Barfuß auf dem Weg zu mir selbst (Hobby? Barfuß! 2)

Kathrin, Monday, 30.10.2006, 10:38 (vor 6538 Tagen)

Ich muß zugeben, der Titel ist ein wenig abgekuckt. Vor ein paar Jahren schrieb Joschka Fischer das Buch "Mein langer Lauf zu mir selbst". Dort beschreibt er, wie er in einer Lebenskrise durch Laufen wieder zu sich fand.
Wie ich aus diesem Forum erfahren habe, sind die Gründe, warum jemand barfuß läuft sehr unterschiedlich. Der eine, weil es gesund ist, der anderer, weil er gerne direkten Bodenkontakt hat, der dritte um aufzufallen.
Ich bin 35 Jahre alt und in meiner Kindheit und Jugend so gut wie nie barfuß gelaufen. Den Wunsch habe ich damals schon verspürt, schließlich liefen in den 70ern und frühen 80ern wesentlich mehr Leute barfuß als heute. Zu Beginn meiner Zeit auf dem Gymnasium sah man im Sommer immmer einige Leute aus der Oberstufe barfuß durchs Gebäude oder über den Schulhof gehen. Fast immer waren es Mädchen.
Ich hätte es damals auch sehr gerne getan, doch ich habe mich nicht getraut. Ich bin sehr behütet aufgewachsen und meine Eltern haben mir sehr viel abgenommen. Ich habe mir nichts zugetraut und mich nichts getraut. Ich wurde dazu erzogen, immer auf Nummer Sicher zu gehen und kein Risiko einzugehen.
Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung in der Versicherung gemacht, in der mein Vater Abteilungsleiter war. Das war überhaupt nicht das, was ich wollte, doch mein Vater meinte, ein Job in der Versicherung ist ein Job fürs Leben. Damals stimmte das ja auch noch. Als brave Tochter habe ich mich gefügt.
Erst als ich vor ein paar Jahren meinen Mann kenennlernte, konnte ich mich von zu Hause lösen. Eine Therapie hat mir geholfen, mir über mich selbst klar zu werden.
Vor zwei Jahren haben wir Urlaub auf Juist gemacht. Ich kannte bis dahin fast nur die Berge. Auf der Insel liefen ziemlich viele Leute barfuß. Aber nicht nur am Strand, sondern auch im Ort, im Supermarkt, teilweise auch in den Lokalen. Mein alter Wunsch kam wieder nach oben. Ab dem zweiten Tag ließ ich fast immer die Schuhe auf dem Zimmer. Es war so schön, daß ich jetzt nur noch auf Nordseeinseln fahren wollte. Auch den Urlaub auf Borkum letztes Jahr habe ich überwiegemd barfuß verbracht.
Für diesen Jahr hatten wir Spiekeroog gebucht. Durch eine plötzlich Erkrankung meines Schwiegervaters war lange Zeit nicht klar, ob wir wirklich fahren konnten. Ich hatte mich schon Monate darauf gefreut, wieder barfuß laufen zu können, denn zu Hause habe ich mich es bis dahin außerhalb der Wohnung nicht getraut. Wenn wir also nicht fahren könnten, sollte ich dann dieses Jahr gar nicht barfuß laufen können.
Da wir zu diesem Zeitpunkt schon das heiße Wetter hatten, beschloß ich spontan, unseren Abendspaziergang an diesem Tag barfuß zu machen. Als wir zurück kamen, stand unsere Nachbarin vor dem Haus. Wir sprachen mit ihr über alles möglich, über meine nackten Füße verlor sie kein Wort.
Am nächsten Tag hatte ich einen Termin bei meiner Heilpraktikerin. Ich ließ die Schuhe im Auto und ging die 10 Minuten zur Praxis barfuß. Nachdem ich bei ihr fertig war, machte ich noch einen Bummel durch die Fußgängerzone. Es war vor dem Spiel Deutschland-Italien. Es waren sehr viele Menschen zum Public Viewing unterwegs. Und ich mittendrin barfuß. Ich habe keinerlei negative Reaktionen bemerkt.
Einmal habe ich eine 12km-Wanderung barfuß gemacht. Das war vielleicht ein bißchen viel. Ich hatte hinterher Blasen unter den Sohlen, von denen eine blutig war. Die letzten Kilometer konnte kaum noch gehen.
Doch schon nach drei Tagen war ich wieder barfuß unterwegs. Ich habe viele unserer Abendspaziergänge und auch die Einkäufe barfuß absolviert.
Ein einziges Mal habe ich eine negative Reaktion erlebt, als mir ein Mädchen aus einer Jugendgruppe zurief "Bah, wie ekelhaft! Bist du aus der Klapse abgehauen?"
Wir konnten dann doch an die Nordsee fahren und ich war wieder viel barfuß unterwegs. Obwohl das Wetter eher durchwachsen war, sah auch immer wieder andere Barfüßer. Auch an kühleren Tagen ließen viele Eltern ihre Kinder barfuß laufen. Es ist erstaunlich, daß die Menschen auf den Inseln soviel lockerer sind.
Seit einem Jahr mache ich im Abendlehrgang eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Wenn alles gut läuft, bin ich in zwei Jahren fertig. Dann möchte ich meinen jetzigen Job kündigen und einen eigene Praxis eröffnen. Das ist natürlich mit Risiko verbunden und viele Leute raten mir davon ab. Ich sollte das mit der Heilpraktikerin doch nur hobbymäßig für Familie, Freunde und Kollegen betreiben. Doch ich spüre, daß das nicht mein Weg ist, da ich in meinem jetztigen Beruf auf Dauer immer unglücklicher werde.
Jetzt kommt der Bezug zum Titel. Schuhe geben mir eine Sicherheit. Wenn ich barfuß laufe, kann ich irgendwo hineintreten, ich kann mir auf heißem Asphalt die Füße verbrennen, manche Untergründe sind so unangenehm, daß jeder Schritt weh tut. Manchmal gibt es dumme Blicke oder Kommentare. Mit Schuhen passiert das alles nicht. Doch mir fehlt auch eine Erfahrung.
Genauso ist es mit meinem jetztigen Job. Er gibt eine finanzielle Sicherheit, aber er ist sehr eintönig. Als Heilpraktikerin werde ich zumindest am Anfang weniger verdienen, aber ich spüre, daß mich der Beruf sehr glücklich machen wird.
Mein Therapeutin sagte einmal, barfuß sein bedeutet "zu mir stehen, meinen Weg gehen". Es bedeutet auch, schutzlos zu sein. Wenn ich meinen jetzigen Job kündige, gebe ich damit auch einen Schutz auf.
Doch ich will jetzt das Leben leben, wozu ich mich berufen fühle. Und das bedeutet barfuß zu sein, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Ich vertraue darauf, daß der Gott, der will, daß wir leben, mich auf meinem Weg beschützt.
Kathrin

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Tiziana, Stammposter, Monday, 30.10.2006, 11:58 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hallo Katrin, willkommen im Forum!

Jetzt kommt der Bezug zum Titel. Schuhe geben mir eine Sicherheit. Wenn ich barfuß laufe, kann ich irgendwo hineintreten, ich kann mir auf heißem Asphalt die Füße verbrennen, manche Untergründe sind so unangenehm, daß jeder Schritt weh tut. Manchmal gibt es dumme Blicke oder Kommentare. Mit Schuhen passiert das alles nicht. Doch mir fehlt auch eine Erfahrung.

Die Erfahrung wird jeden Tag größer und somit verstärkt sich das Selbstbewusstsein auch nach und nach, bis hin zu einer kompletten Sohlen- und Seelenabhärtung.
Es kommt dann der Zeitpunkt, wo Kommentare total kalt lassen oder sogar überhört werden, verlass dich drauf.

Ich fühle mich mittlerweile viel sicherer und geschützter, wenn ich barfuß bin, als wenn ich Schuhe trage.
Bedingt durch ein älteres Steißbeinbruch gibt mir mein Rücken immer noch Probleme. Barfuß kann ich den Untergrund abtasten und somit herauskriegen, ob er rauh, glatt, wulstig, holprig ist, ud kann die Schrittgeschwindigkeit am besten der Untergrundsbeschaffenheit anpassen.
Mit Schuhen geht das nicht, und ich kriege dadurch oft tierische Rückenschmerzen. Hinzu kommt, dass man mit Schuhen leichter stolpern und sich Hühneraugen, Fußpilz, u.v.m. zufügen kann.

Meine Freunde und Bekannten assoziieren mich mit meinen nackten Füßen, ohne mich aber darauf zu reduzieren. Über meine Selbstbewusstsein hinaus schätzen sie meine weiteren Eigenschaften und akzeptieren mich so wie ich bin.

Als Heilpraktikerin werde ich zumindest am Anfang weniger verdienen, aber ich spüre, daß mich der Beruf sehr glücklich machen wird.

"Geh, wohin dein Herz dich trägt".
Das ist nicht nur der Titel eines Romans von meiner Landsmännin Susanna Tamaro, sondern auch ein heißer Tipp von mir.
Ich musste auch eine ähnliche Situation durchgehen:
Ich war früher Deutschlehrerin bei einem italienischen Gymnasium. Mit meinen Schülern hatte ich eine gute Beziehung, obwohl ich ein bißchen streng war, aber ich konnte nicht vertragen, einer blöden Schuldirektorin den Speichel zu lecken. Hinzu kam, dass mein Deutsch durch das ständigen Umgang mit Anfängern bis Mittelstuflern nicht besser wurde, was mich auch sehr störte.
Ich war oft stocktraurig und unglücklich.
Fazit: Ich habe nach und nach mich selbständig gemacht und arbeite jetzt als Übersetzerin und Dolmetscherin.
Am Anfang war es schwer, aber da es mir mein neuer Beruf viel besser gefiel, fühlte ich mich glücklicher und konnte deshalb sämtliche Schwierigkeiten und Engpässe ziemlich leicht überwinden.
Schön finde ich auch, dass ich in meinem eigenen Büro rund um das Jahr barfuß arbeiten kann, denn ich bin die Chefin meiner selber.

Meine Ex-Schüler grüßen mich immer noch, wenn sie mir begegnen, selbst wenn ich barfuß bin.

Doch ich will jetzt das Leben leben, wozu ich mich berufen fühle.

Gute Entscheidung! Ich bin sicher, dass du es schafft. Das wünsche ich dir zumindest.

Grüße aus Italien
Ciao
Tiziana

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Descalzar, Monday, 30.10.2006, 12:02 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hi Kathrin,
mit großem Interesse habe ich deinen Beitrag gelesen. Dein Lebensweg ähnelt, was der Kindheit und dem ungeliebten Beruf betrifft, dem meinen.
Aber auch deine Einstellzung zum Barfußlaufen ähnelt dem meinen.
Für mich ist es immer noch einen große Selbsterfahrung, wenn ich mich schutzlos (zumindest an den Füßen) dem Leben ausliefere.
Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, daß Du es schaffst, den Beruf, der dir liegt , zu ergreifen und auch, daß Du dir das Barfußlaufen nicht vermiesen läßt.

Verständnisvolle Barfußgrüße,

Descalzar

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Sabrina, Monday, 30.10.2006, 13:49 (vor 6537 Tagen) @ Descalzar

Hallo Descalzar!

Für mich ist es immer noch einen große Selbsterfahrung, wenn ich mich schutzlos (zumindest an den Füßen) dem Leben ausliefere.

Meine Einstellung zum Barfußlaufen ist eine andere. Für mich hat Barfußlaufen nichts mit Schutzlosigkeit zu tun, sondern mit Erdverbundenheit. Schuhe sind ein Gefängnis, welches meine Füße einengt und von ihrer natürlichen Verbundnheit zum Boden abschneidet.
Deshalb bin ich froh, diesen Zusammenhang entdekt und, wenn auch spät, die Verbindung zur Erde wiedergefunden zu haben.

Liebe Grüße,
Sabrina

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Descalzar, Monday, 30.10.2006, 14:06 (vor 6537 Tagen) @ Sabrina

Für mich hat Barfußlaufen nichts mit Schutzlosigkeit zu tun, sondern mit Erdverbundenheit. Schuhe sind ein Gefängnis, welches meine Füße einengt und von ihrer natürlichen Verbundnheit zum Boden abschneidet.

Deshalb bin ich froh, diesen Zusammenhang entdekt und, wenn auch spät, die Verbindung zur Erde wiedergefunden zu haben.

Hi Sabrina, dieser Aspekt ist für mich natürlich auch sehr wichtig.
Hörte gestern im Radio ein Interviwew mit Karl Dall. Auch er zieht seine Schuhe aus, wo immer es möglich ist, weil er auch der Meinung ist, daß Schuhe ihn nur einengen.

Gruß und Fuß,

Descalzar

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Kathrin, Monday, 30.10.2006, 15:27 (vor 6537 Tagen) @ Sabrina

Hallo Descalzar!

Für mich ist es immer noch einen große Selbsterfahrung, wenn ich mich schutzlos (zumindest an den Füßen) dem Leben ausliefere.

Meine Einstellung zum Barfußlaufen ist eine andere. Für mich hat Barfußlaufen nichts mit Schutzlosigkeit zu tun, sondern mit Erdverbundenheit. Schuhe sind ein Gefängnis, welches meine Füße einengt und von ihrer natürlichen Verbundnheit zum Boden abschneidet.
Deshalb bin ich froh, diesen Zusammenhang entdekt und, wenn auch spät, die Verbindung zur Erde wiedergefunden zu haben.
Liebe Grüße,
Sabrina

Hallo Sabrina,
ich freue mich, daß Du Dich an diesem Thread beteiligst.
Auch diesem Aspekt kann ich zustimmen. Schuhe geben mir in gewissen Situationen Schutz, oft sind sie aber auch ein Gefängnis. Genauso ergeht es mir mit meinem jetzigen Job. Wenn ich in zwei Jahren dieses Gefängnis verlassen werde, verliere ich auch den Schutz eines gesicherten Einkommens. Aber dafür werde ich endlich in Freiheit sein.
Ich habe Dich übrigens mit meinem Beitrag neulich nicht kränken wollen. Wahrscheinlich ist das Forum für eine Diskussion gegenteiliger Standpunkte nicht geeignet. Es steht halt nur das geschriebene Wort da. Tonfall, Gestik und Mimik entfallen. So hast Du wahrscheinlich in meine Worte einen agressiven Tonfall gelegt, obwohl er in Wirklichkeit eher nachdenklich nachfragend war.
Da ich in absehbarer Zeit mit Menschen zusammen arbeiten will, liegt es mir fern, Menschen zu verurteilen. Mich interessiert immer der Mensch und sein Schicksal, der hinter der äußeren Fassade steckt.
Aber den kann man hier im Forum nicht kennenlernen, dazu bedarf es der persönlichen Begegnung.
Kathrin

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Sabrina, Thursday, 02.11.2006, 11:53 (vor 6534 Tagen) @ Kathrin

Hallo Sabrina,
ich freue mich, daß Du Dich an diesem Thread beteiligst.
Auch diesem Aspekt kann ich zustimmen. Schuhe geben mir in gewissen Situationen Schutz, oft sind sie aber auch ein Gefängnis. Genauso ergeht es mir mit meinem jetzigen Job. Wenn ich in zwei Jahren dieses Gefängnis verlassen werde, verliere ich auch den Schutz eines gesicherten Einkommens. Aber dafür werde ich endlich in Freiheit sein.

Dazu wünsche ich Dir alles Gute!

Ich habe Dich übrigens mit meinem Beitrag neulich nicht kränken wollen. Wahrscheinlich ist das Forum für eine Diskussion gegenteiliger Standpunkte nicht geeignet. Es steht halt nur das geschriebene Wort da. Tonfall, Gestik und Mimik entfallen. So hast Du wahrscheinlich in meine Worte einen agressiven Tonfall gelegt, obwohl er in Wirklichkeit eher nachdenklich nachfragend war.
Da ich in absehbarer Zeit mit Menschen zusammen arbeiten will, liegt es mir fern, Menschen zu verurteilen. Mich interessiert immer der Mensch und sein Schicksal, der hinter der äußeren Fassade steckt.
Aber den kann man hier im Forum nicht kennenlernen, dazu bedarf es der persönlichen Begegnung.
Kathrin

Ich bin nicht mehr gekränkt, denn erstens hast Du mir ja jetzt nachvollziehbar erklärt, wie Du es gemeint hattest, und zweitens bin ich nicht nachtragend.
Auch mir liegt es fern, Menschen zu verurteilen, denn ebenso wie Dich interessiert auch mich immer der Mensch und sein Schicksal. Schließlich haben wir ja alle eine Sozialisation und bestimmte Erfahrungen gemacht, die wir uns nur sehr bedingt bzw. gar nicht aussuchen konnten. Ich bin ein sehr nachdenklicher Mensch und sehe die Zukunft eher pessimistisch, was aber vielleicht auch an der Jahreszeit liegt. Immerhin hatte ich heute ein recht heiteres Erlebnis. Als ich heute morgen im Supermarkt war, erzählten mir die Kassiererinnen, sie hätten gewettet, ob ich heute bei dem kühlen Wetter wohl immer noch barfuß ginge, Die Kassiererin, die auf meine Barfüßigkeit gesetzt hatte, hat gewonnen.

Liebe Grüße,
Sabrina

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Jay, Monday, 30.10.2006, 14:30 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hi Kathrin,
die Sache sollte meines Erachtens im "Best Of" als persönliches Barfuß-Bekenntnis ihren Platz finden.
Ich bin selbst zwar abgrundtief zukunftspessimistisch, aber hier kann noch einmal eine Feature voll aufleben: Barfuß ist ein Teil jedes einzelnen BF-Menschen, auf den er sich in Trouble jederzeit immer noch als sein persönliches Refugium, egal was passiert, abschaltend zurückziehen kann.
DON`T WORRY, BE BAREFEET HAPPY
Liebe Grüße
Jay

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Lorenz ⌂, Stammposter, Monday, 30.10.2006, 18:43 (vor 6537 Tagen) @ Jay

Hallo Jay,

Ich bin selbst zwar abgrundtief zukunftspessimistisch, aber hier kann noch einmal eine Feature voll aufleben: Barfuß ist ein Teil jedes einzelnen BF-Menschen, auf den er sich in Trouble jederzeit immer noch als sein persönliches Refugium, egal was passiert, abschaltend zurückziehen kann.

Ich war auch mal zukunftspessimistisch, aber ich bin es nicht mehr. Zweifellos ist ein Großteil der "zivilisierten Menschen" nicht überlebensfähig, weil er unfähig ist, mit den Schätzen hauszuhalten, die uns die Erde schenkt. Nach Darwin überleben innerhalb einer Art die am besten Angepassten. Und ich ahne, dass dies die Menschen mit guter Erdung sind, die aus der guten Beziehung zur Natur heraus das nachhaltige Wirtschaften lernen werden. Der Rest muss wohl untergehen, und sehr viel Leid für die Menschheit erscheint mir in der bevorstehenden Umbruchsphase unvermeidlich. Aber das schreckt mich nicht davon ab, mich für Ideale einzusetzen, die ich für zukunftsfähig halte!!!

Mach's gut und unbeschuht, Lorenz

[image] Natur und Fortschritt

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Jay, Monday, 30.10.2006, 21:18 (vor 6537 Tagen) @ Lorenz

Hi Lorenz,
ich bitte, meine Äußerung keineswegs dahingehend zu verstehen, daß ich zum Barfuß-Autismus aufrufen will. Man darf sich darauf verlassen, daß ich mit meinem BF-Ideal - ggf. ohne Rücksicht auf "gesellschaftliche Konventionen" - nicht hinter dem Berg halten werde.
Freundliche Wünsche für eine bestmögliche barfüßige Zukunft, Jay.

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Lorenz ⌂, Stammposter, Monday, 30.10.2006, 18:29 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Liebe Kathrin,

Vielen Dank für die offene und interessante "Barfuß-Autobiografie"! Das Gefühl, richtig zu leben, stellt sich bei mir vor allem dadurch ein, dass ich den Untergrund in all seiner Vielfalt mit den freien Füßen spüre und mit den Zehen begreife. Und für den ganzen Körper bedeutet das ein viel echteres Bewegungs- und Raumgefühl. Das habe ich glücklicherweise schon in jungen Jahren im Garten meiner Eltern, auf dem Sportplatz und im Ruderverein erfahren dürfen.

Trotzdem bin ich von dem dominanten Sicherheitsdenken meiner Eltern geprägt und habe mich genauso wie du für einen sicheren Brotberuf entschieden. Den habe ich als braver Familienvater auch durchgezogen, obwohl ich bald merkte, dass er mich nicht erfüllt. Das war umso leichter auszuhalten, je öfter ich mir das Gefühl der barfüßigen Erdung gönnte und auch möglichst oft bei naturistischen Aktivitäten Sonne, Luft und Wasser an den ganzen Körper ließ.

So stellte sich irgendwann heraus, dass der Herrgott etwas Ungewöhnliches mit mir vorhatte. Ich sollte nicht wie die meisten Kollegen den Profit von Aktionären der Pharmaindustrie steigern, sondern möglichst vielen Menschen ihre Erdung zurückgeben! So bin ich seit einigen Jahren ganz aktiv dabei, wenn Barfußpfade geplant und gestaltet werden -- und vor allem, wenn fröhliche Kinder und Leute auf diesen unterwegs sind.

[image]

Ich denke, dass das Gefühl der Erdverbundenheit hilft, bei der Suche nach Glück und Erfüllung zum Ziel zu gelangen. Dafür wünsche ich dir alles Gute!

Mach's gut und unbeschuht, Lorenz

[image] www.barfusspark.info

barfüßige (Un)sicherheit

Georg @, Stammposter, Monday, 30.10.2006, 18:34 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin,
Du wirfst durch Deinen Beitrag eine interessante Frage auf:

etzt kommt der Bezug zum Titel. Schuhe geben mir eine Sicherheit. Wenn ich barfuß laufe, kann ich irgendwo hineintreten, ich kann mir auf heißem Asphalt die Füße verbrennen, manche Untergründe sind so unangenehm, daß jeder Schritt weh tut. Manchmal gibt es dumme Blicke oder Kommentare. Mit Schuhen passiert das alles nicht. Doch mir fehlt auch eine Erfahrung.

Ich hatte bislang nicht bewusst darüber nachgedacht, ob ich mich mit Schuhen sicherer, gleich (un)sicher oder unsicherer fühle. Und jetzt würde ich sagen: kommt ganz darauf an.

Grundsätzlich fühle ich mich - vorausgesetzt die Temperaturen stimmen, aber das wäre auch im Winter bei uns oft der Fall - barfuß wohler als in irgendwelchen Schuhen. Und wenn ich mich wohler fühle, fühle ich mich auch sicherer.
Allerdings gibt es Situationen, bei denen ich mir nicht im Klaren darüber bin, ob barfuß passend wäre. Dann wäre ich mit Schuhen natürlich auf der "sicheren Seite". Dafür ärgere ich mich dann, wenn ich spüre, dass barfuß kein Problem gewesen wäre.
Schließlich gibt es Fälle, wo Schuhe Pflicht sind. Das sind allerdings häufig Situationen, die ich ohnehin lieber ganz vermieden hätte - und dann stören mich die eingesperrten Füße erst recht. Das macht mich eher missmutig als sicherer.
Insgesamt kann ich also nicht finden, dass mich Schuhe sicherer machen würden. Es kann aber hilfreich sein, für Notfälle welche bei sich zu haben. Und ich bin Barfüßer genug, um z.B. Begegnungen mit anderen Menschen keineswegs für einen Notfall zu halten. Aber wenn ich in ein Museum möchte und ein starrsinniger Wärter mich nicht barfuß hineinlassen will (wie es letztes Jahr im Deutschen Historischen Museum in Berlin der Fall war), dann geben mir die Schuhe im Gepäck auch Sicherheit in der Diskussion. Weiß ich doch, dass ich zur Not ausgerüstet bin.

Ich bin sicher, dass Du mit mehr Barfußpraxis auch immer weniger Sicherheit im Tragen von Schuhen entdecken wirst. Und im medizinischen Bereich barfuß arbeitende Menschen (Arzt und Heilpraktiker) haben wir auch unter den Forumteilnehmern!

Viele Grüße
Georg

PS: Im obigen Fall waren die Schuhe übrigens ein paar billige Flipflops. Mit denen war der Mensch dann zufrieden, wieseo habe ich bis heute nicht verstanden. Und gedrückt haben sie auch :-(

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Joachim (BI), Stammposter, Monday, 30.10.2006, 19:03 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Liebe Kathrin,

leider fehlt mir im Moment die nötige Zeit, um in der angemessenen Ausführlichkeit auf Deinen Beitrag zu antworten. Aber ich möchte Dir wenigstens sagen, daß mich Deine Schilderung wirklich sehr berührt hat. Vielleicht hängt das einfach damit zusammen, daß mir aus meiner eigenen Vergangenheit vieles mehr als bekannt vorkommt.

Liebe Grüße
Joachim

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Luc, Monday, 30.10.2006, 20:44 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Danke für deinen schönen Beitrag, er kommt von Hertzen.
Einige Erzählungen kommen mir bekannt vor, und auch einige Antworten. Ich kann nur sagen: barfuss fühle ich mich immer so wunderbar gut!
Wünsche dir viel Glück am barfusslaufen und für alles was du unternehmen wirst.
Barfüssige Grüsse aus Frankreich. Luc

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Monday, 30.10.2006, 21:37 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin

Vielen Dank auch von mir, für diesen schönen Bericht. Es freut mich immer wieder, wenn man etwas mehr über die Menschen erfahren kann, die hier schreiben und sich so auch besser kennen lernen kann. So manches, was Du erzählt hast erinnert auch mich sehr an meine Jugend. Auch ich wuchs gut behütet auf und hätte es nie gewagt öffentlich barfuß zu laufen. Aber ich bewunderte schon in der Schule, das war Anfang der 80er Jahre, den Mut anderer, die es taten und beneidete diese Mitschüler um ihre Freiheit. Später tat ich es dann zunächst heimlich, bzw. nur dort, wo man mich nicht kannte. Allmählich wuchs dann der Mut, nicht zuletzt auch durch dieses Forum.
Solche Berichte sollte es öfter, auch von anderen geben. Das wäre schön, dann würde man sich viel besser kennen lernen.

Danke und viele Grüße

Ulrich

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Dominik (Bern), Stammposter, Tuesday, 31.10.2006, 11:04 (vor 6537 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin,

Dein Beitrag hat auch mir sehr gut gefallen! Mit Deiner Analogie triffst Du meiner Ansicht nach voll ins Schwarze. Auch ich fühle mich lebendiger und "mehr-mich-selbst", seit ich (weitgehend) barfuss lebe. Gerade die damit verbundene Schutzlosigkeit und das Risiko, mich zu verletzen, zwingen mich dazu, meinen eigenen Weg zu finden und selbst Verantwortung zu übernehmen, auch wenn mal was schief gehen sollte.

Dieses Prinzip (Selbstverantwortlichkeit) kann ich ohne weiteres auf mein Leben übertragen, wie Du es anscheinend auch tust. Auch wenn es mir noch nicht immer gelingt, meine Träume und Wünsche ohne Angst und Unsicherheit aktiv zu verfolgen, hätte es doch mit Schuhen vielleicht noch lange gedauert, bis ich diese ganz wichtige Einsicht überhaupt erst gewonnen hätte.

Dass Du Deinen Weg und den Mut dazu gefunden hast, freut mich zu lesen, und ich wünsche Dir dazu nur das Beste! -- Dominik

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Markus @, Tuesday, 31.10.2006, 12:37 (vor 6536 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin,

Glückwunsch zu deinem Text. Mach nur weiter so, das ist der richtige Weg, ich bin übrigens Hp in eigener Praxis und arbeite natürlich barfuß (da ich seit etwa 10 Jahren ein 99% Dauerbarfüßer bin). Ich fühle mich einfach nur wohl damit. Die Leute finden´s überwiegend gut und mittlerweile eigentlich normal. Ich bin eben der barfüßige Heilpraktiker oder liebevoll auch der "schuhlose Wurzeldoktor" und eigentlich glaube ich, kennt mich nach so langer Barfuß-Zeit jeder bei uns. Ich kann dir nur empfehlen, zieh deinen Weg so durch. Solltest du Hilfe benötigen in Sachen Prüfung oder Existenzgründung, wir können mailen.

Also "kollegiale" barfüßige Grüße
der Markus

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Sabrina, Thursday, 02.11.2006, 12:25 (vor 6534 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin!

Da wir zu diesem Zeitpunkt schon das heiße Wetter hatten, beschloß ich spontan, unseren Abendspaziergang an diesem Tag barfuß zu machen. Als wir zurück kamen, stand unsere Nachbarin vor dem Haus. Wir sprachen mit ihr über alles möglich, über meine nackten Füße verlor sie kein Wort.

Ich finde es schön, daß Du entdeckt hast, wie schön es ist, auch daheim in der Umgebung der eigenen Wohnung barfuß zu gehen, Wenn Du es öfters machst, wirst Du bemerken, daß Du Dich zusehends daran gewöhnst - und Deine Umgebung auch.

Einmal habe ich eine 12km-Wanderung barfuß gemacht. Das war vielleicht ein bißchen viel. Ich hatte hinterher Blasen unter den Sohlen, von denen eine blutig war. Die letzten Kilometer konnte kaum noch gehen.

Das wird wohl so gewesen ein. Als ich im Frühjahr 2004 begann, immer öfter draußen barfuß zu gehen, habe ich es langsam angehen lassen, indem ich zuerst nur kurze Strecken auf Gras, Asphalt und so gegangen bin, und dann immer länger und auf immer schwierigeren Böden gegangen bin. Auf diese Weise sind mir solche Blasen, von denen im Forum immer wieder berichtet wird (ich hatte viel im Archiv und im "Best of" gelesen), ersart geblieben - vielleicht, weil ich durch besagte Lektüre "vorgewarnt" war. Die Hauptsache jedoch ist, daß Du Dir das Barfußlaufen dadurch nicht hast vermiesen lassen.

Ein einziges Mal habe ich eine negative Reaktion erlebt, als mir ein Mädchen aus einer Jugendgruppe zurief "Bah, wie ekelhaft! Bist du aus der Klapse abgehauen?"

Über etwas Ähnliches hatte ich mich vor einiger Zeit sehr aufgeregt. Die heutigen Jugendlichen taugen nichts und wissen offenbar nicht einmal, wie man sich in der Öffentlichkeit angemessen verhält! Ich hätte so etwas früher nie gewagt, und meine Eltern hätten es mir auch nie durchgehen lassen! Die heutigen Eltern verstehen offenbar nichts davon, wie man Jugendliche zu respektvollem Verhalten gegenüber Erwachsenen anhält.

Seit einem Jahr mache ich im Abendlehrgang eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Wenn alles gut läuft, bin ich in zwei Jahren fertig. Dann möchte ich meinen jetzigen Job kündigen und einen eigene Praxis eröffnen. Das ist natürlich mit Risiko verbunden und viele Leute raten mir davon ab. Ich sollte das mit der Heilpraktikerin doch nur hobbymäßig für Familie, Freunde und Kollegen betreiben. Doch ich spüre, daß das nicht mein Weg ist, da ich in meinem jetztigen Beruf auf Dauer immer unglücklicher werde.

Wenn Dein Herz Dir sagt, daß das Dein Weg ist, dann mußt Du ihn gehen. Nur Mut! Zuerst wird es vielleicht ein bißchen schwierig werden, aber wenn Du Deinen Patienten das Gefühl gibst, bei Dir in Sicherheit und in guten Händen zu sein, dann wird sich das sicher bald herumsprechen. Außerdem kannst Du dann auch bei der Arbeit barfuß sein.

Doch ich will jetzt das Leben leben, wozu ich mich berufen fühle. Und das bedeutet barfuß zu sein, im wörtlichen und im übertragenen Sinn. Ich vertraue darauf, daß der Gott, der will, daß wir leben, mich auf meinem Weg beschützt.
Kathrin

Das ist ein sehr schöner Schluß, besonders der letzte Satz. Ich wünsche Dir auf Deinem Wege, den Du barfuß gehen wirst, Gottes Schutz und alles Gute!

Liebe Grüße,
Sabrina

Barfuß auf dem Weg zu mir selbst

Eugen, Stammposter, Thursday, 02.11.2006, 16:38 (vor 6534 Tagen) @ Kathrin

Hallo Kathrin,

zu deiner Schilderung fällt mir nur das Gedicht STUFEN von Hesse ein:

Wie jede Blüte welkt
und jede Jugend dem Alter weicht,
blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and're, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,
so droht Erschlaffen!
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewohnheit sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

(Hermann Hesse)

Grüße Eugen

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