Hi Michael!
Hallo Markus,
mein Beitrag bezog sich eigentlich auf das Tragen von Kleidungsstücken mit geringem Bedeckungsgrad bei tiefen Temperaturen.
So hatte ich ihn auch aufgefaßt.
Dieses Thema wurde schon häufiger angesprochen, wenn ich mal wieder von der Polizei kontrolliert wurde. Es bezog sich mehr auf die Kombination von Kleidungstücken, die für sich allein betrachtet bei den Temperaturen auch bei "Frostköteln" nicht gesundheitsschädlich sind, jedoch im "Normalfall" nicht miteinander kombiniert werden (z.B. Jackett, Krawatte, kurze Hose, barfuß im Sommer). Wenn dann die Polizei eingreift, finde ich das bedenklich.
Wie ich schon schrieb, ist es Aufgabe der Polizei, Gefahren abzuwehren, und wenn sich jemand derart sonderbar kleidet, finde ich eine Überprüfung der betreffenden Person durch die Polizei, sofern sie nicht in schikanöser Weise erfolgt, gerechtfertigt, da in solchen Fällen der Verdacht, daß es sich um eine zu eigenverantwortlichem Handeln nicht fähige Person handeln könnte, nicht ganz abwegig ist.
Du schriebst:
"Natürlich ist es nicht "verboten", im Winter bei Temperaturen um den Gefrierpunkt barfuß in kurzen Hosen und ohne Jakke herumzulaufen. Da die Polizei jedoch nicht ohne weiteres wissen kann, ob das in eigener Verantwortung geschieht, muß sie das überprüfen."
Das stimmt. Aber dann müßte die Polizei eigentlich jeden überprüfen. Wie viele Leute trifft man mit Anzug, Krawatte und fetten Halbschuhen mit Socken im Hochsommer an, weil irgendein "böser" Arbeitgeber eine Kleiderordnung erläßt. Diese Mitarbeiter handeln nicht eigenverantwortlich, sondern auf Befehl des Vorgesetzten. Viel lieber würden sie barfuß und in kurzen Hosen laufen. Die einzige Möglichkeit, die diese Mitarbeiter haben ist eine Arbeit zu suchen, in der es keine Kleiderordnung gibt.
Ob sie viel lieber barfuß und in kurzen Hosen liefen, halte ich für äußerst zweifelhaft. Ich laufe am liebsten barfuß, bevorzuge aber eindeutig lange Hosen. Auch glaube ich, daß die Mehrzahlder Herren, welche kurze Hosen bevorzugen, gerne barfuß läuft, denn die meisten der Herren, welche ich in kurzen Hosen auf der Straße sehe, tragen Schuhe und nicht selten sogar Sokken.
"Und da sie nicht überall sein kann, wird sie manchmal auch von besorgten Bürgern (nicht notwendigerweise von "Spießern") herbeigerufen. Es gibt immer wieder Berichte über verwirrte ältere Personen, welche zur Winterszeit barfuß in leichter Bekleidung aus einer Pflegeeinrichtung davonlaufen und sich nicht zurechtfinden. In solchen Fällen kann der Einsatz der Polizei sogar Leben retten."
Ein besorgter Bürger glaubt mangels eigener Erfahrung vielleicht, daß die Kombination barfuß-kurze Hose bei +15°C gesundheitsschädlich sei, und glaubt, die Polizei sei der richtige Ansprechpartner (ohne zu ahnen, daß er sich im Grunde nicht anders verhält als ein Mensch, der möchte, daß sein krankes Pferd wieder gesund wird, jedoch nicht den Tierarzt für den kompetenten Ansprechpartner hält, sondern den Metzger). Zumindest in der (Deutsch-)Schweiz zielten die meisten meiner Polizeikontrollen darauf hinaus, daß man mir nicht helfen wollte, sondern irgendwelche Dinge suchte, die mich belasten würden (defektes Velo, Drogen usw.) . Die Polizei schlüpfte also nicht in die Rolle des "Tierarztes", sondern die des "Metzgers". Einem Bürger, der noch glaubt, die Polizei sei "Freund und Helfer", kann man es noch verzeihen, daß er die Polizei ruft. Wenn diesem Bürger aber die Aufmachung barfuß-kurze Hose (oder sonst irgendwas, was nicht verboten ist) absolut nicht gefällt und die Polizei ruft mit dem einzigen Hintergedanken, daß sie ihm Geld abknüpft oder einsperrt, dann handelt es sich bei diesem Bürger eindeutig um einen SPIESSER!
Da ich nicht in der Schweiz lebe und, seit ich barfuß laufe, noch nicht dort gewesen bin, weiß ich nicht, wie sich Schweizer Polizisten im allgemeinen barfüßigen Personen gegenüber verhalten, und da von den sonstigen hier im Forum schreibenden Schweizern keiner etwas vergleichbares berichtet, scheint es sich um einen besonderen Konflikt zwischen Dir und der Zofinger Stadtpolizei bzw. der Aargauer Kantonspolizei zu handeln. Ich selbst kann insofern nur berichten, daß ich auch dann, wenn ich im Winter barfuß lief, bisher noch nicht von der Schutzpolizei kontrolliert worden bin, obwohl ich ihr nicht ausweiche. Unangenehme Erfahrungen habe ich bisher nur mit der Bundespolizei (damals noch Bundesgrenzschutz) gemacht.
Schön öfter sagte ein Polizist (nicht nur bei tiefen Temperaturen): "Sie könnten ja irgendwo ausgebrochen sein!" Kann ein Mensch in Anzug und Krawatte (oder mit langen Jeans und Sandalen mit mausgrauen Socken) nicht auch irgendwo ausgebrochen sein? Ich kann mir folgendes vorstellen: Wenn ein Polizist in der Fußgängerzone an einem normalen Wochentag im Sommer sich einen Vizedirektor in Anzug und Krawatte aus der Menge herauspickt und diesen Satz als Begründung für eine Ausweiskontrolle sagt, wird der Beamte ganz schön Schwierigkeiten bekommen, wenn sich der Vizedirektor bei der vorgesetzten Dienststelle beschwert. Sollte sich aber ein Barfüßer in kurzen Hosen beschweren, bekommt nicht der Beamte Schwierigkeiten, sondern der Barfüßer.
Ich finde Dich sehr sympathisch und möchte Dich keineswegs kränken, aber da Du nicht nur bei tiefen Temperaturen ungewöhnlich gekleidet bist (mir wäre es im Winter obenrum und an den Beinen viel zu kalt, wenn ich die gleiche Kleidung trüge wie Du), sondern auch ein wenig leidend (Guenther gebrauchte den Ausdruck "märtyrerhaft") aussiehst, kommt jemand, der Dich nicht kennt, leicht auf den Gedanken, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei, und vielleicht würde ich Dich ebenfalls kontrollieren, wenn ich polizist wäre und Dich nicht kennte.
Es entlaufen nicht nur barfüßige Menschen irgendwelchen Pflegeeinrichtungen, sondern auch solche in normaler Kleidung, die aber auf Medikamente angewiesen sind. Solche Leute fallen weniger leicht auf. Wenn so einer stirbt, weil er keine Medikamente erhielt, bekommt vielleicht die Pflegeanstalt Schwierigkeiten, seltener aber die Polizei.
Wenn Leute, die dringend auf Medikamente angewiesen oder zu eigenverantwortlichem handeln nicht in der Lage sind, in normaler Kleidung entlaufen, ist ihre Notlage, obwohl objektiv vorhanden, vielleicht nicht offensichtlich. Die Polizei wird ja schließlich in der Regel nur dann tätig oder herbeigerufen, wenn entweder sie oder der Anrufer aus objektiven Anzeichen in Kleidung oder Verhalten einen entsprechenden Schluß ziehen kann. Von daher ist es in solchen Fällen nur folgerichtig, den Obhutsverpflichteten, nicht aber die Polizei zur Rechenschaft zu ziehen, sofern der Polizei keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Dies wäre jedoch dann der Fall, wenn die Polizei eine offensichtlich hilflose Person ihrem Schicksal überließe.
Ein Polizeiansatz kann nicht nur Leben retten, sondern auch Leben gefährden. Es gibt Temperaturbereiche, bei denen man zwar ideal barfuß laufen kann, jedoch in Bewegung bleiben muß. Wenn man länger stehen bleibt, kann man sich Erfrierungen zuziehen. Wenn aber die Polizei einen eine halbe Stunde in der Kälte stehen läßt und man holt sich tatsächlich Erfrierungen, dann hat man außerhalb der USA wohl kaum ein Chance, die Beamten wegen Körperverletzung zu belangen. In meiner Vorbarfußzeit war ich mal mit dem Fahrrad unterwegs, in T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen ohne Socken, und das bei Temperaturen um 17°C in der Sonne (im September). Eine Regenjacke hatte ich dabei. Plötzlich kam Wind auf und es setzte ein heftiger Regen ein. Etwa 300 Meter vor mir befand sich das hölzerne Wartehäuschen einer Bushaltestelle. Ich hielt es für sinnvoller, dorthin zu fahren und mir im Trocknen die Regenjacke aus den tiefsten Schichten der Packtasche zu kramen als dieses im Regen zu tun. Daraus wurde nichts. Polizisten hielten mich an, verlangten meinen Ausweis. Als ich sagte, der wäre in der Packtasche, mußte ich ihnen die Packtasche ins Auto reichen, wo sie sie seelenruhig alles durchstöberten. Ich mußte draußen im Regen stehen bleiben. Die Beamten weigerten sich, mir die Regenjacke zu geben. Nach ca. 20 Minuten war die Kontrolle beendet. Tage später hatte ich einen Schnupfen!
Bei dieser Begebenheit weiß ich nicht, was Du an Dir hattest, daß die Polizei Dich kontrollierte, denn Deiner Beschreibung nach warst du zumindest niht ungewöhnlich gekleidet. Vielleicht ist es ja, über die objektiven Gegebenheiten hinaus, Dein Kismet, ständig von der Polizei kontrolliert zu werden. Allerdings fällt mir auch auf, daß die Polizei sich anscheinend gerade Dir gegenüber besonders schikanös verhält. Aber dagegen läßt sich durchaus was tun (Dienstaufsichtsbeschwerde oder so).
Barfüßige Sommergrüße,
Markus U.