin, daß ich barfuß war. Hier in Bern wurde (anders als in Zofingen) selten das Wort "barfues" gebraucht, dafür umso häufiger "bluttfues". Auch hier waren aber viele Kinder trotz der milden Temperaturen hochwinterlich gekleidet mit Handschuhen und Mützen.

Auch in den Lauben waren es meist die Kinder, denen meine Aufmachung auffiel, die Erwachsenen interessiert, was es in den Läden gab. Beim Bärengraben dagegen (dort waren in erster Linie Touristen), schien ich um diese Jahreszeit ein selteneres Bild abzugeben als ein Teddybär in der Stadt. Ich ging die Straßenrampe hinunter zum Aareufer folgte der Straße flußaufwärts. Ein Polizeifahrzeug fuhr vorbei - ohne anzuhalten oder auch nur die Geschwindigkeit zu reduzieren. Die Berner Stadtpolizei scheint doch toleranter geworden zu sein, seitdem der heftig umstrittene K. Wasserfallen nicht mehr das Zepter führt.

Dann ging ich wieder den Berg hinauf in Richtung Bundeshaus [image].
Im warmen Sonnenschein setzte ich mich auf eine Bank, um was zu verzehren. Vor mir fuhr die Marzili-Seilbahn auf und ab, und ich sah, wie die Straßenbahnen über die Kirchenfeldbrücke rollten, darunter einmal auch das Dampftram sowie ein historisches elektrisches Tram. Neben winterlich vermummten Gestalten beobachtete ich hier auch Leute im T-Shirt oder Radfahren bzw. Jogger in kurzen Hosen (aber nie gleichzeitig). Aber barfuß oder auch nur sockenlos war keiner außer mir.

Ich verließ den Platz. Der Brunnen vor dem Bundeshaus, der im Sommer manch einen Menschen, der sonst nie barfuß läuft, dazu "nötigt", sich der Schuhe zu entledigen, war außer Betrieb. Mein nächstes Ziel war der Weihnachtsmarkt am Münster. Auch hier waren die Reaktionen ähnlich gelagert wie auf dem Waisenhausplatz. Hinterher ging ich einen Weg hinunter, die Holztreppe, die barfuß angenehm begehbar ist, in der Nähe des Münsters wieder hinauf, dann in Richtung Bundeshaus, dort parallel zur Marzilibahn wieder hinunter. Ich überquerte die Aare auf einer "Niedrigbrücke", um dem Ufer zum Wehr zu folgen. Dann hoch zur Kirchenfeldbrücke, die ich überquerte in Richtung Altstadt. Hier schauten mich etliche Leute entgeistert an. Auch die Passagiere im "Blauen Bahnli", das von Worb kam und nun langsam über die Brücke in Richtung Endstation rollte, drehte sich nach mir um und blickten auf meine Füße, wie wenns in Düsseldorf wäre.

Wieder durch Marktgasse und durch einen östlich gelegenen Straßenzug zurück. Hier waren auch lebende Tiere wie Esel und Schafe, auch sah man hier Leute in Trachten. Aber keine barfüßigen Hirten, die wirklich zur Weihnachtsgeschichte passen, zum Stall von Bethlehem. Aber hier war ja auch nicht Bethlehem, das liegt ein paar Kilometer westlich in Richtung Bümplitz. So gelangte ich wieder ins andere Ende der Altstadt, über die hölzerne Nydeggtreppe ging ich hoch, um ein letztes Mal durch die Marktgasse zu schlendern.

Auch wandelte ich noch einmal über den Weihnachtsmarkt am Waisenhausplatz. Diesmal blickten mich auch erwachsene Leute fraglos an, war es etwa ein anderes Publikum auf dem Markt gegenüber am frühen Nachmittag. Waren vielleicht die Marktbesucher am frühen Nachmittag in Hektik und wollten noch auf dem Markt einkaufen, während nun die Leute mehr zum Glühwein trinken usw. dort und hatten somit mehr Zeit, die Leute zu beachten, egal ob sie nun barfuß waren, einen komischen Hut trugen usw.

Ich ging noch einmal durch die Bahnhofspassage und kam gerade bei der Haltestelle des Dampftrams vorbei. Vermutlich der letzte dieser Sonderzüge setzte sich pfeifend in Bewegung. Die Leute im Wagen drehten sich (anders als die im "normalen Tram" oder im "Blauen Bahnli" nicht die Köpfe in Richtung Füße, nur zwei Mädchen blickten gelangweilt aus dem Fenster und deuteten mit dem Finger auf meine Füße. Ich kann mir den Unterschied so erklären: Die meisten Leute, die mit der Straßenbahn fahren, machen dieses, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Da sie es vielleicht häufiger machen, ist es Routine, man schaut aus dem Fenster (vielleicht weil man sich nicht traut, anderen Fahrgästen in die Augen zu schauen). Wer jedoch mit einem historischen Sonderfahrzeug fährt, den interessiert das Fahrzeug, weil es was besonderes ist, was man nicht jeden Tag erlebt. Unbedeutende Dinge im Alltag, etwa nackte Füße, interessieren dann nicht. Die beiden Mädchen fuhren vermutlich nur deswegen mit dem Dampftram, weil der Vater (oder ein Bruder?) es unbedingt wollte, und sie mußten mitkommen. Vielleicht fühlten sie sich im Dampftram ähnlich fehlt am Platze wie fett beschuhte und konsequent bemützte Töchter auf einer Wanderung mit ihrem barfußbegeisterten Vater.

Ich fand mein Fahrrad unbeschädigt vor, zog die Jacke wieder an und radelte los. Die Sonne verschwand bald, es wurde rasch kühl, was ich speziell an den Händen spürte, weniger an den Füßen (und schon gar nicht an den Beinen und an den Ohren). Zuerst blickten mich die Leute noch an. Je ländlicher es wurde (und auch dunkler), desto weniger bekamen die Leute meine Aufmachung mit. In Herzogenbuchsee, wo der Weihnachtsmarkt neben der Straße war, bekam es keiner mit. Die Leute auf dem Markt achten doch nicht auf einen barfüßigen und kurz behosten Radfahrer, der neben den Autos herfährt. Hinter Langenthal stellte ein Beifahrer bei voller Fahrt die "dümmste Frage der Welt", die ich nicht beantwortete, da ich keine Lust hatte meine Stimmbänder übermäßig zu strapazieren (das wäre nötig gewesen, um sicher zu gehen, daß der Beifahrer in einiger Entfernung meine Worte auch noch versteht). Zu Hause angekommen, hatte ich Schwierigkeiten, den Schlüssel im Schloß zu drehen, so klamm waren meine Hände. Die Füße waren zwar nicht klamm, aber da ich jahrzehntelang gesündigt habe und bis vor gut 3 Jahren immer Schuhe getragen habe, sind meine Füße derart verkümmert, daß ich nicht in der Lage bin, auch bei normaler Temperatur damit eine Tür aufzuschließen. Und mein Gebiß ist auch zu schwach, um mit dem Mund die Tür zu öffnen.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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