Barfüßer und Dampf im Seet(h)al (Hobby? Barfuß! 2)

Michael aus Zofingen, Stammposter, Monday, 11.09.2006, 16:04 (vor 6587 Tagen)

Das letzte Wochenende stand im Zeichen des Denkmals, am Sonntag wollte ich die Gärten beim Schloß Hallwyl ansehen. Extra deswegen fuhr auch die "Historische Seethalbahn":
http://www.historische-seethalbahn.ch/frame/frameset.htm

Ob es möglich war, genauso schnell mit dem Rad zu fahren? Um 7 Uhr radelte ich los, natürlich barfuß. Ich suchte eine günstige Fotoposition nahe Lenzburg, wo ich den Dampfzug "empfangen". Ich fand sie am Bahnhof Hendschiken. Langsam schnaubend durchfuhr die Lok den Bahnhof ohne Halt. Dann aber rauf aufs Rad und nach Lenzburg zum dortigen Bahnhof. Einige Leute sahen erstaunt auf meine Füße, aber niemand vom Bahnpersonal oder von den wenigen Fahrgästen, die bereits von Bremgarten-West über Wohlen nach Lenzburg gekommen waren. Selbst Kinder, die bekanntlich oft große Glotzaugen machen, wenn jemand barfuß ist, machten sie nur beim Anblick der kleinen Dampflok "Beinwyl".

Am Lenzburger Bahnhof mußte rangiert werden, um den Zug vom Hauptbahnsteig zum Nebenbahnsteig der Seetalbahn zu befördern. Zwischenzeitlich wurden Kohlen geladen und Wasser gefaßt, alles interessanter als nackte Füße. Endlich fuhr der historische Seethalzug mit der Lok "Beinwyl" hinter einen heutigen modernen Seetalzug, dem Triebzug "Birrwil" (keine Schreibfehler, ich benutze nur die Rechtschreibung, die zur aktiven Zeit der jeweiligen Züge galt.

Der tramähnliche Triebwagen verließ den Bahnhof, kurze Zeit später der Dampfzug, und ich mit dem Rad. Im Stadtgebiet von Lenzburg mußte ich auf Ampeln Rücksicht nehmen, kurz vor Seon hatte ich ihn aber eingeholt. Hier konnte ich mich erholen, weil der Dampfzug einen Gegenzug abwarten mußte.

Die weiter Fahrt war weniger anstrengend, jedoch mußte ich auch auf die Autos aufpassen. Bahn und Straße verlaufen direkt nebeneinander, ohne Zaun. Und manch ein Autofahrer war auch sicher abgelenkt. In Boniswil stiegen etliche aus, die wie ich zum Schloß Hallwyl wollten.

Kurz vor 16 Uhr erreichte ich den Bahnhof von Beinwil. Der Zug mit der Lok "Beinwyl" stand schon bereit zur letzten Fahrt nach Lenzburg bzw. Bremgarten West. Einige Jugendliche trieben sich am Bahnhof herum und lästerten "Jesus", als sie mich sahen. Es dauerte aber nicht lange, da kamen noch anderer "Jesusse". Zwei barfüßige Männer und zwei barfüßige Kinder (Mädchen und Junge), alle in mehr oder weniger langen gelben Hosen hielten sich auf dem Bahnsteig auf, einer der Barfüßer hob einen Kinderwagen in den Zug. Ein paar andere Leute, die dabei waren, trugen ebenfalls gelbe Hosen, jedoch Schuhe.

Kurz vor der Abfahrt des Zuges positionierte ich mein Fahrrad auf die andere Straßenseite. Von dort konnte ich über die Straße und unter den Zug hindurch die untersten Teile der Beine der auf dem Bahnsteig sich aufhaltenden Leute sehen. Darunter auch die gelben Hosen und die nackten Füße, wobei die Kinderfüße sehr dreckig waren. Die Kinderfüße und die eines Erwachsenen blieben auf dem Bahnsteig zurück, während der Zug abfuhr, und ich auch.

In gemütlicher Fahrt ging es über Birrwil nach Boniswil, wo der übrig gebliebene Barfüßer bereits wieder ausstieg. Auf der Weiterfahrt standen noch einige Kinder und auch Erwachsene in den Gärten, um dem Zug zuzuwinken. Auch sah ich eine Beifahrerin, die barfuß neben dem Auto stand und zusammen mit ihrem beschuhten Mann den Zug beobachteten.

Ich fuhr noch zum Lenzburger Bahnhof, wartete aber nicht die eine Stunde bis zur Weiterfahrt ab. Ich radelte nach Wildegg und folgte der Aare, wo ein Mann barfuß einen Kinderwagen schob, seine Schuhe lagen auf der unteren Ladefläche. Am Wasser waren noch einige Leute barfuß, auch in Aarburg waren noch viele Kinder barfuß im Garten oder auf der Straße.

Barfüßer scheinen doch nicht ausgestorben zu sein. Vor allem fand ich das toll, daß ein Mann barfuß im historischen Seethalzug fuhr. Ob während der aktiven Zeit dieser Züge Leute barfuß fuhren? Ich glaube kaum. Zwar war barfuß zu der Zeit noch üblicher als heute, allerdings mehr aus Armut. Und Bahnfahrkarten waren für arme Leute damals unerschwinglich. Wer Geld für die Bahn hatte, hatte auch Geld für Schuhe.

Nach einer etwas ungewöhnlichen Anreise mit dem Velo wollte ich an der kostenlosen Führung um 11 Uhr teilnehmen. Meine Kleidung war der sonnigen und über 20°C warmen Witterung angepaßt: Kurze Hosen und selbstverständlich barfuß.

Schöne Grüße

Michael aus Zofingen


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