Sprachlich eine gute Leistung, inhaltlich.... 8 - ( (Hobby? Barfuß! 2)

Bernd (Wiesbaden), Stammposter, Monday, 31.07.2006, 15:15 (vor 6629 Tagen) @ Barpfotenbaer

Interessant zu lesen, süffisant im Ausdruck. Trotz der barfußfeindlichen Grundaussage musste ich spätestens lächeln, als ich vom stinkenden, schwitzenden nackten Männerfuß in Lederhalbschuhen las, erlebe ich doch immer wieder jene überstylte Typen, die nach einem heißen Tag im Büro ihre supereng geschnittenen Lederschuhe in der Bahn ausziehen und ihre schweißnassen, wundgescheuerten, bestialisch stinkenden Zehen mit schmerzverzerrter Mine neben meiner bzw. unter meiner Nase massieren, in der Annahme, dass mir der Duft nichts ausmacht. Rote, wunde Haut, brüchige, gelblich schimmernde, degenerierte Fußnägel... Das muss nicht sein.

Ich würde den Verfasser gern fragen, ob er noch nichts von schicken Männersandalen bzw. hochwertigen Leder-Flip-Flops gehört hat, welche die Ästhetik eines schönen Fußes durchaus zu unterstreichen vermögen. Schließlich ist es keine (Stil-) Frage der Dreiviertelhose, des Magnum-Hemdes oder gar des offenen Herrenschuhs, sondern eine grundlegende Frage
des Geschmacks bzw. der grundlegenden Fertigkeit, die Divergenz Selbstbild-Fremdbild realistisch einschätzen zu können. Wer einen Blick fürs Realistische hat, dem bleibt der Blick auf Stil-Ikonen erspart. Wer einen sicheren Geschmack hat, kann auch gern auf die eine oder andere Kolumne verzichten.

Fußgruß
Bernd

SPIEGEL ONLINE - 31. Juli 2006, 10:16
URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,428775,00.html
Verstehen Sie Haas?

Schlappe für den Mann
Von Daniel Haas
Männer, so läuft das nicht! Flip-Flops, Latschen, Shorts und T-Shirts: Gefahr ist im Anzug, die Mode geht vor die Hunde. Eine Stil-Randale - ohne Sandale.
Früher kam das Unheil auf leisen Sohlen. Jetzt kommt es auf Sohlen, die flipflop machen. Ein Schuh, der seinen Namen aussprechen kann, hat Harry Rowohlt mal gesagt. Getragen von Männern, die Stil nicht buchstabieren können, möchte ich anmerken. Ein Mann, der Flip-Flops trägt, hat sein Recht auf gesellschaftliche Partizipation verwirkt. Soll er sich mit seinen Latschen unterhalten.
Eine Reihe Flip-Flops: Und drin stecken womöglich Männerfüße!
DPA
Eine Reihe Flip-Flops: Und drin stecken womöglich Männerfüße!
In Badeschlappen und Shorts zur Arbeit: "Sind Sie im Freibad angestellt?", möchte ich solche Leute fragen. "Und wird Ihr zwölfjähriger Sohn seine Hosen nicht vermissen?" Diesen Kleidungsstil infantil zu nennen, ist noch viel zu wohlwollend. Kinder haben ein feines Gespür für das Angemessene ihrer Garderobe - ich muss es wissen, schon als Halbwüchsiger habe ich mich erfolgreich gegen Turnschuhe und T-Shirts jenseits des Sportunterrichts gewehrt. Aber heute tragen 50-Jährige sogenannte Sneakers, während ihnen die Hüfthose um den erschlaffenden Hintern wackelt. Für mich, der bereits vor der ersten Pubertätsakne dem Dreiteiler auf Pausenhöfen zu stolzem (wenn auch einsamem) Renommee verhalf, ein unerträglicher Zustand.
Das mit Text bedruckte T-Shirt ist überhaupt der Gipfel. Was glauben diese Leute? Dass sie so langweilig sind, dass sie ihr Gegenüber vorsichtshalber mit Lektüre beschäftigen müssen? Oder fühlen sie sich hässlich und wollen von ihrem Gesicht ablenken? Neulich sah ich einen 40-Jährigen, auf dessen T-Shirt "Held der Arbeit" stand. Wieso darf jemand sowas tragen, wenn er sich noch nicht einmal die Arbeit macht, ein Hemd zu bügeln?
Mit den Hemden geht es sowieso bergab. Das Hawaii-Shirt zum Beispiel: Man hatte gehofft, es verschwindet als modische Entgleisung der Fünfziger im Orkus der Popkultur. Jetzt kehrt dieser Statthalter eines verdeckten Ethno-Romantizismus als ironisches Statement wieder zurück. Diese Hemden bringen mich auf die Palme, und zwar buchstäblich. Sie sind schlecht geschnitten, grell und werden bis zum Brustbein hinab aufgeknöpft getragen. Schlechter Stoff, hysterisches Design und dazwischen ein Krater welker Epidermis. Wenn ich einen nackten Männerbauch sehen wollte, habe ich mich bislang allein ins Badezimmer zurückgezogen.
Mit dem Kurzarm-Hemd wird die Sache auch nicht besser. Oft stehen die Ärmel wie kleine Flügel ab. Schwimmflügel denke ich dann immer, und der Impuls, den Betreffenden in ein öffentliches Gewässer zu stoßen, wird überwältigend.
Das Pendant sind die bereits erwähnten Shorts, zurzeit vorzugsweise im Army-Look, aus denen dürre, behaarte Beine wachsen. Der Terror der Intimität kennt keine Grenzen: Noch bevor ich den Namen einer Person erfahre, habe ich dank Hüfthose, Hawaiihemd und Shorts Hintern, Bauch und Oberschenkel kennengelernt.
Wer soweit geht, scheut sich auch nicht davor, ohne Socken im festen Schuh aufzutreten. Barfuß im Budapester: Bin ich degeneriert, wenn ich mir vorstelle, wie so ein muskulöser Männerfuß sich schwitzend ans Lederinlay schmiegt und mit ihm eine quasi chemische Verbindung eingeht, die hier zurückhaltend als olfaktorische Herausforderung bezeichnet werden soll? Und ist die sogenannte In-Shoe-Socke, jene Schwundform des einstmals stolzen Herrenstrumpfes, wirklich eine Alternative? Sich mit einer lächerlichen Frotteebandage aus der Sache mogeln: erbärmlich.
Das Schlimmste aber ist der Medienbimmsel. Als Medienbimmsel sei fortan der Schlüsselanhänger bezeichnet, dessen grotesk langes Band aus der Hosentasche hängt. Der Medienbimmsel ist das Lieblingsaccessoire männlicher Medienschaffender, er verziert Jeans, Shorts und was sonst noch in dieser Szene als Hose durchgeht. Was will er bedeuten? Wie funktioniert seine Semiotik? (Ich benutze hier bewusst ein Fremdwort, weil jetzt maximale Distinktion angesagt ist.) Ich glaube, der Medienbimmsel ist eine Schlinge, in der sich der moderne Mann, bildlich gesprochen, verfangen hat. Darin strauchelt er seinem modischen Untergang entgegen. Flipflop macht es dazu.

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