Buchtipp: Naturverbundene und barfüßige Kindheit in Oberbayern (Hobby? Barfuß! 2)

Lorenz, Stammposter, Tuesday, 03.10.2006, 19:12 (vor 6630 Tagen)

Ein in unserem Landkreis (Weilheim-Schongau) im Umweltschutz aktiver Lehrer hat über seine Kindheit in den 50er und 60er Jahren in dieser Region geschrieben. "Nebelstochern" heißt der Titel, womit gesagt werden soll, dass sich der Autor viele Erinnerungen erst wieder aus den Tiefen des Gedächtnisses zusammenreimen musste.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich das Buch noch nicht gelesen haben, doch das wird sicher noch kommen, zumal der Autor mit seinem Interesse an Barfußpfaden auch schon auf mich zugekommen ist und wir da wahrscheinlich einiges zusammen machen werden. Hier möchte ich die folgende Leseprobe geben:

Die Kinder liefen barfuß, den ganzen Sommer lang. Es
galt die Regel: "In Monaten ohne ‚R‘ darf man barfuß gehen."
Das hieß dann aber auch, dass am Abend vor dem Schlafengehen
die Füße wieder gewaschen werden mussten. Dazu gab es
eine große Schüssel, die am Außen-Wasserhahn neben der
Haustür aufgefüllt wurde. Dazu kam eine Wurzelbürste und,
wenn es sein musste, ein Stück Kernseife. Da saßen sie im
Sommer fast täglich, die beiden Schütz-Buben, und rubbelten
und bürstelten. Der grüne Grassaft ging am schlechtesten weg,
aber die Mutter kontrollierte streng. Welches Glück, wenn sie
einmal keine Zeit zu Nachforderungen hatte oder das Füßewaschen
auf wundersame Weise gar einmal ganz ausfiel!

Einmal saß der Hansi da, auf der Betontreppe, die zwischen
Haus und Hütte nach wenigen Stufen zweigeteilt hinunter
zum Garten oder in den Keller führte. Er war fertig mit
dem Füßewaschen und hätte nun das blau karierte Handtuch
zum Trocknen gebraucht. Doch so laut er auch schrie, niemand
hörte ihn.

Der Vater war mit Hansis großem Bruder Richard wohl
noch im Wald. Gegen Abend ging er oft den zweispurigen
Feldweg entlang, der gleich hinter dem Gartenzaun als Fortsetzung
der ungeteerten Zufahrtsstraße in den Wald führte.
Dort gab es brauchbare Dinge zu holen, die man bei Tageslicht
besser nicht nach Hause trug: Brennholz, Stangen für den
Zaun oder für Beeteinfassungen im Garten und einmal im Jahr
auch einen Christbaum.

Die Mutter hätte doch eigentlich da sein müssen. Aber sie
hörte das Rufen nach dem Handtuch nicht. Mit den Füßen im
kalten Wasser wurde aus dem Rufen und Schreien immer mehr
ein Weinen, unterbrochen von Momenten, da der Bub lauschte
in der Hoffnung, die Mutter herbeieilen zu hören. Irgendwann
gab der Hansi auf und schluchzte nur noch leise vor sich
hin. Angst breitete sich in ihm aus. Er kam sich vor wie in einem
der Märchen, die die Mutter immer als Betthupferl vor dem
Schlafengehen vorlas. Vielleicht war etwas passiert? Oder sie
hatten ihn allein gelassen, waren weggegangen?
Hansi kam in seinen Tagträumen immer wieder auf den
Gedanken, er sei gar nicht seiner Eltern Kind. Irgendwie beschlich
ihn immer wieder der Verdacht, er sei hier nur aufgenommen
worden, vielleicht ein verstoßener Sohn reicher Eltern,
ein Königskind gar? Und jetzt hatten sie ihn hier allein
gelassen und das Kind wusste nicht mehr ein noch aus.
Da ging die Haustür auf und die Mutter stand da.
"Ja was isch denn mit dir los? Hoscht ja scho Schwimmhait
zwischbe de Zecha! Jetztat abr nix wia woadle nei ins Haus!"

Wer sich mal in das Oberbayern einer noch gar nicht lange vergangenen, aber doch ganz anderen Zeit ("als die Kinder noch barfuß liefen") versetzen möchte, hat gewiss Spaß an dem Buch.

Hans Schütz, Nebelstochern, März 2006
ISBN 3-8334-4782-6 Preis: 12 €uro

Buchtipp: Naturverbundene und barfüßige Kindheit in Oberbayern

Dieter H., Stammposter, Tuesday, 03.10.2006, 19:29 (vor 6630 Tagen) @ Lorenz

Die Kinder liefen barfuß, den ganzen Sommer lang. Es
galt die Regel: "In Monaten ohne ‚R‘ darf man barfuß gehen."

Das wär mir viel zu wenig - wenn ich nur an die schönen Septembertage denke... und was vielleicht noch im Oktober kommt ... und im April wieder...

Buchtipp: Naturverbundene und barfüßige Kindheit in Oberbayern

Rolf (F), Stammposter, Wednesday, 04.10.2006, 23:37 (vor 6628 Tagen) @ Dieter H.

..."In Monaten ohne ‚R‘ darf man barfuß gehen."
Das wär mir viel zu wenig - wenn ich nur an die schönen Septembertage denke... und was vielleicht noch im Oktober kommt ... und im April wieder...

Wieso zu wenig? Da hast du doch eine große Auswahl an Monatsnamen:
Schneemond
Eismond
Samenmond
Wandelmond
Wonnemond
Honigmond
Heumond
(Erntemond)
Weinmond
Jagdmond
Nebelmond
Julmond

Gruß, Rolf (F)

RSS-Feed dieser Diskussion