Hallo Frank,
wenn nach einer längeren Hitzeperiode die Temperatur mal wieder auf unter 20°C absinkt und keine Sonne scheint, dann geben sich die Leute deutlich bedeckter. Als ich gestern kurz vor 18 Uhr noch zur Reinigung radelte, in T-Shirt, kurzen Hosen und barfuß, um dort die saubere Dienstkleidung abzuholen, meinte der Ladenbesitzer: "Allmählich brauchen Sie so etwas wieder, sonst erkälten Sie sich noch."
Frank:
Heute habe ich seit langen wieder feste Schuhe angezogen. Ansonsten Flipflops im Geschäft und barfuss während der Freizeit
Michael:
Offensichtlich scheint Dein Arbeitgeber nichts dagegen zu haben, wenn Du im Sommer in Flipflops erscheinst. Würde er Dir Probleme machen, wenn Du dieses Schuhwerk auch bei tieferen Temperaturen trägst? Wäre eigentlich unlogisch bei einem Bürojob ohne Kundenkontakt. Nachvollziehbar wäre ein solches Verhalten, wenn man etwa als Briefträger, Zeitungsausträger usw. bei Wind und Wetter mit dem Velo oder Töffli unterwegs ist. Da kann ich mir schon vorstellen, daß ein Arbeitgeber zwar bei hohen Temperaturen leichte Sandalen ohne Socken toleriert, nicht aber bei Bodenfrost.
Frank:
Wenn die Leute nicht so spiessig wären, hätte ich auf Schuhe verzichtet, wie die junge Frau, die ich heute in der Tiefgarage gesehen habe. Sie war in Begleitung ihrer Eltern und wahrscheinlich wollte sie ins Kino. Die Eltern sahen normal aus, doch die junge Frau war vom Typ "Alternativer Hippie". Da gehört es zu Image auf Schuhe zu verzichten :)
Michael:
Da bewundere ich aber die Eltern. Vielen Eltern ist es doch peinlich, wenn ihre Kinder "unmöglich" gekleidet sind. Und diese gehen friedlich miteinander ins Kino. Eigentlich ein Idealzustand: So sollten auch Barfüßer und Schuhträger ohne wenn und aber an jedem Ort friedlich coexistieren können, wobei einer, der Schuhe trägt, letztere auch ausziehen kann, wann immer er will. Und kein Barfüßer wird gezwungen, zu jeder Zeit an jedem Ort barfuß zu laufen. Und schon gar nicht wird darüber diskutiert, ob man als Barfüßer wenigstens Schuhe dabeihaben darf. Aber Menschen denken halt in Schubladen.
Frank:
Vielleicht sollte ich auch auf Hippie machen. Dann wäre das Barfusslaufen auch leichter, aber vielleicht hätte man da wieder andere Probleme :) (z.B. mit Rechten, Skins, Arbeitgebern, usw.)
Michael:
Mit Rechtsradikalen kann es Ärger geben, weil sie einen in Hippiekleidung als einen von der linken Szene ansehen. Und vermutlich sehen die Linksradikalen in einem Glatzkopf gleich einen von der rechten Szene. Was Arbeitgeber anbelangt: Solange Du am Arbeitsplatz in der üblichen Kleidung erscheinst (und auch sonst keine "verräterischen" Dinge wie Tätowierungen, unnatürliche Haarfarbe usw. sichtbar sind), darf der Arbeitgeber Dir (theoretisch) keinen Strick draus drehen, wenn Du in der FREIZEIT hippiemäßig rumläufst. Aber das ist halt nur Theorie und hängt auch sehr vom Arbeitgeber ab. Es hat sich schon manch einer bei meinem direkten Vorgesetzten beschwert, daß ich in der Freizeit barfuß und in kurzen Hosen durch die Stadt geradelt war. Die Antwort war dann immer: "Solange er seine Arbeit macht, ist mir das vollkommen egal." Wenn aber der direkte Vorgesetzte auch ein Spießer ist, dann kann es anders ausgehen. Er könnte irgendeinen Grund finden, daß darunter die Firma zu Schaden kommt, etwa so: Pro Tag kommen 3 Anrufe beim Vorgesetzten bzl. Barfüßigkeit eines Mitarbeiters, Dauer ca. 5 Minuten pro Anruf. Also gehen dem Vorgesetzten pro Tag 15 Minuten produktive Arbeitszeit verloren. Und weitere total 15 Minuten haben die 3 Anrufer am Telefon geschnurrt statt gearbeitet, macht total 30 Minuten. Und wenn der Chef annimmt, daß die Anrufer nicht nur den Chef angerufen haben, sondern auch noch andere Mitarbeiter (und solche Telefonate dauern erfahrungsgemäß länger als die mit dem Chef), was geht da alles an Arbeitszeit verloren! Unglaublich!
Frank:
Die wohl einfachste Möglichkeit den eigenen Lifestyle zu leben wäre wohl Milliardär zu werden und eine kleine Insel zu kaufen :) Dort könnte man sich so kleiden wie man will und man müsste auf niemanden Rücksicht nehmen. Es gäbe keine Schuh-,Grill-,...Polizei.
Michael:
Als Milliardär braucht man nicht einmal eine Insel, dann kann man auch in einem Heer von Spießern ungestört barfuß laufen. Das gilt zumindest für Milliardäre aus dem Showbusiness oder durch Erbschaft usw. Einer, der als Manager, Verwaltungsrat usw. zum Milliardär geworden ist, kann das wohl nicht (und wird es wohl nicht, da seine Karriere meist durch Tragen von Krawatten erst möglich war).
Frank:
Ich finde es bedauerlich, dass sich Leute immer durch das Verhalten anderer gestört fühlen. Irgendwo fehlt die Toleranz. Natürlich gibt es auch Grenzen, insbesondere dort, wo die Freiheit und die Gesundheit des Anderen eingeschränkt wird. Wenn ich aber keine Schuhe trage, verletzte ich nicht jemand anders, gefährde seine Gesundheit oder schränke seine Freiheit ein.
Michael:
Das ist ein Gummiparagraph. Sicher soll man nicht tolerieren, wenn andere ihre "Freiheit" dazu nutzen, Ausländer zu verprügeln, Straßenbahnen zu demolieren, Glasflaschen auf dem Trottoir zu zertrümmern, Autospiegel abbrechen, Reifen aufstechen, Dachsirenen aus der Verankerung reißen, faule Eier und Farbbeutel auf andere zu werfen. Bei diesen "Heldentaten" werden andere verletzt oder geschädigt, und das ist verwerflich. Wer barfuß läuft, verletzt oder schädigt keine anderen. Wirklich? Er schädigt die Schuhindustrie, die Hersteller von Schuhputzzeug, die Ärzte (da Entfernen von Glassplittern ihnen weniger einbringt als Rückenoperationen), das Hotel- und Gaststättengewerbe (weil angeblich ein Barfüßer weniger Geld bringt als diejenigen Leute gebracht hätten, die wegen eines Barfüßers abgeschreckt wurden). Solche Argumente hört man. Daß aber auch einer, der ein Auto fährt und es für jede Kleinigkeit benutzt, der Fahrradindustrie, dem öffentlichen Verkehr, dem Taxiunternehmer usw. schadet, davon redet keiner.
Wer barfuß ist, etwa im Zug, der schränkt die Leuten die Freiheit anderer Leute ein, nämlich die Freiheit, Bahn zu fahren, ohne nackte Füße sehen zu müssen. Wieso regt sich keiner über unbehandschuhte Hände, nackte Ohren, Nasen usw. auf? Macht es da einen Unterschied? Eigentlich nein. Aber der Mensch hat es halt verlernt, verhältnismäßig zu reagieren, was mehrere Beispiele zeigen:
Man redet über "gefährliche" Giftspinnen, Schlangen, erschießt sogar den armen Bären Bruno. Dabei sind die Spinnen nicht tödlich, in der Schweiz ist in den letzten 200 Jahren kein einziger Mensch am Biß einer einheimischen Giftschlange gestorben. Und wie viele Menschen sterben durch einen wilden Bären? WELTWEIT ist es nur ein Bruchteil von dem, was in Zofingen im selben Zeitraum im Straßenverkehr stirbt.
Was passiert in den USA, wenn ein bewaffneter Ladendieb im Einkaufszentrum auf frischer Tat ertappt wird? Er wird von 2 bewaffneten Ordnungshütern abgeführt. Was passiert mit einem unbewaffneten Barfüßer, der im selben Geschäft einkaufen will? Er wird von vier bewaffneten Ordnungshütern bereits am Eingang abgefangen und abgeführt. So hat es zumindest Lothar erlebt.
An gefährliche Autos und Ladendiebe hat man sich halt gewöhnt, an Bären und Barfüßer nicht, sie zählen zu einer Minderheit.
In einer Stadt darf man nur 50 km/h fahren, einige machen das, einige gerade eben nicht. Wenn einer mal 70 km/h fährt und dabei erwischt wird, gibt es eine Buße. Das Gesetz will es so. Macht es einen auffälligen Unterschied, ob man mit 50 oder 70 fährt? Eigentlich nicht. Wenn aber im Winter fast alle in Winterkleidung in der Stadt herumlaufen, nur einer läuft barfuß und in kurzen Hosen, dann hebt er sich deutlich mehr von der Masse ab als einer, der statt 50 km/h mit 70 km/h unterwegs ist, ganz davon abgesehen, daß der prozentuale Anteil an Zu-schnell-Fahrern einiges höher ist als der an Barfüßern im Winter. Überrascht es da, daß Spießer wesentlich heftiger auf Barfüßer reagieren als auf Zu-schnell-Fahrer? Eigentlich nein! Und überrascht es da, daß Polizisten sehr oft unverhältnismäßig reagieren? Eigentlich auch nicht. Wenn einer zu schnell fährt, dann wissen sie, wie viel sie fordern können. Und solange der erwischte Autofahrer nicht unhöflich wird und bereitwillig zahlt, dann bleiben die Beamten freundlich, die Kasse stimmt ja. Bei einem kurz behosten Barfüßer im Winter wissen die Beamten oft selber nicht weiter: Einerseits macht man nichts verbotenes, anderes weicht man deutlich mehr von der Allgemeinheit ab als ein Raser, Falschparker, Drögeler usw. Also versuchen viele Beamte, dem Barfüßer irgendein anderes Verbrechen nachzuweisen, um wenigstens so zu "ihrem" Geld zu kommen. Eine Art ist, in einem herablassenden Ton den Barfüßer anzusprechen, in der Hoffnung, er würde sie als "Bullen", "Nazischweine" oder sonst wie titulieren. Dann hat sich ihr Einsatz wenigstens gelohnt. Was ich aber besonders bedenklich finde ist die Tatsache, daß man in einer "schwarzen Liste" geführt wird, was eindeutig mit den Menschenrechten nicht vereinbar ist. Schlimm ist, daß man sogar von der Polizei von zu Hause abgeholt wird, wenn irgendwo ein Verbrechen geschieht (ist mir einmal passiert).
Schöne Grüße
Michael aus Zofingen