Wanderung zum Marktkirchl (Hobby? Barfuß! 2)

Markus U., Stammposter, Monday, 14.08.2006, 09:20 (vor 6680 Tagen)

Hi zusammen,

eine Woche Urlaub in Tirol liegt hinter mir; seit gestern bin ich wieder zurück. Wie in den Jahren zuvor war ich die ganze Zeit über durchgehend barfuß. Leider war das Wetter meist so bescheiden, daß keine größeren Wanderungen, sondern nur kleinere Spaziergänge sowie Ausflüge mit dem Auto möglich waren, aber am Freitag schien morgens endlich die Sonne, so daß ich morgens den Entschluß faßte, oberhalb von Kelchsau von der Wegscheid zum Marktkirchl zu wandern. Gleich nach dem Frühstück fuhr ich mit dem Auto von unserem Quartier zur Wegscheid und ging dann los. Mein erstes Ziel war die "Neue Bamberger Hütte" (sie heißt so, weil sie der Bamberger Sektion des Deutschen Alpenvereins gehört; vorher hatte sie einen anderen Namen), welche auf 1758 m Höhe liegt. Von der Wegscheid aus führen zwei Wege dorthin: der längere ist ein breiter Wirtschaftsweg ("Wanderautobahn"), welcher auch von Fahrzeugen befahren werden kann; der kürzere, den ich wählte, ist ein schmaler, steiniger Pfad. Dieser ist zwar aufgrund seiner Beschaffenheit eine Herausforderung für die Fußsohlen, aber da er sich aufgrund der feuchten Witterung der vergangenen Tage strekkenweise in einen kleinen Bachlauf verwandelt hatte, leichter zu bewältigen, als ich dachte. Während ich durch den Wald ging, setzte wieder Regen ein, von dem ich jedoch nicht allzuviel spürte. Oberhalb der Waldgrenze hatte ich jedoch auch de größten Teil der Wolken hinter bzw. unter mir gelassen, so daß die Sonne zum Vorschein kam. Kurz vor der Neuen Bamberger Hütte vereint sich der Pfad übrigens mit dem Wirtschaftsweg, so daß ich das letzte Stück diesem folgte, was aber keine Schwierigkeit ist, wenn man vorher auf geeignetem Terrain wie etwa dem Rheinsteig trainiert hat.
Hier traf ich auch auf eine größere Anzahl von Personen, welche mir äußerst erstaunte Blikke zuwarfen, aber nichts sagten. In der Neuen Bamberger Hütte gab es ebenfalls erstaunte Blikke (und eine lekkere Kleinigkeit zu essen).
Als ich die Neue Bamberger Hütte verließ, waren die Wolken herangerückt, so daß die Gegend im Nebel lag. Dennoch setzte ich die Wanderung fort, da die Wege in der Gegend gut markiert sind. Andererseits sind diese markierten Wege weitgehend naturbelassen und teilweise gar nicht als solche zu erkennen, so daß man sie gefahrlos nur begehen kann, wenn die Markierung sichtbar ist, was trotz des Nebels der Fall war. Oberhalb der Neuen Bamberger Hütte gabelt sich der Weg; leider verfehlte ich die Abzweigung und folgte irrtümlich den Markierungen Richtung Schafsiedel. Der Weg war sehr steil; es ging über Felsen und durch Schlammlöcher. Obwohl ich die Hosenbeine schon zu Beginn der Wanderung hochgekrmpelt hatte, konnte ich nicht verhindern, daß sie mit immer mehr Schlammspritzern garniert wurden. Zum Glück sah es keiner. Nach einiger Zeit gelangte ich an einen kleinen See. Hier verschwand der Nebel auf einmal ebenso plötzlich, wie er gekommen war, und ich hatte eine schöne Aussicht auf die umliegenden Berge sowie auf Wolken, die an den Hängen entlangzogen. Hier bemerkte ich auch meinen Irrtum. Ich mußte also umkehren. Der Abstieg erwies sich als schwieriger als der Aufstieg, denn in der "Weglosigkeit" auch der markierten Wege muß jeder Schritt überlegt werden. Schließlich kam ich an der Abzweigung an; der Wegweiser war umgestürzt und lag im Dreck, so daß ich ihn beim Aufstieg nicht gesehen hatte. Nun ging ich doch zum Marktkirchl. Wo der Weg über Wiesen ging, kam ich rasch vorwärts; wo es durch steiniges Terrain ging, mußte ich jeden Schritt mit den Augen kontrollieren. So kam ich schließlich zum Marktkirchl, das genau auf der Landesgrenze zwischen Tirol und Salzburg steht und von wo man einen herrlichen Blick auf das salzburgische Pinzgau hat. Das Marktkirchl ist hingegen ein winzig kleines hölzernes Kapellchen, das höchstens die Größe meines Badezimmers hat. Dort befindet sich eine Art Altar, der mindestens die Hälfte des winzigen Raumes ausfüllt. Über diesem befindet sich ein Bild der Gottesmutter mit Kind, und ansonsten ist der ganze Raum mit den Bildern der Verstorbenen der letzten fünfzig Jahre aus der Umgebung angefüllt. Anscheinend ist es in Tirol Brauch, daß zu den Todesanzeigen auch eine Fotografie des Verstorbenen gehört. Zum Teil waren die Verstorbenen noch recht jung gewesen, und besonders berührt war ich von einer Gruppe junger Männer um die dreißig, welche vor Jahren am Huascarán in Peru abgestürzt waren und deren Todesanzeigen hier ebenfalls zu sehen waren. Im Quartier erzählten mir die Wirtsleute später, daß dort jedes Jahr eine "Bergmesse" stattfindet, bei der all dieser Verstorbenen gedacht wird. Da ich mir sämtliche Bilder anschaute (die einzelnen Anzeigen auch noch ganz durchzulesen, hätte zu lange gedauert), verbrachte ich viel Zeit in dem Raum. Leider konnte ich mich nicht ins Gästebuch eintragen, weil kein Kugelschreiber da war und ich selber auch keinen dabeihatte.
Nun mußte ich mich auf den Rückweg machen, wobei ich mich beeilte, weil ich vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein wollte. Rechtzeitig erreichte ich die Neue Bamberger Hütte. Weil es zu dämmern begann, ging ich unterhalb der Neuen Bamberger Hütte nicht auf dem steinigen Pfad, auf dem ich hergekommen war, zurück, sondern nahm den Wirtschaftsweg, auf dem ich mich ziemlich beeilte, so daß ich von der Neuen Bamberger Hütte bis zur Wegscheid nur etwas über eine Stunde brauchte. Im Quartier angekommen, hatte ich freilich einen ziemlichen Muskelkater in den Beinen, die sich wie eingerostet anfühlten. Ich duschte, wechselte die Kleider, genoß noch einen schönen Abend mit Ute, welche den Tag mit ihrem Vater im Ort verbracht hatte (derartige wanderungen sind ihr zu anstrengend), und am anderen Morgen hatte ich mich wieder erholt.

Barfüßige Sommergrüße,
Markus .


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