Barfüßïge Fahrradtour nach Mülhausen (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Tuesday, 17.10.2006, 08:02 (vor 6616 Tagen)

Samstag, 14.10.2006: Hochnebel über Zofingen. Würde es nördlich des Juras sonnig werden? Kurz vor 7 Uhr radelte ich los. Auf dem Gepäckträger den Schlafsack, eine Packtasche mit Werkzeugen usw. und noch einen kleinen blauen Rucksack mit Jacke und warmen T-Shirt für alle Fälle. Bei ca. 14°C reichte das "kalte" T-Shirt. Für lange Hosen und Schuhe war schlicht und einfach kein Platz, weder im Gepäck, noch am Körper!

Ich erreichte den Hauensteinpaß, in Sachen Nebel sehr oft eine Wetterscheide. Diesmal nicht. Gegen Sissach hin wurde die Hochnebeldecke immer dünner. Dort, wo kein Hochnebel mehr war, hatte sich Bodennebel bilden können. Würde es bis Basel besser werden? Nein, es wurde nicht, verkehrte Welt!

Die Verbindung zwischen der Tramhaltestelle "Bankverein" und dem Barfüßerplatz war immer noch eine riesige Baustelle, ich benutzte die Freiestraße. Das letzte Ende schob ich mein Velo. Kurz vor dem Marktplatz war nagelneuer Asphalt. Als ich von neuem wieder auf alten Asphalt überging, merkte ich, daß der neue sich deutlich wärmer unter den nackten Füßen anfühlte als der alte. Ein militanter Schuhträger würde so etwas nie mitbekommen. Er weiß nicht, was er versäumt!

Ich folgte den Gleisen der gelben Tramlinie 11 in Richtung französische Grenze. Kurz vor der Endhaltestelle überholte mich langsam ein BLT-Tram, die wenigen Fahrgäste sahen erstaunt auf meine Füße.
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Ich überquerte die Grenze. Der französische Zöllner sah mich zwar an, jedoch wollte er meinen Ausweis nicht sehen. Er wirkte übermüdet und sah so aus, wie man sich einen "typischen Franzosen" vorstellt, mit Schnauzbart. Vielleicht wartete er auf Feierabend, um dann seine Dienstuniform in die Ecke zu pfeffern, sein Barett schräg auf den Kopf zu setzen und in irgendeinem Bäckerladen ein riesiges Baguette zu kaufen.

In Saint Louis sahen etliche ältere Menschen auf meine Füße, außerhalb der Ortschaften erregten meine Füße jedoch keinerlei Aufsehen. Die Wohnbebauung wurde immer dichter, schon befand ich mich in Rixheim, das mit Mülhausen eine städtebauliche Einheit bildet. Nicht nur die Bebauung wurde dichter, auch der Verkehr. Häufig mußte ich an Ampeln warten. Wenn ich neben einem Auto an einer Ampel wartete, sahen Autoinsassen erstaunt auf meine Füße. Ich erreichte den Hauptbahnhof, vor dem gerade ein Tram die Wendeschleife benutzte. Vor etwa einem Jahr war ich in Mülhausen, um zu sehen, wie weit die Bauarbeiten für die neue Straßenbahn fortgeschritten waren. Im Mai war ich da, um am Einweihungstag kostenlos die "gelben Dinger" zu benutzen. Und jetzt wollte ich sehen, wie weit der reguläre Trambetrieb von der Bevölkerung akzeptiert wurde. Und mich reizte es, die Tramstrecken mal zu Fuß abzuklappern. Immerhin hat das Verlegen der Tramgleise auch einige Neuasphaltierungen mit sich gezogen, zur Freude eines jeden Barfüßers.

http://www.ville-mulhouse.fr/fr/letram.php?PAGEID=1634

Ich schob mein Velo vom Hauptbahnhof in die Fußgängerzone. So kam ich auch an einem Restaurant vorbei, dessen Fußboden tiefer lag als die Straße. Die Fenster gingen bis zum Boden. Die Köpfe der Gäste sind somit in Höhe der Füße der Passanten. Einige Gäste starrten auch tatsächlich auf meine Füße. Ich mußte an Markus U. denken mit seinem barfüßigen Besuch in einem belgischen Restaurant, wo die Kellnerin ein Schild so plazierte, daß man von draußen nicht erkennen konnte, daß im Restaurant ein Barfüßer saß. Dieses Restaurant kann man keinem Spießer empfehlen, der sich am Anblick nackter Füße aufregt. Aber auch Leute, die es nicht gut finden, wie andere Leute ihre Füße in die unbequemsten Treter einsperren, werden nicht gerade hocherfreut sein.

Ich konnte wieder radeln und kam an etlichen Kindern vorbei, vermutlich war Schulschluß (scheinbar gibt es für Schüler (und Lehrer) in Frankreich noch nicht die Fünftagewoche wie in Deutschland oder der Schweiz). Einige Kinder waren auch in Begleitung ihrer Eltern. Die meisten Kinder waren recht winterlich gekleidet, und das bei windstillen 14°C und Wolken! Mützen waren keine Seltenheit. Nur wenige Jungen trugen 7/8-Hosen, aber in Kombination mit geschlossenen Schuhen und Socken. Mädchen, die Kleider oder Röcke trugen, taten das in Kombination mit farbigen Strumpfhosen. Nur Mädchen und Frauen scheinbar indischer Abstammung trugen manchmal Sandalen ohne Strümpfe, aber ausschließlich in Kombination mit langen Hosen und langärmeliger Oberbekleidung. Einzig ein Vater, der sein bemützten Kinder begleitete, trug eine kurze Hose, die den Namen auch verdiente, allerdings in Kombination mit Windjacke, fetten Schuhen und Socken. Viele Kinder starrten mich an, einige zeigten mit dem Finger auf mich, einige schrieen. Speziell Kinder scheinbar arabischer Abstammung schienen sich besonders dran zu stören, die "echten" Franzosen weniger ebenso wie die "Neger", die hier viel häufiger sind als in der Schweiz. Für Leute scheinbar indischer Abstammung war meine Aufmachung kein Grund zur Aufregung. Ob nur ich Grund zum Lästern bot? Oder auch andere Leute, die anders gekleidet waren als der Durchschnitt? Ich weiß es nicht. Andere Barfüßer sah ich nicht, weder hier, noch anderswo in Mülhausen. Dabei gibt es die, sogar hier im Forum!

Und so radelte ich weiter, parallel zum Trassee der Tramlinie 2. Ich hatte vor, mein Fahrrad irgendwo abstellen und zu Fuß die Stadt erschließen. Immer ein bepacktes Fahrrad mit sich rumschleppen ist ein einer Großstadt recht mühsam.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen

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