Auf geschichtsträchtigen Pfaden Berlins (Hobby? Barfuß! 2)

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 27.11.2006, 23:04 (vor 6509 Tagen)

Hallo

Nachdem Johannes meinte, es gäbe so viele wunderschöne Grünzüge in Berlin, die man mal für Barfußwanderungen ergründen und zusammenfassen sollte, empfahl ich ihm eine Route vom Norden Berlin-Zehlendorfs, wo ich zu Hause bin, zur Stadtgrenze. Wir trafen uns daraufhin gestern bei mir zu Hause und wanderten los durch verschiedene Parkanlagen und Grünstreifen, stets abseits der Straßen.
Im Fischtalpark bekamen meine Eltern vor etwa 50 Jahren Probleme mit einem Parkwächter, weil sie meinen damals noch sehr kleinen großen Bruder nur kurz für ein Foto auf den Rasen setzten, obwohl das Betreten des Rasen streng verboten war. Vermutlich hätte ein solcher Parkwächter auch das barfüßige Betreten des Parks aus Sicherheitsgründen verboten, aber heutzutage kann man problemlos barfuß über sämtliche Rasenflächen gehen, vorausgesetzt man achtet auf die Hinterlassenschaften einiger Vierbeiner.
Die Wege in den Parks sind leider häufig mit Splitt versehen, aber selbst der doch recht unangenehme Schotter im Zehlendorfer Gemeindewäldchen war Dank des vielen Laubs noch ganz gut begehbar.
Weiter ging es durch den Paul-Mebes-Park und über die Königstraße zum Buschgraben. Bei der Königstraße handelt es sich übrigens um die ursprüngliche Verbindung von Berlin nach Potsdam, die unter Friedrich dem Großen als erste Landstraße in Preußen gepflastert wurde. Heute ist das eine reine Wohnstraße von sehr geringer Bedeutung. Ob das Pflaster noch von Friedrich dem Großen ist, weiß man nicht genau, aber man möchte es durchaus für möglich halten.
Am Buschgraben entlang ging es dann auf fein gesplittetem Weg zur ehemaligen S-Bahnstrecke von Zehlendorf nach Düppel, die 1980 stillgelegt wurde.

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Die S-Bahn-Gleise nach Düppel liegen auch 26 Jahre nach der Stillegung noch. Die dritte Schiene ist die Stromschiene

Warum man eine S-Bahn stillgelegt hat, ist nur zu verstehen, wenn man sich mit den Folgen von Mauerbau und kaltem Krieg auskennt. Die S-Bahn war stets ein Spielbau zwischen Ost und West.
Neben der eingleisigen S-Bahntrasse verläuft ein wunderbar angenehmer Weg aus Rindenmulch, der auf der Trasse des zweiten, 1945 abgebauten, Gleises angelegt wurde. Am ehemaligen S-Bahnhof Zehlendorf-Süd, der nur von 1972 bis 1980 betrieben wurde gingen wir über den noch gut erhaltenen Bahnsteig mit Betonboden.

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Der ehemalige S-Bahnhof Zehlendorf-Süd

Weiter gingen wir am Museumsdorf Düppel http://www.dueppel.de/ vorbei, einem wiederaufgebauten Dorf aus dem 13. Jahrhundert bis zum ehemaligen Bahnhof Düppel, wo wir die Stadtgrenze erreichten. Das Ortsschild von Kleinmachnow steht seltsamerweise mitten in Berlin. So ist der Verlauf der Mauer kaum noch nachvollziehbar.
Wir folgten dann der bereits 1945 abgebauten Fortsetzung der Eisenbahnstrecke, die übrigens mit Baujahr 1838 die erste Eisenbahn in Preußen war. Ab 1961 befand sich dort der Todesstreifen der Mauer. Stellenweise befand sich noch etwas Eisenbahnschotter auf dem Weg, aber vermengt mit reichlich märkischem Sand war das nicht weiter unangenehm.
Nach einer Weile erreichten wir die Autobahn. Dort mussten wir einen kleinen Abstecher nach Norden unternehmen, um in Zuge des Königswegs, der Fortsetzung der Königsstraße, die Autobahn zu überqueren. Ein Stück folgten wir dem geschotterten Königsweg, bis wir auf den parallelen Sandweg auswichen. Über den ersten nach links abzweigenden Weg erreichten wir wieder den ehemaligen Todesstreifen, der sich hier auf einer stillgelegten Autobahn befand.

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Reste der alten Autobahn bei Dreilinden

Dieser 1940 fertiggestellte Autobahnabschnitt führte nachdem er Berlin verließ zunächst parallel zur Stadtgrenze, um dann noch einmal ein Stückchen von Berlin zu durchqueren. Zu Zeiten der DDR war das nicht akzeptabel, daher wurde im Rahmen der "Grenzsicherung" die Autobahn von der DDR neu trassiert.
Die alte Autobahntrasse ist inzwischen weitgehend abgerissen und der Natur zurückgegeben worden, aber an manchen Stellen hatten wir auch vermoosten Asphalt einer Autobahn. Ein wirklich ungewöhnlicher Boden.
Irgendwo sahen wir rechts ein altes Gleis liegen, den Rest der bereits 1961 stillgelegten S-Bahn nach Stahnsdorf.

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Reste der sogenannten Friedhofsbahn, der S-Bahn nach Stahnsdorf

In einer Linkskurve unterquerten wir die Brücken der alten Eisenbahnstrecke nach Potsdam, deren Widerlager bereits für den von den Nazis geplanten völlig übertriebenen sechsgleisigen Ausbau vorbereitet sind. Ein Stück weiter näherten wir uns der Brücke über den Teltowkanal, wo die Autobahn noch recht gut erkennbar ist.

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Hinter der Teltowkanalbrücke führte die Autobahn wieder durch West-Berlin, wo sich einst der westliche Kontrollpunkt befand. Die Beschriftung auf dem Asphalt erinnert daran.

Nachdem wir den Kanal überquert hatten erreichten wir die ehemalige Rastanlage Dreilinden.

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In der Rastanlage Dreilinden befindet sich heute eine Gedenkstätte

Weiter ging es dann am Campingplatz in Albrechts Teerofen weiter, am Teltowkanal entlang bis nach Kohlhasenbrück, wo wir in den Bus stiegen, der uns wieder zu mir nach Hause brachte.
Eine wunderbare Wanderung, die wohl vor allem für Johannes auch sehr interessant war, ging zu Ende. Es war trotz fehlender Sonne noch warm genug und blieb trocken. Leider mussten wir das letzte Stück am Teltowkanal schon im Dunkeln gehen, aber das wichtigste haben wir bei Tageslicht betrachten können.

Viele Grüße

Ulrich

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