Hausrecht im ÖPNV? (Hobby? Barfuß! 2)

Kamel Leon, Stammposter, Tuesday, 19.09.2006, 13:05 (vor 6579 Tagen)

Neulich habe ich hier im "Best of" die aufschlussreichen Ausführungen zum Thema "Barfuß und Hausrecht" gelesen. Kurz zusammengefasst: Wer z.B. ein Kino oder Restaurant betreibt, darf dort x-beliebige (auch unsinnige) Regeln aufstellen, z.B. ein Barfußverbot, das dann auch bindend ist. Natürlich kann man darüber diskutieren, aber wenn der Betreiber darauf beharrt, muss man sich fügen oder verschwinden.

Ist nun eingentlich schon mal geklärt worden, ob dieses Hausrecht auch für öffentliche Verkehsmittel gilt? Haben die Eigentümer von Linienbussen (vertreten durch den Busfahrer), Zügen (vertreten durch den Zugführer) und Bahnhöfen auch das Hausrecht? Haben sie also prinzipiell das Recht, beispielsweise ein Barfußverbot aussprechen, das dann für die Fahrgäste auch bindend ist?

Hausrecht im ÖPNV?

Mike S, Stammposter, Tuesday, 19.09.2006, 13:13 (vor 6579 Tagen) @ Kamel Leon

Neulich habe ich hier im "Best of" die aufschlussreichen Ausführungen zum Thema "Barfuß und Hausrecht" gelesen. Kurz zusammengefasst: Wer z.B. ein Kino oder Restaurant betreibt, darf dort x-beliebige (auch unsinnige) Regeln aufstellen, z.B. ein Barfußverbot, das dann auch bindend ist. Natürlich kann man darüber diskutieren, aber wenn der Betreiber darauf beharrt, muss man sich fügen oder verschwinden.
Ist nun eingentlich schon mal geklärt worden, ob dieses Hausrecht auch für öffentliche Verkehsmittel gilt? Haben die Eigentümer von Linienbussen (vertreten durch den Busfahrer), Zügen (vertreten durch den Zugführer) und Bahnhöfen auch das Hausrecht? Haben sie also prinzipiell das Recht, beispielsweise ein Barfußverbot aussprechen, das dann für die Fahrgäste auch bindend ist?

Ich weiss nicht, wie es in Deutschland ist, aber da in der Schweiz die Bundesbahnen (noch) dem Staat gehören, haben sie grundsätzlich die Pflicht, jeden Menschen, der von A nach B reisen möchte, zu transportieren. Ausnahmen sind Menschen, welche den Betrieb oder andere Passagiere erheblich stören würden. So kann z.B bei einem Raucher eine Busse verhängt werden, doch ist das Stören nicht so schlimm, dass er deswegen aus dem Zug müsste. Bei prüngelnden Menschen, Rauchen von Drogen etc. sähe dies anders aus. Barfusslaufen ist kein Grund, einen Passagier nicht zu befördern, da er a.) weder den normalen Zugsbetrieb stört b.) noch andere Menschen erheblich behindert oder stört. Einzelne Spiesser, welche sich an allem stören, gehören nicht dazu. Prinzipiell müsste schon einer nackt daher kommen, dass er nicht mitgenommen werden würde, obwohl ich bezweifle, dass ein Kondukteur in deswegen wegweisen würde.

Hausrecht im ÖPNV?

Hans-Martin, Stammposter, Tuesday, 19.09.2006, 14:23 (vor 6579 Tagen) @ Kamel Leon

Hallo Kamel Leon,

man muß hier zwischen dem sogenannten Kontrahierungszwang und dem Hausrecht unterscheiden.

Wer privat einen Laden betreibt hat das Recht, sich seine Kunden auszusuchen. Freilich könnte die fehlerhafte Auswahl auch beleidigend sein, was dann zu Folgen gegen den Ladeninhaber (oder Gaststättenbetreiber etc.) führen könnte.

Das Hausrecht kann dann in der Folge benutzt werden, um Personen, mit denen man keine Vertärge schließen will, wieder nach draußen zu befördern.

Besteht ein Kontrahierungszwang, weil es sich um einen Monopolanbieter handelt (typisch im Öffentlichen Personenverkehr), kann die Mitnahme dann nur unter strengen, objektiv feststellbaren Voraussetzungen verweigert werden (konkrete Gefährdung anderer Reisender).

Da Verkehrsmittel keine Häuser sind, ginge es in diesem Fall auch nicht um das Hausrecht als solches, sondern um Rechte, die mit dem Eigentum an einer Sache verbunden sind.

Gruß

Hans-Martin

Neulich habe ich hier im "Best of" die aufschlussreichen Ausführungen zum Thema "Barfuß und Hausrecht" gelesen. Kurz zusammengefasst: Wer z.B. ein Kino oder Restaurant betreibt, darf dort x-beliebige (auch unsinnige) Regeln aufstellen, z.B. ein Barfußverbot, das dann auch bindend ist. Natürlich kann man darüber diskutieren, aber wenn der Betreiber darauf beharrt, muss man sich fügen oder verschwinden.
Ist nun eingentlich schon mal geklärt worden, ob dieses Hausrecht auch für öffentliche Verkehsmittel gilt? Haben die Eigentümer von Linienbussen (vertreten durch den Busfahrer), Zügen (vertreten durch den Zugführer) und Bahnhöfen auch das Hausrecht? Haben sie also prinzipiell das Recht, beispielsweise ein Barfußverbot aussprechen, das dann für die Fahrgäste auch bindend ist?

ADG (war: Hausrecht im ÖPNV?)

Kai (VS), Wednesday, 20.09.2006, 11:07 (vor 6578 Tagen) @ Hans-Martin

Hallo,
seit einem knappen Monat haben wir ja das Antidiskriminierungsgesetz, nach dem niemand u.A. wegen seiner Weltanschauung in Bezug auf "den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen" benachteiligt werden darf.

Leider ist es mir noch nicht gelungen, definitiv herauszufinden, ob die Barfüßlerei eine Weltanschauung im Sinne des Gesetzes ist.

Falls ja, muss ein sachlicher Grund für eine ev. Benachteiligung vorliegen, also z.B. Sicherheitsrisiko. Die Frage ist, ob man das mit einer Haftungsausschlusserklärung beseitigen kann.

Gruß, Kai (VS)

Besteht ein Kontrahierungszwang, weil es sich um einen Monopolanbieter handelt (typisch im Öffentlichen Personenverkehr), kann die Mitnahme dann nur unter strengen, objektiv feststellbaren Voraussetzungen verweigert werden (konkrete Gefährdung anderer Reisender).

ADG (war: Hausrecht im ÖPNV?)

Hans-Martin, Stammposter, Thursday, 21.09.2006, 21:48 (vor 6576 Tagen) @ Kai (VS)

Hallo Kai,

Du schreibst:

Die Frage ist, ob man das mit einer Haftungsausschlusserklärung beseitigen kann.

Zunächst einmal ist die sogenannte Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen. Glassplitter, Nägel etc. sind auch für Personen, die stürzen, ein Risiko. Da eine solche Haftung Schuld voraussetzt, ist die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ohnehin ein Grund, Haftungsanspüche abzuwehren.

Barfußlaufen ist per se keine Weltanschauung. Es könnte aber sein, daß jemand eine Weltanschauung hat, aufgrund derer er z.B. Schuhe ablehnt.

Gruß

Hans-Martin

Hausrecht im ÖPNV?

Ulrich (Berlin) @, Stammposter, Tuesday, 19.09.2006, 21:39 (vor 6578 Tagen) @ Kamel Leon

Hallo Kamel Leon

Ist nun eingentlich schon mal geklärt worden, ob dieses Hausrecht auch für öffentliche Verkehsmittel gilt? Haben die Eigentümer von Linienbussen (vertreten durch den Busfahrer), Zügen (vertreten durch den Zugführer) und Bahnhöfen auch das Hausrecht?

Ich bin mir zwar sicher, dass sie das Hausrecht haben, aber sie haben auch eine Beförderungspflicht. Wer eine Konzession zur Personenbeförderung besitzt, muss auch alle Personen befördern, egal ob sie ihm sympathisch sind oder nicht. Außnahmen gibt es allerdings auch:

"§ 22 Beförderungspflicht

Der Unternehmer ist zur Beförderung verpflichtet, wenn

1. die Beförderungsbedingungen eingehalten werden,
2. die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten Beförderungsmitteln möglich ist und
3. die Beförderung nicht durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer nicht abwenden und denen er auch nicht abhelfen kann."

Die Punkte 2. und 3. werden wohl kaum in Betracht kommen. Entscheidend ist nun aber, ob die Beförderungsbedingungen auch barfuß eingehalten werden können. Da kommt es natürlich auf den jeweiligen Verkehrsbetrieb an. Bei den Berliner Verkehrsbetrieben heißt es da:

"§3 Von der Beförderung ausgeschlossene Personen

(1) Personen, die eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder für die Fahrgäste darstellen, sind von der Beförderung ausgeschlossen. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen sind insbesondere ausgeschlossen
1. Personen, die unter Einfluss geistiger Getränke oder anderer berauschender mittel stehen,
2. Personen mit ansteckenden Krankheiten,
3. Personen mit geladenen Schusswaffen, es sei denn, dass sie zum Tragen von Schusswaffen berechtigt sind.
(2) Nicht schulpflichtige Kinder vor Vollendung des 6. Lebensjahres können von der Beförderung ausgeschlossen werden, sofern sie nicht auf der ganzen Fahrstrecke von Personen begleitet werden, die mindestens das 6. Lebensjahr vollendet haben; die Vorschriften des Abs. 1 bleiben unberührt.
(3) Der Ausschluss von der Beförderung erfolgt in aller Regel durch das Betriebspersonal. Das Betriebspersonal übt das Hausrecht für das Verkehrsunternehmen aus. Auf Aufforderung des Betriebspersonals sind nicht nur das Fahrzeug, sondern auch die Betriebsanlagen zu verlassen."

Das Hausrecht übt also das Betriebspersonal aus. Wer auch sonst? Die dürfen aber nicht nach gutdünken jeden, der ihnen nicht gefällt von der Beförderung ausschließen. Da man Barfüßer nicht als Gefahr für Sicherheit und Ordnung werten kann, dürfte es keine Probleme geben, es sei denn ein Spießer hält es für einen Verstoß gegen die Ordnung, wenn man barfuß läuft. So ist der Paragraph aber wohl nicht zu verstehen. Oder ist Barfußlaufen vielleicht ansteckend? Na ja, dann dürfte man nicht barfuß mitfahren, allerdings ist es ja keine Krankheit. :-)

Haben sie also prinzipiell das Recht, beispielsweise ein Barfußverbot aussprechen, das dann für die Fahrgäste auch bindend ist?

Das Personal sicher nicht. Das Unternehmen könnte aber wohl in den Beförderungsbedingungen Barfüßigkeit verbieten. Lass Dir also nächstes mal die Beförderungsbedingungen zeigen und verweise auf §22 des Personenbeförderungsgesetzes, dass die Beförderungspflicht regelt.

Viele Grüße

Ulrich

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