Mund- und Fußmalende Künstler (Hobby? Barfuß! 2)

JohnK ⌂, Stammposter, Sunday, 05.11.2006, 01:01 (vor 6532 Tagen)

Als ich heute mittag auf dem Rückweg vom wieder mal vor Reklame überquellenden Briefkasten an der Altpapierkiste vorbeikam und die oft geübte Wegwerfbewegung mit der Hand ausführen wollte stutze ich und stoppte den Frisbee-Schwung der Hand, die einen Reklamebrief der "MFK Mund- und Fußmalenden Künstler Verlag GmbH" gerade noch zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Als den Füßen positiv gegenüber eingestellter Mensch konnte ich mein Interesse dieser Sendung gegenüber nicht mehr zurückhalten und öffnete den Umschlag.

Darin wurde ich in einem von Antje Kratz im Original fußgeschriebenen Brief als "Verehrter Kunstfreund" tituliert, einem geschickten Werbeschachzug, der meinem Intellekt und meinem kulturellen Niveau schmeicheln sollte. Die Wirkung wurde nicht verfehlt. Doppelt motiviert (fußgeschriebener Brief + geschmeichelter Intellekt) vertiefte ich mich in den Inhalt und vernahm, dass ich soeben Besitzer von einer "Serie aus 6 Weihnachts- bzw. Neujahrskarten mit Kuverts, 6 Stück Geschenkanhänger und einem Taschenkalender" geworden bin. Die Auswahl meiner bescheidenen Person für dieses interessante Geschenk von Kunstkarten, zwar allesamt mundgemalt, aber dennoch eine unverhoffte Bereicherung meines Besitzstandes darstellend, erfüllte mich mit dem Hauch von Stolz und Überlegenheit einer erwählten Persönlichkeit und einem gewissen Hochgefühl, aus dem heraus ich dem Wunsch des Verlages nachkam und das Überweisungsformular mit dem geforderten Betrag von € 8,90 (incl. MWSt.) ausfüllte. Ich hab‘s aber noch nicht zur Bank gebracht. Was meint Ihr? Soll ich das tun?

Aus dem Brief ging weiter hervor:
"Der Zusammenschluß der Mund- und Fußmalenden Künstler ist eine Selbsthilfeorganisation, die ausschließlich aus schwerbehinderten Künstlern besteht. Wir Künstler haben gelernt, mit dem Pinsel im Mund oder zwischen den Zehen zu malen, da uns durch Unfall, Krankheit oder von Geburt an er Gebrauch unserer Hände genommen ist.
Wir gehören als Mitglieder oder Stipendiaten der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler an, die schon im Jahre 1956 von dem deutschen Mundmaler Arnulf Erich Stegmann gegründet wurde.
Ziel unserer Selbsthilfe ist es, den Lebensunterhalt mit dem Malen zu verdienen. Dies wird uns ermöglicht durch den Verkauf unserer Werke als Reproduktion auf Grußkarten, Kunstkalendern und sonstigen Artikeln.
Vom MFK-Verlag werden Ihnen diese kleinen Kunstwerke exklusiv auf dem Postweg angeboten. Durch den Kauf helfen Sie uns und würdigen unsere künstlerische Arbeit, was uns die Kraft und Selbstbestätigung gibt, um weiterzuarbeiten..."

Ohne Frage zolle ich der Bewältigung von Lebensumständen behinderter Menschen ...

[image]

... und der Arbeit von mund- und fußmalenden Künstlern größten Respekt. Sollten die Ausführungen zutreffen, ist das Anfertigen von Kunstwerken mit den Füßen ein Beweis für den großen Lebensmut dieser Menschen und für die weit unterschätzten Fähigkeiten der Füße. Ich wünsche den mund- und fußmalenden Künstlern viel Kraft und Erfolg für ihre Arbeit.

Habt Ihr bereits etwas über diese Organisation gehört (evtl. Künstler kennengelernt) und könnt die o.g. Angaben bestätigen?

Johannes

[image] MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH

Mund- und Fußmalende Künstler

Carsten, Sunday, 05.11.2006, 09:27 (vor 6532 Tagen) @ JohnK

Hi, Johannes,
diese mit Fuß oder gar Mund gemalten Kunstpostkarten habe ich auch schon seit einigen Jahren -wie auch die der SOS-Kinderdörfer (Weihnachtskarten)in der Post gehabt. Neben der ganzen Reklameflut
die ich ins Altpapier gebe, schaue ich mir diese jedoch an und halte inne: klar, dass sie in der emotional od. stimmungsvollen Vorweih-nachtszeit kommen, find ich legitim, sind doch so die Herzen (und Portmonees) offener als sonst übers Jahr gesehen.Vorletztes Jahr habe ich einen Betrag überwiesen und habe es auch nicht bereut.Vor längerer Zeit habe ich im TV eine Sendung hierüber gesehen, wie mühsam solch ein Leben von Menschen ist, denen Extremitäten fehlen. Viele bekommen im Laufe des Lebens enorme Wirbelsäulenschäden. Außerdem müssen sie doch auf Vieles in ihrem Leben verzichten. Dabei haben die Fuß-"Arbeiter" eine derartig faszinierende Gelenkigkeit und
Präzision, dass es schon sehr anrührt.Da ich selbst einen schweren Unfall (als Fußgänger vom Pkw angefahren, Wirbelsäule ist "durch")hatte, aber dank meines Riesen-"Schutzengels" nicht im Rolli sitze, bin ich dankbar, dass ich noch meine Hände und meine Füße habe.Leitvers für mich ist seitdem: "Ich war traurig,weil ich keine Schuhe hatte (naja, das mit den Schuhen trifft nicht ganz ;-)Bis ich jemand traf der keine Füße hatte."(*)In diesem Sinne bin ich immer aufs Neue dankbar, wenn in meinem Alltag solche Erinnerung wie die Fuß- und Mundmalkünstler kommt und (bildlich gesprochen) aus dem ganzen anderen kommerziellen "Reklame-Müll" hervorsticht.Hierhin gebe ich dann bedenkenlos (von meinem Wenigen) etwas ab.
Einen schönen Sonntag und (*) "Künstlerische" Füßegrüße von
Carsten

Mund- und Fußmalende Künstler

Georg ⌂ @, Stammposter, Sunday, 05.11.2006, 09:28 (vor 6532 Tagen) @ JohnK

Habt Ihr bereits etwas über diese Organisation gehört (evtl. Künstler kennengelernt) und könnt die o.g. Angaben bestätigen?
Johannes

Hallo Johannes und Hallo zusammen,
vor der Tätigkeit der Künstler habe ich großen Respekt, den von der Organisation gewählten Vertriebsweg finde ich allerdings etwas problematisch.
Menschen, die ihre Hände nicht nutzen können, zeigen - allerdings unfreiwillig und mit ziemlicher Sicherheit ohne darauf erpicht zu sein - zu welchen Leistungen Füße über das Gehen hinaus fähig sind - und sie zeigen damit auch (allerdings wohl ohne Breitenwirkung im Bewusstsein) wie unsinnig es ist, Füße systematisch in Schuhe wegzusperren bzw. ohne Not ständig "Fußfesseln" zu tragen.
Serfuß
Georg
PS: Die von Dir genannte Antje Kratz hat eine eigene Homepage, ich habe sie

[image] hier verlinkt

Versuch einer moralische Erpressung

Manfred, Sunday, 05.11.2006, 13:00 (vor 6531 Tagen) @ JohnK

Hallo Johannes,
vielen Dank für den erfrischenden, mit leichter Ironie geschrieben Text! Wir bekommen seit einigen Jahren gegelmäßig diese Post. Dies ist ganz klar der Versuch einer "moralischen Erpressung": Wenn du das Geld nicht überweist, hast du ein doppelt schlechte Gewissen, weil du erstens den armen Behinderten nicht geholfen hast und zweitens sie noch nicht einmal die Unkosten für den Druck des Kalenders und der Karten herauskriegen, die sie dir ja ungefragt zugeschickt haben.

Auf der anderen Seite weiß ich, dass diese Menschen ohne diesen "Trick" es sehr schwer hätten, Geld zu verdienen. Behindert sein bedeutet, viele Nachteile zu haben, und die Möglichkeit, von der "Mitleidsschiene" zu profitieren, ist eine der wenigen Vorteile von Behinderung (man behaupte nicht, die Maler mit dem Pinsel würden nicht bemitleidet, sodnern bewundert, denn wenn es reine Bewunderung wäre, würden sich die Karten auch von alleine außerhalb der Weihnachtszeit verkaufen.

Ich habe mich entschlossen, mich nicht erpressen zu lassen (was mir vielleicht dadurch leichter fällt, dass meine Frau selbst behindert ist und ich andere Behinderte kenne, die diese Form der moralischen Erpressung entsetztlich finden): Wir entscheiden jedes Jahr, ob wir die Karten gebrauchen können (mir sind sie zu kitschig, aber meine Frau verschickt sie manchmal). Wenn ja, überweisen wir, wenn nein, lassen wir es bleiben. Dennoch fände ich es viel viel besser, wenn diese Künstlergruppe nur eine ehrliche Reklame verschicken würde, die einen zum bestellen aufforderte. Aber: Der Umsatz wäre vermutlich weit geringer...
Gruß!
Manfred

Als ich heute mittag auf dem Rückweg vom wieder mal vor Reklame überquellenden Briefkasten an der Altpapierkiste vorbeikam und die oft geübte Wegwerfbewegung mit der Hand ausführen wollte stutze ich und stoppte den Frisbee-Schwung der Hand, die einen Reklamebrief der "MFK Mund- und Fußmalenden Künstler Verlag GmbH" gerade noch zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Als den Füßen positiv gegenüber eingestellter Mensch konnte ich mein Interesse dieser Sendung gegenüber nicht mehr zurückhalten und öffnete den Umschlag.
Darin wurde ich in einem von Antje Kratz im Original fußgeschriebenen Brief als "Verehrter Kunstfreund" tituliert, einem geschickten Werbeschachzug, der meinem Intellekt und meinem kulturellen Niveau schmeicheln sollte. Die Wirkung wurde nicht verfehlt. Doppelt motiviert (fußgeschriebener Brief + geschmeichelter Intellekt) vertiefte ich mich in den Inhalt und vernahm, dass ich soeben Besitzer von einer "Serie aus 6 Weihnachts- bzw. Neujahrskarten mit Kuverts, 6 Stück Geschenkanhänger und einem Taschenkalender" geworden bin. Die Auswahl meiner bescheidenen Person für dieses interessante Geschenk von Kunstkarten, zwar allesamt mundgemalt, aber dennoch eine unverhoffte Bereicherung meines Besitzstandes darstellend, erfüllte mich mit dem Hauch von Stolz und Überlegenheit einer erwählten Persönlichkeit und einem gewissen Hochgefühl, aus dem heraus ich dem Wunsch des Verlages nachkam und das Überweisungsformular mit dem geforderten Betrag von € 8,90 (incl. MWSt.) ausfüllte. Ich hab‘s aber noch nicht zur Bank gebracht. Was meint Ihr? Soll ich das tun?
Aus dem Brief ging weiter hervor:
"Der Zusammenschluß der Mund- und Fußmalenden Künstler ist eine Selbsthilfeorganisation, die ausschließlich aus schwerbehinderten Künstlern besteht. Wir Künstler haben gelernt, mit dem Pinsel im Mund oder zwischen den Zehen zu malen, da uns durch Unfall, Krankheit oder von Geburt an er Gebrauch unserer Hände genommen ist.
Wir gehören als Mitglieder oder Stipendiaten der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler an, die schon im Jahre 1956 von dem deutschen Mundmaler Arnulf Erich Stegmann gegründet wurde.
Ziel unserer Selbsthilfe ist es, den Lebensunterhalt mit dem Malen zu verdienen. Dies wird uns ermöglicht durch den Verkauf unserer Werke als Reproduktion auf Grußkarten, Kunstkalendern und sonstigen Artikeln.
Vom MFK-Verlag werden Ihnen diese kleinen Kunstwerke exklusiv auf dem Postweg angeboten. Durch den Kauf helfen Sie uns und würdigen unsere künstlerische Arbeit, was uns die Kraft und Selbstbestätigung gibt, um weiterzuarbeiten..."
Ohne Frage zolle ich der Bewältigung von Lebensumständen behinderter Menschen ...
[image]
... und der Arbeit von mund- und fußmalenden Künstlern größten Respekt. Sollten die Ausführungen zutreffen, ist das Anfertigen von Kunstwerken mit den Füßen ein Beweis für den großen Lebensmut dieser Menschen und für die weit unterschätzten Fähigkeiten der Füße. Ich wünsche den mund- und fußmalenden Künstlern viel Kraft und Erfolg für ihre Arbeit.
Habt Ihr bereits etwas über diese Organisation gehört (evtl. Künstler kennengelernt) und könnt die o.g. Angaben bestätigen?
Johannes

Mitgefühl = moralische Erpressung ???

Carsten, Sunday, 05.11.2006, 20:13 (vor 6531 Tagen) @ Manfred

Hallo Manfred,

es war sicher eine "Bauchentscheidung", als ich etwas für die Fuß + Mund malenden Künstler gab. Aber noch nie kam mir dabei in den Sinn,
tief empfundenes Mitgefühl, und Bewunderung zugleich (wie unten kundgetan), mit "moralischer Erpressung" gleich zu setzen.

Meinst Du, das das Geld den Künstlern nicht zugute kommt, sondern bei dieser Firma MFK versickert ?

Füßegrüße von
Carsten

Darin wurde ich in einem von Antje Kratz im Original fußgeschriebenen Brief als "Verehrter Kunstfreund" tituliert, einem geschickten Werbeschachzug, der meinem Intellekt und meinem kulturellen Niveau schmeicheln sollte. Die Wirkung wurde nicht verfehlt. Doppelt motiviert (fußgeschriebener Brief + geschmeichelter Intellekt) vertiefte ich mich in den Inhalt und vernahm, dass ich soeben Besitzer von einer "Serie aus 6 Weihnachts- bzw. Neujahrskarten mit Kuverts, 6 Stück Geschenkanhänger und einem Taschenkalender" geworden bin. Die Auswahl meiner bescheidenen Person für dieses interessante Geschenk von Kunstkarten, zwar allesamt mundgemalt, aber dennoch eine unverhoffte Bereicherung meines Besitzstandes darstellend, erfüllte mich mit dem Hauch von Stolz und Überlegenheit einer erwählten Persönlichkeit und einem gewissen Hochgefühl, aus dem heraus ich dem Wunsch des Verlages nachkam und das Überweisungsformular mit dem geforderten Betrag von € 8,90 (incl. MWSt.) ausfüllte. Ich hab‘s aber noch nicht zur Bank gebracht. Was meint Ihr? Soll ich das tun?
Aus dem Brief ging weiter hervor:
"Der Zusammenschluß der Mund- und Fußmalenden Künstler ist eine Selbsthilfeorganisation, die ausschließlich aus schwerbehinderten Künstlern besteht. Wir Künstler haben gelernt, mit dem Pinsel im Mund oder zwischen den Zehen zu malen, da uns durch Unfall, Krankheit oder von Geburt an er Gebrauch unserer Hände genommen ist.
Wir gehören als Mitglieder oder Stipendiaten der Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler an, die schon im Jahre 1956 von dem deutschen Mundmaler Arnulf Erich Stegmann gegründet wurde.
Ziel unserer Selbsthilfe ist es, den Lebensunterhalt mit dem Malen zu verdienen. Dies wird uns ermöglicht durch den Verkauf unserer Werke als Reproduktion auf Grußkarten, Kunstkalendern und sonstigen Artikeln.
Vom MFK-Verlag werden Ihnen diese kleinen Kunstwerke exklusiv auf dem Postweg angeboten. Durch den Kauf helfen Sie uns und würdigen unsere künstlerische Arbeit, was uns die Kraft und Selbstbestätigung gibt, um weiterzuarbeiten..."
Ohne Frage zolle ich der Bewältigung von Lebensumständen behinderter Menschen ...
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... und der Arbeit von mund- und fußmalenden Künstlern größten Respekt. Sollten die Ausführungen zutreffen, ist das Anfertigen von Kunstwerken mit den Füßen ein Beweis für den großen Lebensmut dieser Menschen und für die weit unterschätzten Fähigkeiten der Füße. Ich wünsche den mund- und fußmalenden Künstlern viel Kraft und Erfolg für ihre Arbeit.
Habt Ihr bereits etwas über diese Organisation gehört (evtl. Künstler kennengelernt) und könnt die o.g. Angaben bestätigen?
Johannes

Mund- und Fußmalende Künstler

bix ⌂, Stammposter, Monday, 06.11.2006, 12:23 (vor 6530 Tagen) @ JohnK

Ich denke mal, sie wollen weder Mitleid noch Anerkennung für ihr Leben mit einer Behinderung. Sie wollen, wie andere Künstler auch, als KÜNSTLER bekannt und anerkannt werden.

Ob dir die erhaltenen Künstler-Postkarten diesen Betrag wert sind, musst du selber wissen. Genau wie bei SOS-Kinder-Dörfern, die ebenfalls ungefragt Postkarten mit Überweisungsträgern verschicken (worüber sich komischerweise noch keiner - nach dem Motto "Mitleidsmasche" - beschwert hat...)

Über die VDMFK - Vereinigung Mund- und Fussmalender Künstler in aller Welt, e. V., informiert der Link:

[image] VDMFK

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