Der Tag des Berlin-Marathons (Hobby? Barfuß! 2)
Hallo
Marathon in Berlin heißt, dass in der Stadt eigentlich nichts mehr geht. Mit dem Auto kommt man nicht durch, Busse fahren ebenfalls nur noch dort, wo man nicht hin will, nur mit den Zügen von U- und S-Bahn hat man noch die Möglichkeit ungestört überall hin zu fahren, weshalb sie natürlich entsprechend gefüllt sind. Und ausgerechnet an diesem Tag sollte ich morgens um 9:00 Uhr an der Siegessäule sein, um Johannes beim Start zuzujubeln. Na ja, Heike sollte auch dort sein, mit einem Stand des Fördervereins Lokale Agende 21 Berlin-Mitte, und sie sollte an diesem Tag einen Spaziergang durch den Tiergarten veranstalten. Es versprach also ein interessanter Tag zu werden.
Am Großen Stern stieß ich dann auf Heike, die zusammen mit einem jungen Mann, dessen Namen ich leider vergessen habe, barfuß an der Strecke stand und ein Plakat mit der Aufschrift "Barfuß-Initiative-Berlin www.gobib.de" hoch hielt. Zahlreiche Läufer konnten so Kenntnis von unserer Existenz nehmen, viele fotografierten uns und vielleicht sah auch eine Fernsehkamera unser Plakat.
Als die Läufer dann vorbei waren begaben wir uns in eines der Torhäuser, das die Lokale Agende 21 gemietet hat. Johannes, der eigentlich nur die ersten 5 km mitlaufen, dann etwas mogeln und schließlich noch die letzten 5 km laufen wollte, rief uns bei Kilometer 12 an, und teilte uns mit, dass er noch nie einen Marathon aufgegeben hat, und erst mal noch weiterlaufen will.
Es wurden noch fleißig Vorbereitungen zu der sogenannten "Fußreise" einem Spaziergang durch den Tiergarten vorgenommen, bei der die Teilnehmer gemütlich von einem Informationsstand zum nächsten gehen sollten, um sich dort die örtlichen Vereine kennen zu lernen. Man bekam an jedem dieser Stände einen Stempel, und wenn man alle zusammen hatte, gab es ein Stück Kuchen und etwas zu trinken.
Viele Teilnehmer waren es aber nicht. Um elf Uhr kam ein kleines Grüppchen von sechs Personen zusammen, alle älter als ich, denen ich mich anschloss. Nach einem kurzen Stück Weg bemerkte man auch meine Barfüßigkeit. Ein paar interessierte Fragen beantwortete ich gerne, dann war das Thema weitgehend erledigt.
Per SMS hielt mich Johannes auf dem Laufenden. Bei Kilometer 29 schrieb er mir: "Füße wund Gehe weiter Vielleicht komm ich noch mal zum Laufen". Bei Kilometer 35 schrieb er nur noch: "Km 35 Ich lauf durch"
Nach dem verdienten Stück Kuchen beschlossen ich und Heike dann zum Ziel zu gehen, uns dort mit unserem Plakat zu postieren und Johannes erneut zu bejubeln. Als er vorbei war, gingen wir noch auf die Zuschauertribüne, in der Hoffnung unser Plakat besser präsentieren zu können, aber da sahen die Kameras wohl nicht hin. Als wir merkten, dass unten ein Fernsehteam Zuschauer interviewte, gingen wir hinunter, machten auf unser Plakat aufmerksam, aber wurden kopfschüttelnd ignoriert.
Dann erhielten wir die Nachricht von Johannes. Dass wir uns am Treffpunkt "K" treffen sollten. Dieser lag zwar nur etwa 100 m entfernt, aber auf der anderen Seite der Laufstrecke. Das hieß also: Irgendwo die Strecke queren, was nahezu unmöglich war. Es gab zwar am Brandenburger Tor einen Übergang, aber da wurden nur Leute rübergelassen, wenn eine Lücke im Läuferfeld kam, was zu dieser Zeit nicht passierte. Außerdem wartete dort schon eine riesige Menschenmenge darauf die Straßenseite zu wechseln. Es blieb nichts anderes übrig, als zum S-Bahnhof Unter den Linden zu gehen, und dort durch den Fußgängertunnel die Straßenseite zu wechseln. Heike hatte sich inzwischen verabschiedet. Nach etwa 1 km und einer guten halben Stunde erreichte ich endlich den Treffpunkt, aber von Johannes war keine Spur zu sehen. Der kam dann nach geraumer Zeit an und bot in etwa das Bild eines Kriegsheimkehrers, der nach wochenlangem Fußmarsch am Ende seiner Kräfte mit schmerzenden Füßen, aber glücklichem Gesicht angekommen ist. Als erstes legte er sich dann auf den Boden und ruhte sich eine Weile aus, während ich mich an einer schier endlosen Schlange anstellte, um ihm etwas zu trinken zu kaufen. Während er dann trank und sich weiter erholte, staunten wir wie viele Menschen sich doch jetzt, wo das Ziel erreicht war, sich ihrer Schuhe entledigten und barfuß waren. Die meisten saßen erst mal eine Weile irgendwo, aber viele liefen auch barfuß umher.
Irgendwann gingen wir dann ganz langsam zum Hauptbahnhof. Von der Fußgängerbrücke über die Spree, direkt am Hauptbahnhof aus, sahen wir noch zahlreiche barfüßige Leute, im Bahnhof dann aber niemanden mehr. Wir stiegen schließlich in den Zug nach Falkensee, den ich am Bahnhof Zoo verließ, wo sich unsere Wege trennten.
Zu Hause angekommen erzählte ich noch einem Nachbarn, der auch schon Marathonstrecken lief, von Johannes’ Leistung, die er für wirklich erstaunlich hielt.
Viele Grüße
Ulrich